Liebe Leser, ihr müsst jetzt ganz stark sein! Schon wieder ‘ne Mittelformat-Kamera (och, nöööö!). Aber nicht irgendeine! Die Plaubel Makina 67 ist wie eine mutierte Zeiss Super-Ikonta, die mit Superman zusammen den Planeten Krypton verliess und unter der gelben Sonne der Erde Superkräfte erlangte. Vielleicht ist es auch eine M4, die von einer radioaktiven Spinne gebissen wurde … oder so.
Komischerweise wird in der Designgeschichte darüber kein Wort verloren… davon später mehr. Tatsächlich stieß ich auf Exemplare dieser Gattung, als ich letztes Jahr die Web-Recherche zu den Super-Ikontas machte. Plaubel kannte ich als Hersteller hochwertiger Faltkameras, aber die letzte Inkarnation dieser klassischen Modellreihe interessierte mich sofort. Vielleicht lag es auch daran, dass sie irgendwie Ähnlichkeit mit einer hypertrophen M hat.
Über den Winter schaute ich gelegentlich nach auf dem Markt befindlichen Modellen. Die Dinger werden hoch gehandelt. Schließlich im März, ungefähr zu der Zeit, als ich die Rolleiflex T am Start hatte, fand ich ein schön erhaltenes Stück zu einem erträglichen Preis. Spoiler: Ich bereue keinen Cent davon!
Designgeschichte

Ansicht rechte Seite: Oben rechts Distanzring um den Auslöser, darunter Gewinde für Drahtauslöser, unter der Tragegurtöse die Entriegelung für die Rückwand, oberhalb , X-Kontakt für Blitz an der Objektivplatte, unterhalb ein Merkfach für den Filmtyp
Um verständlich zu machen, was an dem Teil eigentlich so toll ist, will ich einen Abriss über die Entstehung der Kamera geben und wie sie zu ihrer “Gestalt” kam. Leute aus meiner Generation erinnern sich an die ikonischen Stücke der Firma Braun, zu der sie eine gewisse Ähnlichkeit aufweist. Die sind untrennbar mit einem Namen verbunden: Dieter Rams. Der hat jedoch mit dieser Kamera null zu tun. Aber Udo M. Geissler, der der Makina ihr Aussehen gab, kommt aus derselben Generation von Bauhaus-geprägten Designern.
Für die Technik der Kamera im Einzelnen zeichnet aber nicht der Designer verantwortlich. Die Firma Plaubel stellte Faltkameras mit ihrem berühmten “Scherenspreizen-System” bereits seit 1904 her. Es gab viele Modelle in der Art, die beliebte Pressekameras waren. Wie die Rolleiflex waren sie auch bedeutend kompakter als die amerikanischen (Graflex-) Modelle. Die ursprüngliche Makina wurde in verschiedenen Generationen weiterentwickelt und war mit separaten Messsuchern und Wechseloptiken versehen, die z.T. recht kompliziert zu bedienen waren. Im Jahr 1975 verkaufte Goetz Schrader, der Sohn des Firmengründers, aus Altersgründen Plaubel an die japanische Doi-Gruppe.

Linke Seite: Knopf zur Entriegelung des Objektivs unten vorne links, Batteriefach für Belichtungsmesser an der Objektivplatte unten, Tab für die Einstellung des Blendenrings
Der Chef, Herr Kimio Doi, hatte in Japan eine Kette von Filialen für alle fotografischen Belange (ähnlich, wie früher die Firma Porst oder heute Ringfoto) und war passenderweise Kameraenthusiast. Er ließ die Firma Plaubel weiter produzieren (zu der Zeit Großformatkameras), gab aber auch die Anweisung, eine neue, moderne Version der Makina zu entwickeln. Prof. Udo Geissler von der technischen Hochschule München wurde kontaktiert. Nikon entwickelte ein Objektiv. Ein Jahr später konnte man einen Prototyp vorweisen, die “Makinette 67”. Ein Riesenklotz mit versenkbarem Sucher (Messsucher). Herr Doi war “not amused”. So hatte er sich die Sache nicht vorgestellt. Viel zu klobig in der Handhabung.
Auftritt von Yasuo Uchida, einem Konstrukteur der Firma Konica (Herr Doi und der Präsident von Konica waren Kumpel). Er nahm die Makinette und machte die Makina 67 daraus. Es gibt ein Interview aus dem Jahr 2015 mit ihm, in dem er erzählt, wie er mit Prof. Geissler über Details gestritten hat, ebenso, wie er Herrn Doi austrieb, die Kamera mit Belichtungsautomatik auszustatten. Das Objektiv hätte er gern von Konika machen lassen, aber für das Nikkor war bereits viel Geld geflossen. Uchida prüfte es und gibt in dem Interview gutgelaunt zu, dass es hervorragend ist und er damit zufrieden war.

