Vor ein paar Wochen veröffentlichte ich einen Beitrag über Silbersalz35-Filme, zu der Zeit lag noch ein Silbersalz 500T in meiner M6 TTL, den ich auf Sylt angefangen hatte. Dort hatte ich meinen Nachtschlaf geopfert, um Bilder mit dem 200T zu machen und wenn man die Ergebnisse betrachtet, würde ich sagen, dass sich dass auch gelohnt hat.

Nachdem dass nun zu meiner Zufriedenheit ausgefallen war, wollte ich herausfinden, wie sich der Silbersalz 500T im Vergleich dazu macht. Für diejenigen, die nicht im Thema sind: Die Silbersalz-Filme basieren auf dem Kodak Vision 3-Cinefilm, den die Firma Silbersalz35 in Stuttgart in 35er Filmpatronen packt, verkauft, entwickelt und scannt. Es gibt Filme unterschiedlicher Empfindlichkeit und Farbbalance, also „D“ für daylight und „T“ für tungsten (Kunstlicht). Der Silbersalz 500T ist der empfindlichste Film im Angebot. Mit ihm wurde z.B. der Musical-Film „Lala Land“ gedreht. Hat viele schummrige Szenen.

Silbersalz 500T
Noch auf Sylt: Die Farbpalette des 500T bei Sonnenuntergang ist auf jeden Fall reichhaltig. Würde man nicht glauben, wenn man den Rohscan sieht. Aber dafür gibt’s genug Beispiele im vorigen Blogbeitrag. Leica M6 TTL mit 35mm Voigländer Ultron bei f/4 1/250s
Silbersalz 500T
Der 500T bei Kunstlicht. Passt genau. Leica M6 TTL mit 35mm Ultron bei f/2 1/60s

„Empfindlich“ ist in diesem Zusammenhang natürlich ein sehr relativer Begriff, denn da man die Silbersalz-Filme (wie die meisten Fabnegativfilme) am besten eine Blende überbelichtet, liegt man bei dem 500T bei bombastischen 250 ASA. Der Besitzer einer zeitgenössischen Digitalkamera kann darüber nur hämisch kichern. Dennoch – der Silbersalz 500T ist prädestiniert für Motive bei schwindendem (Sonnen-) Licht oder Kunstlicht, der Analog-Fotograf besinnt sich dann auf die Vorzüge einer lichtstarken Optik. Denn das „Rennen“ der Objektivhersteller Mitte des letzten Jahrhunderts um Blendenöffnungen größer als f/2 hatte ursprünglich nicht den Sinn, dass sich irgendeiner für das Bokeh interessiert hätte. Es ging mehr darum, dass zu der Zeit ein 400er Film schon „hochempfindlich“ war.

Der zuvor zitierte, fiktive und natürlich klischeehafte, gönnerhaft/mitleidige Digitalkamera-Schütze würde sich vielleicht wundern, was man auch mit 250 ASA machen kann, wenn man statt seines f/4.0-6.3 24-200 Geht-für-alles-Zooms aus vergüteten Flaschenböden eine Festbrennweite mit f/1.4 verwendet. Man könnte natürlich die Chancen bei bewegten Motiven in Schummerbeleuchtung insofern zu seinen Gunsten verschieben, indem man einen Kodak 800 bei 640 ASA belichtet.

Silbersalz 500T
Im Kurpark von Bad Oeynhausen. Leica M6 TTL mit 35mm Summilux bei f/4 1s

Wie schon im letzten Beitrag erwähnt, ist Juni nicht der günstigste Monat, wenn man Dunkelheit braucht, um einen Film zu testen. Halbwegs dunkel wird es bei uns in Ostwestfalen um die Jahreszeit erst ab 23.00 Uhr. Die M6 TTL auf dem Schränkchen in meinem Arbeitszimmer schaffte es irgendwie, von Tag zu Tag vorwurfsvoller auszusehen. Eines Abends schnappte ich sie entnervt und machte mich mit dem Fahrrad, Stativ auf dem Gepäckträger, auf den Weg nach Bad Oeynhausen. Ich war natürlich viel zu früh losgefahren und kurvte noch über eine Stunde kreuz und quer durch die Stadt. Wenigstens konnte ich schon mal meine Motive sichten. Im Kurpark war es dann dämmrig genug, dass ich schon mal einen ersten Versuch wagte.

