Mit dem letzten Beitrag habe ich ja ganz schön was losgetreten… aber vielen Dank für die zahlreichen Kommentare, die mir versicherten, dass eine Firma halt mit der Zeit gehen muss und ich doch Vertrauen haben solle, dass Leica schon nicht gleich alle alten Tugenden wegwirft. Nur einer hat mir die Freundschaft gekündigt. Ich wirke wohl “übersatt und gelangweilt” (Autsch!) und der Blog zeige einfach keine interessante Entwicklung mehr. Ja, sorry, man kann’s nicht allen recht machen. Über die Leica M10 und die klassische Q ist viel gesagt, sie sind und bleiben meine digitalen “Arbeitspferde”, da gibt’s im Moment kaum etwas hinzuzufügen. Meine Meinung zur Q2 habe ich auch zum besten gegeben, das ist für mich “abgefrühstückt”. Für andere digitale Modelle fühle ich mich nicht zuständig (aber finde die neue Fuji X-Pro 3 ziemlich interessant).
Was die “Entwicklung des Blogs” angeht, liegt mittlerweile ein gewisser Schwerpunkt auf analoger Fotografie. Eigentlich habe ich die Hoffnung, dass selbst Leute, die bewusst und ausschliesslich digital fotografieren, vielleicht ganz interessant finden, was mit Film noch so alles geht und welche “alten Schätzchen” noch überraschend gute Qualität liefern. Für mich ist es jedenfalls spannend (und eben gar nicht langweilig), was im Laufe des letzten Jahrhunderts an Apparaten auf dem Markt war. Ebenso, noch funktionierende Exemplare zu finden und damit zu arbeiten. Ein bisschen wie ein Paläontologe, der mit den Originalwerkzeugen versucht, Höhlenzeichnungen zu rekonstruieren. Unter Umständen ist für jemanden, der mit Digitalfotografie groß geworden ist, ist die analoge Ära schliesslich so weit entfernt wie die Jungsteinzeit.
Der Zufall wollte es ja, dass mir vor kurzem eine Zeiss Ikon Nettar in die Hand fiel. Eine relativ einfache Faltkamera aus den 50ern für Mittelformat (6X6), die man für 60-100 Euro bei eBay finden kann. Der eine Film, den ich damit beim Wandern in den Dolomiten belichtete, überzeugte mich derart, dass ich neugierig wurde. Wenn schon dieses einfache Billig-Basismodell so etwas zu leisten vermag, was geht dann bei Faltkameras mit aufwendigerer Optik und Verschluss? Zeit, mal über den Tellerrand zu schauen. Leica hat mit (Film-)Mittelformat nie was am Hut gehabt. Meine bisherigen Apparate für Rollenfilm waren die Fuji GW 690 (die “Texas-Leica”) und die Hasselblad 501c (das V-System), beides ganz schöne Öschis. Um sie überall mit zu nehmen, muss man schon hochmotiviert sein.
Super Ikonta: Flaches Mittelformat-Wunder
Die Faltkameras sind dagegen eingeklappt vergleichsweise kompakt. Und da gibt es auch eine “High-End” Serie, nämlich die “Super Ikonta” von Zeiss Ikon. Bei Agfa gab’s die “Super Isolette“, bei Voigtländer die Bessas (z.B. die Bessa RF), um nur die bekanntesten zu nennen. Es sind Messsucher-Kameras, das passt doch gut zum Motto meiner Webseite.
Die Super Ikonta also ist keine neue Superheldin des DC-Universums (Wonder Woman’s Kusine?), sondern der Name einer Baureihe von Falt-Kameras der Marke Zeiss-Ikon. Die erste Super Ikonta wurde 1934 vorgestellt, schon das frühe Modell hatte einen gekoppelten Messsucher, Tessar-Optik (75mm, f/3.5), Zentralverschluss (Compur oder Compur-Rapid) und machte Negative vom Format 4,5 X 6 cm auf 120er Rollfilm. Weitere Modelle hatten aber meist das Format 6X6, einige auch 6X9. Diese Baureihe wurde “evolutionär” weiterentwickelt bis zum Jahr 1960.
Ich machte mich auf die Suche nach brauchbaren Exemplaren.
Suchkriterien
Während der Websuche bei den “üblichen Verdächtigen” (eBay, diverse renommierte Händler antiquarischer Kameras) stellte ich fest, dass es zwar Super Ikontas aus allen Modell-Perioden gab, aber die meisten nicht oder nur teilweise funktionstüchtig waren. Anders als bei einer Leica, die man ggf. einfach zum Customer Care schickt, ist es fraglich, ob man eine leicht defekte alte Kamera anderer Marken wieder instandsetzen kann. Ich stiess zwar auch auf Spezialisten, die sich solcher Faltkameras annahmen, nur die waren jenseits des grossen Teiches angesiedelt. Natürlich darf man Gerard Wiener und Kollegen in anderen Städten nicht vergessen, aber auch die brauchen Ersatzteile.
Wirklich gut erhaltene und dazu funktionierende Exemplare sind selten und darum teuer. Selbst ziemlich abgestossene Vertreter dieser Spezies holen Preise von über 300 Euro, wenn sie noch halbwegs laufen. Ist das Teil dann noch in gutem äusserem Zustand (B oder B+), kommt man schnell auf Preise von über 500 Euro. Natürlich spielt auch eine Rolle, um welches Modell genau es sich handelt, manche sind heute besonders schwer zu finden. Dann bezahlt man sogar für funktionslose Sammlerstücke einen Haufen Geld. Eine 533/16 wurde zu der Zeit bei eBay als “Defekt, zum Ausschlachten” für 250 Euro angeboten.
Mein Ziel war, eine “Nachkriegs”-Super Ikonta zu finden, wegen der vergüteten Linsen, besser geeignet auch für Farbfilm. Auch sollte sie ein Tessar-Objektiv haben, denn es gab auch Spar-Versionen mit Novar-Anastigmat, wie es meine Nettar aufwies. Ich stiess bei eBay auf zwei Kameras, die ich sofort genommen hätte, aber es gab sie nur mit Auktion. Mein Herz sank, bei Auktionen hatte ich noch nie Glück gehabt. Beide waren vom selben Händler angeboten, die Auktionen liefen auf die Sekunde parallel, es verblieben 5 Tage. Es handelte sich um eine 534/16 , die einen Belichtungsmesser hat, und eine 531/16, das nahezu identische Modell (Bj. ca. 1954-55), nur ohne Belichtungsmesser. Das fand ich sogar besser, denn die Selenzellen sind heute fast immer entweder total ausgebrannt oder zeigen viel zu schwache Werte. Ein nutzloses Accessoir.