Kamera mit UV-Filter, die Gegenlichtblende wird einfach davor geschraubt. Über deren Wichtigkeit habe ich nichts in Erfahrung bringen können, ich hatte meine davor (weil sie nicht stört). Die Eintrittspupille liegt aber soweit zurück, dass ich mir vorstellen kann, dass die Optik nicht sehr streulichtanfällig ist. Foto mit Leica M4 und Kodak Tri-X (ebenso wie das Beitragsfoto ganz oben)
Technische Details

Größenvergleich der Plaubel mit eingefahrenem Objektiv mit einer Leica M6 TTL und 35mm Summicron mit Gegenlichtblende. (Trotzdem ist auch die Leica in ihren Proportionen perfekt ausbalanciert!)
Die Makina 67 in ihrer endgültigen Form ist eine Mittelformat Kamera für 120er Rollfilm, die Negative vom Format 6X7 erzeugt (die wahre Negativ-Größe ist 56X67mm). Ausgestattet mit einem 80mm f/2.8 Nikkor-Objektiv entspricht das einer Brennweite von 39,7mm (lies:40mm) im Kleinbildformat (wird oft fälschlich unter Zugrundelegung einer Negativgröße von 60x70mm mit 35-37mm angegeben). Das Objektiv wird an einem kleinen, roten Knopf auf der Vorderseite entriegelt und ausgezogen, es rastet am Endpunkt spürbar ein und wird ebenso (Knopf drücken) zurückgefahren. Möglichst dabei auf “Unendlich” stellen. Mit eingefahrenem Objektiv ist die Kamera nur 5,7 cm tief, das ist deutlich weniger als eine Leica M mit 35mm Summicron. Das Gewicht von 1280g lässt sich bei der kompakten Dimension ermüdungsfrei stundenlang tragen. Das Gehäuse ist Vollmetall und “built like a tank”. Dies Idiom trifft ja auf viele Profi-Kameras zu.

Blick auf die stabile Schrenspreize und die Führungsschiene an der Objektivplatte, in der die Spreize beim fokussieren gleitet
Der gekoppelte Messsucher ist groß, hell und mit einem Parallaxe-Ausgleich versehen, der ebenso einfach wie genial ist. Die Distanz wird an einem Ring eingestellt, der den großen Auslöseknopf umfasst. Bei ausgefahrenen Objektiv verstellen sich dann die Scherenspreizen, ein sehr stabiles, unanfälliges und zuverlässiges System. In dem Objektiv findet sich ein Zwischenlinsen-Zentralverschluss von Copal mit Belichtungszeiten von “B”, 1s bis 1/500s, die an einem Ring um die Frontlinse in ganzen Schritten eingestellt werden. Ein zweiter Ring lässt die Blende von f/2.8 bis f/22 stufenlos verstellen. Dazwischen findet sich ein schmaler, gerändelter Ring zur Auswahl der Filmemfpindlichkeit von 25 bis 1600 ASA für den Belichtungsmesser.
Der Belichtungsmesser misst nicht “TTL”, sondern ist im Sucher untergebracht. Das Messfeld umfasst ziemlich exakt das des Entfernungsmessers in der Mitte des Suchers. Am rechten Rand ragt eine vertikal angebrachte Lichtwaage in den Sucher, oben in rot +, dann grüner Punkt, unten in rot -. Zur Aktivierung des Belichtungsmessers drückt man einen Knopf auf der Rückseite, der genau unter der Daumenkuppe der rechten Hand liegt. Die Messung arbeitet sehr genau. Der grüne Punkt allein zeigt natürlich die korrekte Belichtung am angemessenen Punkt, leuchtet grün zusammen mit + oder -, zeigt dies eine Abweichung von 1/3 Blende (nach oben oder unten). Hat man die Kamera am Auge und die Belichtungszeit vorgewählt, kann man während der Messung mit dem Zeigefinger der linken Hand die Blende nachregeln, bis die gewünschte Belichtung erreicht ist.