Silbersalz 500T
Endlich halbwegs dunkel… am Einkaufszentrum. Leica M6 TTL mit 35er Summilux. Man achte auf den typischen Halo-Effekt bei Neonlicht, Markenzeichen des Cinefilms.
Silbersalz 500T
Einkaufszentrum…an sich kein bevorzugtes Motiv, aber für die Erprobung des Films geeignet.

Dort (im Kurpark) wollte ich allerdings nicht bleiben, weil ich nicht wieder dieselben Sachen bei Beleuchtung fotografieren wollte, die ich schon mal beim Testen des Kodak Portra 800 in der Plaubel Makina 67 abgelichtet hatte. Mein Hauptziel war ein Bau des Star-Architekten Frank Gehry, das Energie-Forum Innovation. In Paris hatte ich schon eines seiner jüngeren Werke bewundert, die Fondation Louis Vuitton. In unserer Gegend denken immer alle ans Marta, wenn es um Gehry geht. Den meisten hier ist glaube ich gar nicht klar, dass das Energie-Forum von ihm ist, obwohl seine Handschrift mehr als deutlich ist, wenn man denn darauf achtet. Dass es sich direkt bei einem Einkaufszentrum befindet, kam in dem Fall nicht ungelegen, weil auch Neonlicht gefragt war.

Ich klappte mein Stativ aus und suchte mir unterschiedliche Winkel zum Gebäude. Auf der Seite zur Hauptstraße ist die Beleuchtung relativ nüchtern, auf der Rückseite sind Scheinwerfer mit unterschiedlichen Lichttemperaturen installiert, die meisten sind nicht besonders hell. So kam ich auch relativ schnell zu Belichtungszeiten von 7 Sekunden, die ich mit dem Gossen Digipro F2 maß. Diese gemessene Zeit verlängerte ich nach Gefühl um Wellenschlag um das doppelte, um dem Schwarzschild-Effekt Rechnung zu tragen. Ein Drahtauslöser war bei den Zeiten obligatorisch.

Hier war es schon dunkler:

Die Front des Gebäudes zur Hauptstrasse hin war anders beleuchtet:

Die Ergebnisse zeigen, dass ich mit den Zeiten nicht falsch lag. Bei Belichtungszeiten über eine Sekunde wird ein Kodak-Wratten-Filter CC10R empfohlen, aber ich denke, dass ist für die Filmemacher wichtiger. Auf jeden Fall kommt es bei Belichtungszeiten über 30 Sekunden immer mehr zu Farbverschiebungen so in Richtung Cross-Entwicklung. Das letzte Bild des Films machte ich um Mitternacht an der Vlothoer Weserbrücke mit 90 Sekunden Belichtungszeit, da ist der Farbstich deutlich. Aber erstens gibt’s das bei anderen Filmen auch und zweitens kommt die Filterempfehlung bei langen Zeiten nicht von ungefähr.

Silbersalz 500T
Ein bisschen wie bei Cross-Entwicklung: Wenn die Belichtungszeit sehr lang wird. Leica M6 TTL mit 21mm Super-Elmar bei f/3.4 90s
Silbersalz 500T
Farbstich weniger problematisch: Das gleiche Bild etwas früher, Belichtungszeit kürzer, nämlich „nur“ 50s. In jedem Fall war es Mitternacht und viel dunkler, als das Bild erahnen lässt.

Apropos Filter: Bei Tage sind die Tungsten-Filme natürlich sehr blaustichig, ein Farbkonversionsfilter 85b gleicht das aus. Falls man für das aufsetzen des Filters zu faul ist, lässt sich das auch beim Weissabgleich in LR oder PS nachträglich regeln (ausser man wünscht den Blaustich als Stilmittel).

Die Raw-Scans vom Silbersalz 500T muten vom Farbumfang und Handling ziemlich genauso an wie die vom 200T, ausser natürlich, dass das Filmkorn deutlicher wird. Aber selbst das ist durchaus im Rahmen. Es kann sein (aber das ist nur ein subjektiver Eindruck), dass der 200T dem 500T gegenüber mehr „Luft“ nach oben bei sehr langen Belichtungszeiten (über 20Sekunden) hat, wenn es um die Farbverschiebungen geht. Insgesamt würde ich dem 200T eigentlich den Vorzug geben, wenn man nicht das letzte bisschen Filmempfindlichkeit wegen handgehaltener Aufnahmen braucht. Ich denke, der 500T glänzt vor allem bei Porträt oder Event-Fotografie bei available Light aus Kunstlicht oder „gebeugtem“ Sonnenlicht. Natürlich liefert er bei Langzeitbelichtung ähnliche Ergebnisse wie der 200T, aber wenn die Kamera sowieso aufs Stativ muss, kann man auch den feinkörnigeren Film verwenden.