Die Zeiss Ikon Super Ikonta mit Opton-Tessar 75mm f/3.5 Objektiv und gekoppeltem Messsucher, Modelljahr ca. 1954
Kamera-Poker
Geboten hatte zu dem Zeitpunkt für beide Kameras nur einer, und ich nahm fast an, dass es ein- und derselbe war. Ich bot einmal für die 534/16, die ich gar nicht haben wollte. Dann wartete ich die 5 Tage. 10 Minuten vor Ende der Auktion überbot mich mein “Konkurrent” bei der 534/16. Bei der anderen Kamera, der 531/16 hatte sich nichts getan, sie lag immer noch bei 200 Euro (was für den Zustand inklusive Funktionstüchtigkeit ein Spottpreis war). 30 Sekunden vor Ende der Auktion überbot ich nochmal bei der 534/16. Ich ging dann sofort zur 531/16 und bot 10 Sekunden vor Ende 204 Euro. Ich bekam sie.
Aber mein Konkurrent hatte mich während der Zeit bei der anderen Kamera wieder überboten. Das hatte ich gehofft, denn die wollte ich ja gar nicht haben. Meine Taktik war einfach, die Aufmerksamkeit meines Mitbewerbers von der Kamera abzulenken, auf die bis 10 Sekunden vor Schluss kein anderer geboten hatte. Ob dieser schlaue Plan nun aufgegangen war, oder ich einfach Glück hatte, werde ich nie erfahren.
Unterdessen…
In den 5 Tagen, die ich auf das Ende der Auktion warten musste, erforschte ich noch eine Option. Es gibt ja noch eine Stelle, wo man möglicherweise alte Kameras finden könnte. Aber das ist ein dämonischer, dunkler Ort voller Halsabschneider, Halunken, zwielichtiger Gestalten und zweifelhafter Angebote, die man unbedingt ausschlagen sollte. Nein, ich rede nicht vom Weissen Haus, sondern von eBay-Kleinanazeigen.