Offene Rückwand. Filmführung von höchster Präzision, Halterung der Spulen sehr edel gelöst. Schräg oben rechts von der Filmstartmarkierung ist der Taster für die Belichtungsmessung zu erkennen, mit dem Daumen perfekt erreichbar
Filmtransport erfolgt mit einem beherzten Schwung des Hebels, einer reicht (bei der Makina 670 wurde ein “Doppelschwung” eingeführt). Bei dem Format passen 10 Bilder auf einen Film. Ein kleines Fenster für das Bildzählwerk oben auf der Kamera zeigt den Stand an. Für das Einlegen der Filmrolle klappt die Rückwand auf (kleiner Riegel auf der rechten Seite). Die Spulenhalterung ist edel gelöst: Zwei kleine rote Hebel unten entriegeln die Haltezapfen, wonach sich die Spulen kinderleicht einsetzen lassen.
Unterm Strich bleibt eine auf Leica-Niveau solide gebaute Kamera mit hochwertigen Einzelkomponenten für höchste Ansprüche mit denkbar einfacher Bedienung. Völlig ohne Schnickschnack. Blende, Zeit, Lichtempfindlichkeit, Enfernung – und das Bild ist im Kasten. Hallelujah! Was ist daraus nur heute geworden?
Eine sehr viel detailliertere technische Beschreibung der Makina 67 findet sich auf dieser Webseite.




Eine alte Broschüre zur Makina, die ich im Netz fand.
Fatale Ähnlichkeit

Ups, was ist das denn? Eine Plaubel zu heiss gewaschen? Wart mal, da steht ja “Agfa” drauf … hmmm
Die Plaubel Makina 67 erschien 1979. Ein japanischer Review stellte sofort die verblüffende äusserliche Ähnlichkeit zur 1976 erschienenen Agfa Optima her. Diese war von einer Firma namens Schlagheck und Schultes designed worden. Hamish Gill von 35mmc.com hat eine gute Recherche zum Hintergrund der drei Designer durchgeführt. Sie waren nämlich allesamt Professoren an der technischen Hochschule in München. Prof. Schultes war nicht ganz glücklich über das Exterieur der Plaubel Makina 67, aber es kam deswegen zu keinem Zerwürfnis oder gar juristischen Konsequenzen. Ich könnte mir vorstellen, dass Norbert Schlagheck und Herbert Schultes ihren Kollegen Geissler an der Uni auf dem Flur abfingen, ihn zu beiden Seiten flankiert in den nächsten Biergarten führten und sich kräftig einen ausgeben liessen. Prof. Geissler gab jedenfalls abschliessend das Statement ab, dass beide Kameras den “State of the Art” für diese Periode europäischen Industriedesigns darstellen. Jedenfalls nehmen sie sich nebeneinander aus, als hätte Gulliver sie höchstpersönlich aus Brobdingnag (dem Land der Riesen) und Liliput mitgehen lassen.
Woher habe ich die Agfa Optima?
Im letzten Artikel habe ich erwähnt, dass ich meine alte Cosina SLR verliehen habe. Als ich nach Zubehör dafür suchte, das in einem Karton auf dem Dachboden schlummert, fiel mir ein kleines Lederetui auf. Ganz hinten in meinem Hirnstübchen regte sich was. Ich zog den Reißverschluss auf und mich traf beinah der Schlag(-heck)! Eine Agfa Optima Sensor 1535! Endlich löste sich meine Hirnblockade! Das war die Kamera meiner Frau, die sie als 15-jährige von ihren Eltern bekommen hatte. Ich hatte deren Existenz völlig verdrängt (nicht die meiner Frau oder ihrer Eltern! Der Kamera natürlich!). Nebenbei ist dies das Top-Modell der Optima Reihe und zudem ein Messsucher! Ein geniales kleines Teil, das sofort einen Ehrenplatz zwischen meinen analogen Schätzen bekam. Die drei Knopfzellen, um sie zum Leben zu erwecken, sind schnell besorgt und dann werde ich selbstverständlich einen Film einlegen und später näher darüber berichten.