Silbersalz 500T
Filmkorn: Ausschnitt 100% vergrößert. Eigentlich immer noch sehr dezente Körnung, nur im Vergleich zum 200T natürlich deutlicher.

Ich hätte ein paar Verbesserungsvorschläge für die Jungs von Silbersalz35. Erstens, der Film-Versandt mit Hermes läuft oft suboptimal, vielleicht sollte man dem Kunden beim Bestellvorgang Alternativen anbieten. Zweitens, die Scans mit der Silbersalz „Color-Science“ sind in vielen Fällen überflüssig (bei den Nachtaufnahmen beeinträchtigt sie z.B. die Tonwerte erheblich, auch ist ein „atmosphärischer Eindruck“ durch die Emulation nicht erkennbar). Wer die Color-Science möchte, kann sie ja auch vorher mit buchen, sozusagen als kostenlosen Service. Ich bin sicher nicht der Einzige, der mehr Wert auf die unangetasteten Raw-Scans legt. Zumal der Verzicht auf den Ordner mit den von Silbersalz bearbeiteten Bilder mehr Platz für den Download bringt, man könnte die Raw-Scans z.B. doch wieder im Tiff-Format bringen und damit das lästige konvertieren der JP2-Dateien in XnConvert umgehen.

Es kann auch mal was schieflaufen, und das ist verzeihlich. Es dauert halt zwei Wochen, bis die Scans per Download bereitstehen, das ist ok. Geduld ist einen analoge Tugend. Leider kamen diesmal die Scans an einem Freitagnachmittag. Nach Konversion in XnConvert öffnete ich die Bilder in LR um festzustellen, dass sie aus irgendeinem Grund nur die halbe Auflösung (oder weniger) hatten, obwohl die Pixelzahl korrekt war. Irgendwas musste bei der internen Verarbeitung der Scans passiert (oder nicht passiert) sein. Auf meine Anfrage per Mail bekam ich aber sofort Antwort mit dem generellen Inhalt „Oops! Sorry! My bad!“ mit dem Versprechen, dass sofort zu „fixen“. Und wirklich: Im Lauf des Nachmittags kamen die korrigierten „Full Scans“ (die mit Color Science) langsam eingetrudelt. Leider waren die aus genannten Gründen für mich unbrauchbar, aber immerhin konnte ich schon mal sehen, dass die Bilder soweit gelungen waren. Freitag Abend war Schluss mit Download, die Raw-Scans fehlten noch komplett. Vermutlich war der Server bei Silbersalz zum Wochenende heruntergefahren worden, denn erst Montag Morgen kam der Rest. Diese Verzögerung war bei aller Geduld nervig, denn ich hätte gern am Wochenende die Bilder bearbeitet. Aber wie gesagt, no hard feelings. Im Prinzip hatte man sich sofort mit dem Problem befasst, nur das Wochenende kam dazwischen…

Und hier wieder der Disclaimer: Auch mit Kodak Portra lassen sich ausgezeichnet Langzeitbelichtungen machen!