Die Zeiss Ikon Super Ikonta 533/16 mit Opton Tessar 80mm f/2.8, Selenzellen-Belichtungsmesser und gekoppeltem Messsucher, Bj. ca. 1953
Ich fand eine Super Ikonta, die seit Juni drin stand, sie war zu einer Art Ladenhüter mutiert. Die Bilder dazu waren mega-verschwommene Handy-Fotos, auf denen man keine Details erkennen konnte. Ausserdem gab es keine genaue Typ-Bezeichnung, man wusste nicht, um welches Modell es sich handelt, der Verkäufer (vermutlich ein professioneller Entrümpler, denn es handelte sich um ein Stück aus einer Haushaltsauflösung) hatte einfach nur abgelesen, was um das Objektiv geschrieben stand. Immerhin handelte es sich um die lichtstarke f/2.8 – 80mm Tessar-Linse, und das erweckte meine Aufmerksamkeit. Diese Optik gehört nämlich zu einer recht raren Sorte von Super-Ikontas. Sie sollte 300 Euro kosten.
Zustand und Funktionstüchtigkeit waren also völlig unklar, dennoch stellte ich eine Anfrage und bot (weil das Teil schon so lange keine Beachtung gefunden hatte) deutlich weniger. Am nächsten Tag hatte ich die Zusage. Ich beschloss, mein Glück zu versuchen, und machte den Handel komplett.

Zeiss Ikon Super Ikonta 533/16, Rückseite
Der Händler war so gut wie sein Wort und zwei Tage später kam ein Paket bei mir an, dessen Inhalt mir den Atem stocken liess: Eine spitzenmässig erhaltene Super Ikonta 533/16, offenbar voll funktionsfähig, sogar der Selenzellen-Belichtungsmesser zeigte noch halbwegs richtig an. Ich hatte bei meiner Web-Recherche schlechtere Ausführungen diese Modells für 900 Euro gefunden. Die Seriennummer des Objektivs ordnete den Neuerwerb etwa ins Baujahr 1953-54 ein. Dieses Modell war auch schon vor dem Krieg hergestellt worden, aber die Nachkriegs-Objektive sind vergütet.
Technik
Eigentlich wollte ich nur eine Faltkamera, jetzt hatte ich zwei. Zufällig zwei Modelle, die einen Wendepunkt der Entwicklung der Super Ikontas verkörpern. In die 533/16 hatte Zeiss alles reingepackt, was gut und edel war, vor allem die lichtstarke Optik des 80mm f/2.8 Opton-Tessars (entspricht ca. 44mm Kleinbild-Brennweite), einen Synchro-Compur Verschluss von 1s bis 1/500s inklusive B-Stellung und Blitzsynchronisierung. Ein Vorlaufwerk und einen gekoppelten Messsucher mit dem charakteristischen rotierenden Prisma vorne oberhalb der Frontlinse, der Messsucher in den Sucher eingespiegelt. Ein Belichtungsmesser auf der Deckplatte. Eine Doppelbelichtungssperre und Bildzählwerk, die Kamera macht 12 Frames 6X6 aus 120er Rollenfilm. All das erzeugt ein ordentliches Brikett von Kamera mit dem für die Selbstverteidigung sehr effektiven Gewicht von fast 1,2 kg. Trotzdem: Für Mittelformat immer noch handlich und über das Gewicht kann ein Leica-Liebhaber nur kichern.

Größenvergleich mit einer Leica M2 (Mitte). Rechts die Super Ikonta 531/16, links 533/16