Der erste Film, den ich einlegte, war ein Kodak Ektar 100. Ich stellte die Plaubel auf 50 ASA und machte mich in den kleinen Vlotho-Valdorfer Kurpark auf (der halbwild ist). Dieses Bild ist entweder bei f/4 oder f/5.6 gemacht. Hier im Gegenlicht ein “Donut-Bokeh” (das ich nur bei Spitzenlichtern beobachten konnte, normalerweise bleibt das Bokeh der Nikkor-Optik seidenweich). Schärfe im Fokusbereich vorn lässt nichts zu wünschen übrig. Eine Ausschnittvergrößerung ist in der Galerie unten (letztes Bild)
Die Plaubel Makina 67 im praktischen Gebrauch

Wieder ein coronabedingt arbeitsloser (Rock-)Musiker, den ich in Minden traf. Kodak Tri-X
Das Umsetzen der Leerspule und das Filmeinlegen sind dank der präzisen Mechanik ein völlig unspektakulärer und rapide vor sich gehender Prozess. Das Rändelrad zum Einstellen der Filmempfindlichkeit vorn an der Objektivplatte zwischen Zeiten- und Blendenring dagegen leistet extrem hohen Widerstand, dafür strebt die Möglichkeit einer versehentlichen Verstellung auch gegen null.
Die Kamera passt auch mit vorgeschraubter Gegenlichtblende sehr gut in die Hadley Digital-Tasche von Billingham mit jeder Menge Platz für weitere fotografische Paraphernalia wie Filme, Filter, Handbelichtungsmesser, Ministativ und “haste-nich-gesehen” (warum die kleinste Tasche von Billingham eigentlich “digital” heisst und bestens für analoge Schätzchen geeignet ist, dazu die “Hadley small” viel größer ist, kriege ich in mein Hirn nicht rein. Haben die bei Billingham ihre Nomenklatur zu Leica-Marketing outsourcen lassen?).

Am Kaiserpalais in Bad Oeynhausen. Gleichzeitig der “Test” für Low-Light-Fotografie mit dem Kodak Portra 800. Genialer feinkörniger Film mit hoher Farbsättigung, auch bei Tageslicht zu empfehlen.

Nochmal zum Bokeh: Wiesenschaumkraut bei f/5.6. Kodak Ektar 100
Am Kameragurt quer umgehängt, liegt die Plaubel trotz ihres Gewichts angenehm und sicher am Körper an und kann stundenlang ermüdungsfrei getragen werden. Bietet sich ein lohnendes Motiv, ist der rechte Arm in nullkommanix durch den Gurt gezogen, mit derselben Bewegung der kleine rote Entriegelungsknopf gedrückt, das Objektiv herausgezogen und die Kamera ans Auge gehoben. Gewöhnlich habe ich schon eine für die herrschenden Lichtverhältnisse passende Belichtungszeit vorgewählt. Achtung: Der Ring rastet in ganzen Schritten. Während das Motiv anvisiert wird, drücke ich mit dem rechten Daumen die Taste für den Belichtungsmesser, der seinen Wohnort in der Sucheroptik hat (darum: Kein TTL! Filterfaktoren beim Einstellen der Filmempfindlichkeit beachten!) und dessen LED’s am rechten Rand im Sucher zu sehen sind. Dabei verschiebe ich mit der Spitze des linken Zeigefingers den Blendenring am Tab stufenlos bis zur gewünschten Belichtung.