Whatever, shit happens… deswegen kündige ich keinem gleich die Freundschaft. Momentan warten ein paar Silbersalz-Filme (vor allem 200T) im Eisfach auf ihren Einsatz, bevorzugt in der dunkleren Jahreszeit. Offenbar gibt es zur Zeit Lieferschwierigkeiten mit dem 250D, der erst im August wieder verfügbar ist. Sollte mich nicht wundern, wenn Corona dahintersteckt. Halbleiter gibt’s auch nicht und wer weiß, ob nicht neben der Auto- auch die Kamera-Industrie Probleme in der Fertigung hat. Eine CL2 zum Beispiel wurde schon letztes Jahr für diesen Sommer erwartet und man hört keinen Piep. Dafür haben sich die Gerüchte um die M11 konkretisiert: Sie soll im November (passenderweise am 11.11., hoffentlich kein Karnevalsscherz) angekündigt werden. Kein IBIS, war auch nicht zu erwarten, wenn man die Gehäusegröße beibehalten will. Natürlich ein Sensor mit möglicherweise 50 MP, die man aber aber auch kleiner stellen kann (kleinere DNG’s? Pixel-Binning oder sowas?). Auf jeden Fall sind die Tage der Bodenplatte gezählt, sie wird an die der Q2 angepasst. Ferner soll eventuell, man höre und staune, eine reine EVF-Version der M11 im Laufe von 2022 herauskommen. Von einer neuen analogen, mechanischen, „M6-Style“-Kamera hört man leider auch nichts. Aber vielleicht kommt im Herbst alles auf einmal, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Nachdem ich nun meine Silbersalz-Erfahrungen soweit gefestigt habe, dass ich sie jederzeit bei Bedarf anwenden kann, freue ich mich auf den Sommer und habe vor, meine zuletzt vernachlässigte Mittelformat-Fotografie mit Plaubel-Makina und Rolleiflex wieder aufzunehmen. Und zwar mit viel Zeit, in aller Ruhe und möglicherweise in einem Urlaub im August, wenn der denn dann noch stattfinden darf. Die Spannung steigt.

4 Kommentare

  1. Andy Diehl

    Hallo Claus!

    Bisher habe ich noch keine Erfahrungen mit dem 500T sammeln können, bin aber nach Deiner Empfehlung für Silbersalz, erst mal mit dem 050D eingestiegen. Was mich bisher aber absolut positiv überrascht hat, ist der Service von Silbersalz. Mittlerweile ist sowas in der „Servicewüste“ Deutschland fast schon eine Seltenheit geworden, um so positiver die Überraschung.

    Egal ob ich kurzfristig eine Änderung brauchte oder sonstige Wünsche hatte, es wurde sofort freundlich und schnell gehandelt, Selbst der Gesamtpreis für Film und Entwicklung und Scan ist wirklich attraktiv.

    Ich hoffe es bleibt so.

    Grüße
    Andy

    P.S. Momentan mit M6 und Silbersalz 050D in Finnland unterwegs. 🙂

    • Claus Sassenberg

      Hallo Andy,

      den 50er habe ich selbst noch nicht ausprobiert (obwohl zwei in der Kühlung schlummern), dabei würde ich von dem beste Tauglichkeit bei Landschaft erwarten. Ausserdem mögen zwar 25 ASA wenig erscheinen, aber bei Tageslicht kann man wenigstens mal auch größere Blenden bemühen und ein bisschen in Bokeh schwelgen.
      Schönen Urlaub und lass dich nicht zu sehr von den Mücken plagen,

      Claus

      • Danke Claus!

        Die klassische Culex pipiens (Nordische Hausmücke) ist aufgrund der hohen Temperaturen dieses Jahr kaum vertreten, dafür stehen aber die Ceratopogonidae (Bartmücken) in großer Anzahl als Ersatz bereit, um den analogen Leica Fotografen zu quälen, während er verzweifelt nach der richtigen Belichtung für seinen 25ASA Film sucht, 🙂

        Der 050D benötigt wirklich viel Licht, was leider nicht immer zur Verfügung steht, deshalb ist das 35mm Summilux an der M6 zu ganz neuen Ehren gekommen.

        Grüße

        Andy

  2. Moin Claus.
    Irgendwie kamen mir die Gebäude und Brücken doch bekannt vor. Memories aus meiner Zeit in Bad Oeynhausen. Einst wurden dort schwere Bagger für den Tagebau produziert. So ändert sich das Leben.
    Mich hatten die Aufnahmen aus der ersten Serie gleich an die Kodak Diafilme erinnert. Wunderbar klar. Ich habe mich bisher nicht an die Cinefilme heran getraut, obwohl sehr neugierig darauf, Und ja, die analoge Fotografie bleibt für mich die schönste Art, sich in Bildern auszudrücken.
    Wenn das neue 2.0 35er nicht so teuer währe, das währe für mich die ideale Kombi mit einer M. Aber so muss ich mit einem Flaschenhals fotografieren. Ist einfach den Budget geschuldet.
    Lieber Gruß ins schöne Weserbergland- bin vorgestern Nacht noch bei Euch vorbeigefahren:-)

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