Direkter Größenvergleich 531/16 und 533/16
Die 531/16, das spätere Modell, ist wieder deutlich kleiner und wiegt nur knapp die Hälfte. Hier sieht man wieder, dass sich in all den Jahren die Gesetze der Optik nicht verändert haben. Weil bewusst auf etwas Lichtstärke und Brennweite verzichtet wurde, kann die ganze Kamera kleiner sein (Klingeling: Darum kann bis heute keine Q mit lichtstarkem 50mm-Objektiv gebaut werden: Der Durchmesser des Objektivs wäre größer als die Höhe des Bodys! Notlösung: Q2). Aber auch dieses Opton-Tessar 75mm f/3.5 ist extrem gut, der Synchro-Compur Verschluss wartet mit den gleichen Werten wie die 533/16 auf (es war das Beste, was Zeiss damals zu bieten hatte). Signifikanter Unterschied: Der Messsucher ist nun gänzlich intern untergebracht und arbeitet nach einem anderen Prinzip, ein Spiegel und eine bewegliche Linse machen das externe rotierende Prisma (Markenzeichen mehrerer Generationen von Super Ikontas) überflüssig. Die 531/16 vereinfacht das Laden des Filmes (auch 12 Frames 6×6 120er Rollenfilm) und hat ein Zählwerk, wie auch eine Doppelbelichtungssperre (diese Sperren können “tricky” sein, davon später). Die Dimensionen der Kamera entsprechen der Ikon Nettar, die ich schon hatte. Sie passen beide in die gleiche Bereitschaftstasche.
Die 531/16 ist also wirklich eine High-End Mittelformat-Kamera in Miniaturgröße. Sie passt in eine Jackentasche, ohne groß zu beulen.
Einsatzmöglichkeiten
Mir fällt auf, dass bei Besprechung historischer Kameras oft echt lieblose Bilder präsentiert werden, ungefähr die Mülltonnen an der nächsten Hausecke. Und dann soll man davon auf das Vermögen der Kamera zurück schliessen. Nun soll das nicht zu hochtrabend klingen, aber einen gewissen Anspruch an Motiv, Licht und Bildkomposition habe ich schon. Ausserdem geht es darum, die Kamera in ihrem natürlichen Habitat zu testen, sozusagen artgerechte Haltung.
Im Fall der Super Ikontas ist das z.B. die Reisefotografie, inklusive Landschaft, ein bisschen Reportage. Denkbar ist sie auch für Porträts. Schnelle Schnappschüsse wird man eher nicht erwarten (obwohl das nicht ausgeschlossen ist), für Sport ist der Einsatzbereich sicher auch begrenzt. Andererseits würde ich keinen Hinderungsgrund sehen, einen ausreichend empfindlichen Film einzulegen und mit 1/500s springende Pferde abzulichten. Rapide Bildfolge wie bei einer mechanischen Leica-M schafft man nicht, der Filmtransport dauert länger und dann muss noch der Verschluss separat gespannt werden.

Am Ellenbogen. Super Ikonta 533/16 1/250s bei f/8 Kodak Ektar
Es traf sich gut, dass gerade die Herbstferien anstanden und wir eine Woche Sylt geplant hatten. Wir fuhren mit der Bahn nach Westerland. Ich hatte beide Klappkameras und meine M10 mit. Sofort macht sich der Vorteil der Kompaktheit bemerkbar: Wenn man nur einen Koffer mitnimmt, nehmen alle drei Kameras nicht viel Platz weg. Versuchte ich, die Hasselblad und die Texas-Leica (Fuji GW-690) mitzunehmen, wäre im Koffer noch Platz für die Zahnbürste.
Entsprechend passt auch selbst die größere 533/16 zusammen mit der M10 und einem zusätzlichen M-Objektiv in die kleine Hadley-Digital-Tasche. Bequem mitzunehmen und immer griffbereit bei Fahrradtouren (wir hatten ein Tandem, geht ab wie Schmidts Katze), Wanderungen am Strand oder Stadtbummel. Wie gesagt, nimmt man nur die 531/16, kann man die in die (Mantel-)Tasche stecken. Ich habe auch die klassischen Leder-Bereitschaftstaschen für die Ikontas, aber ich mag die Dinger grundsätzlich nicht. Sie sind mir einfach zu klobig, auch bei Kleinbildkameras.

Herbstidylle in Kaitum. Super Ikonta 531/16 bei f/3.5 1/50s Kodak Ektar. Dieses Bild entstand spätnachmittags bei bedecktem Himmel
Filmauswahl
Der Wetterbericht für die Woche auf der Insel war nicht allzu prickelnd, sehr durchwachsen und eher nicht viel Sonne. Darum nahm ich einige Rollen Kodak Ektar mit, denn dieser Film ist auch bei bedecktem Himmel brillant. Nicht sehr empfindlich (nach heutigen Massstäben), aber ich hatte auch nur Tageslichtfotografie im Sinn. Real kamen in der Woche alle möglich Belichtungssituationen vor, und eine Rolle Kodak Portra 400 war auch mit.