Wandern am Hohenstein bei Hessisch Oldendorf. Kodak Portra 400

Glacisbrücke Minden im Gegenlicht. 1. Obwohl die Sonne nur knapp ausserhalb des Bildfelds liegt, kein Flare oder Artefakte. In diesem Fall vermute ich eine entscheidende Bedeutung der Gegenlichtblende, die ich der Bequemlichkeit halber sowieso immer drauf hatte. 2. Genauigkeit des Sucherrahmens: Ich erinnere mich, exakt diesen Bildausschnitt gewählt zu haben.
Jetzt noch evtl. “rekomponieren” (je nachdem, was man angemessen hat). Scharfstellen mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand am Rad um den Auslöseknopf. Der Widerstand ist deutlich, aber angenehm. Um das Messfeld im hellen Sucher beurteilen zu können, muss man kein Ratefuchs sein. Millimetergenaues Scharfstellen kein Problem (und das ist auch nötig, wenn man so mutig ist, bei Porträts f/2.8 zu wählen!). Die eingespiegelten Sucherrahmen sind selbst bei miesem Licht gut zu sehen und der Parallaxeausgleich, der zugleich des sich bei Nähe verkleinernden Bildfelds Rechnung trägt, ist sehr zuverlässig. Ich erinnere mich ziemlich genau an die Bildkomposition und auch die “Grenzen” meiner Bilder. Da gibt’s keine Abweichung von dem, was ich vorgesehen hatte. Die Kamera verfügt über keine Lächel-Erkennung und den “Fokuspunkt” kann man nicht verschieben! Schande! Wie kann man mit solchen Defiziten leben? (Anmerkung des Autors: “Sehr gut!”)
Et voila! Auslösen! Dieser detailliert beschriebene Vorgang bis dahin nimmt in Wirklichkeit bestenfalls Sekunden in Anspruch. Man kann mit der Plaubel “Schnappschuss-schnell” sein. Der Auslöser hat einen unmissverständlichen Druckpunkt und gibt ein eindeutiges Geräusch von sich, wenn der Zwischenlinsen-Copal-Verschluss seinen Dienst leistet. Nicht so diskret wie die Rolleiflex, aber auch nicht so scheppernd wie die Fuji GW 690 II (“Texas-Leica”) und schon gar nicht so laut wie eine Hasselblad 500, wo man aus den Ohren blutet, wenn man sich nicht vorher etwas reingestopft hat.

Bielefeld Underground. Ilford HP5. Alle S/W-Fotos in diesem Beitrag sind mit Orange-Filter gemacht!

Für die Handyfanatiker: Die Kamera verfügt über die Original-Vivien-Mayer-Selfiefunktion! Man muss bloß einen 2x1m Spiegel und eine Staffelei mitnehmen! Praktisch, gell? (Bild im Studiofenster von Radio Westfalica, Kodak Tri-X)
Filmtransport mit einem beherzten Schwung am Transporthebel bis zum Anschlag, oben auf der Kamera ist das Fensterchen für die Nr. der Aufnahme, die als nächstes belichtet wird. Die Plaubel Makina 67 erlaubt für eine Mittelformatkamera eine relativ flotte Geschwindigkeit der Bildfolge (wenn man es denn so eilig hat), fast vergleichbar mit einer analogen M (ohne Zeitautomatik). Wer natürlich 10 fps braucht, fällt leider aus der Zielgruppe für diese Kamera.
Lichtmessung
Ein Wort zum Belichtungsmesser. Er wird in anderen Reviews oft als unnötiges Accessoir verdrängt, zum einen, weil es vermutlich cooler ist, einen Handbelichtungsmesser zu verwenden, zum anderen, weil er mit dem einzigen konstruktiven Makel behaftet ist, den die Kamera hat. Er ist häufig funktionslos, weil das kleine Kabel, das vom Gehäuse zur Objektivplatte geht, durch das Ein- und Ausfahren des Objektivs irgendwann einen Ermüdungsbruch erleidet. Es zu reparieren, erfordert das fast völlige Zerlegen der Kamera und unterbleibt meist.
Aber: Der Belichtungsmesser arbeitet mit höchster Präzision! Ich erinnere an das Interview mit Konstrukteur Uchida, in dem er erwähnt, dass er sich strikt gegen Plaubel-Besitzer Doi gewandt hat, weil dieser eine Belichtungsautomatik wollte. Die Begründung war, dass Profis (zu der Zeit) oft mit Positivfilm arbeiteten und darum eine absolut exakte Lichtmessung unabdingbar sei. Die AE-Systeme in der Zeit waren einfach noch nicht so weit. Das Messfeld ist so ziemlich mit dem des Entfernungsmessers identisch, die Leuchtdioden im Zusammenspiel zeigen 1/3-Blendenschritte nach oben oder unten an. Wenn man also nicht total “studiomäßig” unbedingt ständig das ambiente Licht messen will, kann man einen Extra-Belichtungsmesser gut zuhause lassen. Nochmals zur Erinnerung: Es wird nicht TTL gemessen, daher Filterfaktoren beachten!