Tiefer Sonnenstand in Wenningstedt. Super Ikonta 531/16 bei f/5.6 1/500s, Kodak Portra 400
Für Entwicklung und Scan meiner Filme habe ich inzwischen zu “Mein Film Lab” gewechselt (und bin sehr zufrieden), irgendwo dort wird der Kodak Ektar als “der Velvia der Farbnegativ-Filme” bezeichnet. Das kann ich nach der Woche bestätigen. Richtig belichtet (davon später mehr) liefert er intensive Farben bei feinster Körnung. Gerade für die Herbststimmung auf der Insel war der Film ideal.

Die Herbstfarben in den Dünen. Super Ikonta 533/16 bei f/5.6 1/500s Kodak Ektar

Der Vergleich ohne Wertung: Das gleiche Motiv aus der Leica M10 mit 35mm Summicron bei f/2. DNG aus LR , Tonwerte eingestellt

100% Vergleich aus LR, das M10 Bild ebenfalls mit 3000 Pixeln Kantenlänge
Dass man über Geschmack bekanntlich nicht streiten kann, ist klar. Ich persönlich mag die intensiven Farben des Ektar, davon abgesehen erkennt man auch bei dem einfachen Scan die ausgezeichneten Eigenschaften des Tessar-Objektivs der Ikonta, denn mit einem Leica Summicron muss man sich erst mal messen können!
Zweiter Vergleich:

Bei Wenningstedt. Super Ikonta 533/16, Kodak Ektar

Leica M10 mit 35mm Summicron bei f/5.6 1/500s
Die Leica M10-Datei würde beim Vergleich ähnlicher werden, wenn man die Sättigung deutlich erhöht, denn das ist natürlich das hervorstechende Merkmal des Kodak Ektar. Trotzdem nochmal der Hinweis auf die hervorragende Abbildungsqualität der Zeiss-Tessar-Linse im Vergleich zum Summicron.
Belichtung
Nach meiner Erfahrung liefert Farb-Negativfilm die besten Ergebnisse, wenn man eine halbe bis eine Blende überbelichtet, dabei aber natürlich die Schatten anmisst! Um die Highlights braucht man sich bei Film eh keine Sorgen zu machen. Ektar ist da keine Ausnahme, die Intensität der Farben nimmt bei der Belichtungsstrategie zu, bei Mittelformat ist das Korn kaum zu identifizieren.

Die Palucca läuft in List ein. Bei praller Sonne kann ich mir die Belichtungsmessung eigentlich sparen. Die Sunny-Sixteen-Regel tut’s. Super Ikonta 533/16 bei f/5.6 1/500s Kodak Ektar
Bei prallem Sonnenschein bin ich mit der Sunny-Sixteen-Regel noch nie auf die Nase gefallen, aber bei bedecktem Himmel ist das Licht schwer zu schätzen. Für solche Fälle habe ich schon länger den Seconic L-208, ein einfaches Teil für die Hosentasche. Ich messe in der Regel das vom Motiv reflektierte Licht und nehme meist den “dunkelsten” Wert an. Obendrein hatte ich den Belichtungsmesser auf 50 ASA eingestellt, um beim Ektar schon mal eine Blende draufzugeben. Bei Zwischenwerten zog ich meist etwas ab, so dass ich tendenziell eher etwas unter einer Blende Überbelichtung blieb. Diese Belichtungsstrategie ging jedenfalls voll auf.

Low-Light geht auch: Auf die Schatten angemessen mit der Super Ikonta 531/16 bei f/3.5 1/25s Kodak Portra 400, aus der Hand, Schärfe lässt zu wünschen übrig. In dem Augenblick, wo ich das Bild machte, dachte ich: “Wird sowieso nichts…”
Die Super Ikonta im praktischen Gebrauch

Begegnung auf der Wattseite. Super Ikonta 531/16 f/4.0 1/100s Kodak Ektar
Bietet sich ein passendes Motiv, ist so eine Super Ikonta schnell hervorgeholt und ausgeklappt. Ich habe mir zur Gewohnheit gemacht, Blende und Belichtungszeit den vorherrschenden Lichtbedingungen schon vorher anzupassen. Wenn sich nichts plötzlich geändert hat, braucht man nicht ständig nachzumessen, muss also nur noch fokussieren und auslösen. Der Messsucher beider Kameras arbeitet genau und zuverlässig. Das Messfeld ist ein runder Punkt im Sucher, er kommt natürlich an das klare Messfeld einer Leica-M nicht ran, aber er tut’s.

Gegenlicht am Weststrand. Super Ikonta 533/16, Kodak Ektar
Die Doppelbelichtungssperre der Super Ikontas ist etwas, was der Angelsachse als “mixed blessing” bezeichnen würde. Also nicht nur gut. Ich hatte schon so etwas im Vorfeld gelesen, musste aber erst lernen, die Tücken dieser Mechanik zu umgehen. Es verhält sich nämlich so: Wenn man so weit ist, zu fotografieren, also die Kamera am Auge hat, den Verschluss gespannt, fokussiert und komponiert und dann ein wenig halbherzig den Auslöser leicht betätigt (vielleicht, weil man noch auf den richtigen Zeitpunkt wartet), gibt es ein kaum hörbares, sanftes Klicken und die vermaledeite Doppelbelichtungsperre ist “on”. Auslösen nicht mehr möglich, man muss den leeren Frame weiter transportieren. Bis ich das checkte, produzierte ich mehrere unbelichtete Filmabschnitte. Desgleichen gewöhnte ich mir auch ab, den Film immer sofort weiter zu transportieren, wenn ich die Kamera wieder in die Tasche stecken wollte. Auch bei eingeklapptem Gehäuse rastet die Sperre ein, wenn der Auslöser minimal eingedrückt wird. (Update, Januar 2020 Nach ein bisschen Überlegung und Inspektion der Verschlussmechanik fand ich den “Workaround”: Wenn einen der Fluch der Sperre erwischt, einfach vorne am Compur-Verschluss auslösen, die Mechanik vom Auslöser am Gehäuse her liegt ja offen)
Aber wenn man das endlich kapiert hat, ist das alles kein Problem.

Am Königshafen. Bildkompositorisch nicht der Hit, man könnte etwas Himmel weg-croppen. Schöne Farben des Kodak Ektar. Super Ikonta 533/16
Das 6X6 Filmformat stellt bildkompositorisch eine gewisse Herausforderung dar, vor allem, wenn man sonst auf 3X2 fixiert ist. Man produziert schnell eine Menge “negativen Raum”. Vor allem bei so flachen Landschaften wie auf Sylt muss man sich immer Vorder- und ggf. auch Hintergrund suchen. Das gelingt nicht immer zur absoluten Zufriedenheit, aber auch diese Herausforderung macht das Leben interessant. Ich habe extra alle Bilder (bis auf das Ziegenbild) im quadratischen Format belassen, damit man sehen kann, was vielleicht “übrig” wäre. Bei dem einen oder anderen Foto würde ich vielleicht sonst noch etwas croppen (und das ist bei Mittelformat auch kein Problem!).

Bildkomposition: Bei quadratischem Format muss man sich schon Vordergrund suchen. Super Ikonta 533/16, Kodak Ektar
Die hier präsentierten analogen Fotos sind allesamt Scans im JPG-Format mit der Kantenlänge von 3000 Pixeln, wie sie “Mein Film Lab” vorab per Downloadlink liefert. Ich finde die Qualität bereits sehr gut und ich kann mich nicht bremsen, darauf hinzuweisen, was dann ein High-End-Scan aus solchen Mittelformat-Aufnahmen herausholen kann.

Am roten Kliff bei Kampen. Super Ikonta 533/16, Kodak Ektar
Nach einer nicht allzu steilen “learning-curve” kann ich nur resümieren, dass die Benutzung der Super Ikonta durchaus ein weites Feld von Aufnahmesituationen abdeckt und Freude im Gebrauch macht. Keineswegs eine Mittelformat-Notlösung, die vergüteten Tessar-Objektive liefern brillanten Mikrokontrast und Farbwiedergabe, Schärfe über das gesamte Bildfeld ohne (ausser weit offen) merkliche Vignettierung und sehr schöne Freistellungsmöglichkeiten wegen der gegenüber Kleinbild deutlich geringeren Tiefenschärfe selbst bei mittleren Blenden.
Wieder ein Pferd im Stall, dass ich weiterhin nutzen werde, kein Museumsstück!
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