Am alten Markt in Bielefeld. Kodak TMax 400
Das Nikkor-Objektiv
Ich verfüge über keine optische Messbank oder “haue auf den Puts” (Achtung: Wortspiel!) und zerpflücke MFT-Kurven. Ich verlasse mich auf das, was ich sehe. Ich las an verschiedenen Stellen, das Nikkor sei nicht so “crazy sharp” wie das 80mm der Mamya 7 (und ich frage mich wirklich, ob das alles voneinander abgeschrieben ist). Genauso gut könnte ich das 90mm der Fuji GW690 ins Spiel bringen oder das 80er Planar der Hasselblad. Das ist doch alles Blödsinn und hinkender Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Am ehesten könnte man noch das 80mm f/2.8 Tessar der Zeiss Super Ikonta 533/16 heranziehen und – ehrlich! Ich sehe keinen Unterschied, würde aber fast annehmen, dass das Nikkor als modernere Konstruktion (und Vergütungstechnik) das bessere ist. Hat das irgendeinen Einfluß auf die Auswahl der Kamera? Nö. Wenn ich Lust habe, die Super Ikonta zu benutzen, brauche ich mir um die optische Performance keine Sorgen zu machen.

Bielefeld Zentrum. Kodak TMax 400

Buchenkreis auf dem Bonstapel (höchst Erhebung Vlothos). Kodak Portra 400
Sicher ist: Die Optik des Nikkor lässt an Schärfe nichts vermissen, und das bei jeder Blende. Dass die Performance bis f/8 zunimmt, erfordert keine Kenntnisse in Raketentechnik. Schärfe allein ist ausserdem ein schwachsinniges Kriterium für die Qualität einer Linse. Nachdem ich 6 unterschiedliche Filmsorten (Farbe: Ektar 100, Portra 400 und 800, S/W: Kodak Tri-X, TMax400 und Ilford HP5) in der Kamera hatte und zudem alle möglichen Lichtsituationen ausprobiert habe, kann ich sagen: Das Objektiv ist Kontrast- und Mikrokontrastreich (was zum Schärfeeindruck beiträgt), hat eine exzellente Farbwiedergabe ohne Säume (ohne Zweifel dank einer hochwertigen Vergütung der Linsen), ist (subjektiv) Verzeichnungsfrei und extrem Gegenlichtresistent (ich hatte immer die Geli-Blende vor, aber die Frontlinse liegt so tief, dass ich mich frage, wie wichtig das ist, wenn man nicht die Sonne im spitzen Winkel von vorn hat). Zum Teil wird behauptet, die Brennweite sei für Porträts nicht ideal (und akademisch betrachtet, stimmt das für alles unter 50-75mm Kleinbild). Dem wage ich zu widersprechen. Man muss ja nicht auf Mindestabstand gehen, um ein schönes, unverzerrtes Brustbild zu erhalten. Will man mehr Detail, bietet das Negativ genügend Auflösung zum croppen.

Surreales Bild der Ravensberger Spinnerei. Ich musste mich dafür nur auf den Grund des Teiches legen. Ilford HP5
Resümee

Ja, dass kann einem manchmal schon zu denken geben, was da alles für Schwachsinn verbreitet wird. “Le Penseur” von Rodin vor der Bielefelder Kunsthalle. Kodak TMax 400
Die Quellen, auf die ich im Artikel verwiesen habe, geben insgesamt der Plaubel Makina 67 ein sehr gutes Zeugnis. Oft wird mit Pentax, Fuji oder Mamiya Mittelformat-Kameras verglichen, aber wie schon oben erwähnt, diese Vergleiche hinken. Keine dieser Kameras weist die Kompaktheit und Einfachheit der Bedienung auf, dazu sind oft elektronische Schaltkreise “heavy” vertreten. Die Plaubel ist rein mechanisch (sieht man vom Belichtungsmesser ab, so wie bei der Leica M6). Dabei ist die Bildqualität absolut vergleichbar. Zuletzt fand ich auf DPreview den Verweis zum Artikel auf 35mmc.com. Die Mehrzahl der Kommentare, die man auf DPreview bei analogen oder direkt Leica-bezogenen Themen findet, unterliegen dem interessanten neurophysiologischen Phänomen, dass viele offenbar in der Lage sind, ohne höhere Hirnfunktion die Computer-Tastatur zu bedienen. Einige unsagbar dämliche und häufig unwahre Behauptungen, beknackte Vergleiche mit digitalen Mittelformatkameras und meist völlig inkompetente (bis auf wenige Ausnahmen) Anmerkungen von Digital-Fotografen auf Trump-Niveau (das unbestreitbar niedrigste der Welt, dagegen ist ein Axolotl Nobelpreiskandidat). Wie schon Adenauer sagte: “Es ist doch ungerecht, dass der liebe Gott die Intelligenz des Menschen begrenzt hat, aber nicht seine Dummheit!” (Zitat sinngemäss wiedergegeben, Ursprung am 2.3.1962, Info-Gespräch mit Dr. Kurt Lachmann)

Im Kurpark. Kodak Ektar 10
Noch ein Wort zum 6X7-Format: Für den geringen Unterschied der Kantenlänge zum quadratischen Format (wie bei der Rolleiflex, Hasselblad oder Ikonta) ist der Bildeindruck erstaunlich “rechteckig”! Jedes Format hat seine Herausforderungen bei der Bildkomposition, zuletzt fand ich z.B. 6X6 sehr spannend. Aber für dieses 6X7 musste ich mich nicht verbiegen, irgendwie habe ich ein natürliches Gefühl für das Seitenverhältnis.

Ravensberger Spinnerei in Bielefeld. Ilford HP5 (Nebenbei: Der Film gefällt mir sehr gut. Ich werde ihn von nun an öfter benutzen)
Ich habe genügend Rollen Film durch die Kamera geschickt, dass ich sagen kann: Die Plaubel Makina 67 steht für eine traditionsreiche Firma, die immer höchste Qualität erzeugte. Ihre Konstrukteure und Designer haben eine Kamera geschaffen, die der Bauhaus-Philosophie folgt und auf die man Dieter Rams zehn Thesen für gutes Design uneingeschränkt anwenden kann. Sie ist eine hochwertige (leider im wahrsten Sinn des Wortes), kompakte Mittelformatkamera, liefert exzellente Bildergebnisse und ist eine Freude im Gebrauch!
In der folgenden Galerie finden sich noch diverse Beispielbilder aus der Makina. Alle Fotos in diesem Beitrag sind auf eine Kantenlänge von höchstens 2000 Pixeln verkleinert. Die “XXL”-Scans von Mein Film Lab haben natürlich mehr Potential. Ohne Pandemie hätte ich mit Sicherheit auch Fotos von der Ardéche, aus den Cevennen oder der Provence zeigen können, wo ich eigentlich vorletzte Woche gewesen wäre… naja, Jammern auf hohem Niveau. Bei uns ist es auch schön.
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