Die Ferien sind zu Ende, und ich bereite mich schon mal innerlich auf ein paar „heisse“ Tage in der Praxis vor. Am Samstag war der Tag, an dem die Teilnehmer der Ferienmusikwerkstatt ihre Ergebnisse präsentieren, da wollte ich nicht fehlen. Ich war darum Freitag Abend aus Südtirol zurückgekehrt.

Die Ferienmusikwerkstatt, der Name ist bereits Programm, ist eine jährlich wiederkehrende Veranstaltung auf dem Jugendhof Vlotho von einer Woche Dauer, unter der Gesamtleitung von (Prof.) Peter Ausländer. Die Teilnehmer, meist ganze Familien, aus ganz Deutschland und auch Nachbarländern kommen schon seit vielen Jahren immer wieder. Man kann sogar sagen, seit Generationen, denn einige Gruppenleiter sind früher hier als Kinder selbst Teilnehmer gewesen.

Jedenfalls werden die Ergebnisse der Gruppen, wie Eingangs erwähnt, am Samstag präsentiert. Man kann hören und staunen, was alles in dieser Woche „produziert“ wurde, Klangexperimente, Eigenkompositionen, Chorgesang, Ensemblespiel, Instrumentenbau, Kindermusical und vieles andere mehr. Ich habe schon oft darüber berichtet, ältere Blog-Beiträge sind z.B. hier (2014) oder hier (2015).

Den ganzen Nachmittag über geht das. Früher habe ich oft von all dem Fotos gemacht, wie eine Reportage dieses Tages, aber jetzt geniesse ich es auch, einfach einmal nur zuzuhören und nicht zuständig zu sein. Um die Dokumentation brauche ich mir auch wirklich keine Sorgen zu machen, denn es wimmelt nur so von Smartphones und Kameras, die alle erdenklichen Medienformate erzeugen, Bild, Ton oder Video.

Aber eines wollte ich auf jeden Fall selbst ablichten: Als Höhepunkt der Veranstaltung kommt jedes Jahr eine Barockoper zur Aufführung, die die Mitglieder des Barock-Orchesters unter der Leitung von Walter Waidosch einstudiert haben. Die Gesangsolisten dürfen am Pult stehen, die Handlung der Oper wird immer von den Jugendlichen Mitgliedern der Musikwerkstatt pantomimisch dargestellt. Kostüme und Requisite, wie auch das Libretto der Oper werden recht frei interpretiert und man merkt den Ausführenden an, wie viel Spass sie dabei haben.

Ich hatte mir einen Platz vorn links am Rand „der Bühne“ gesichert. Als ich meine fotografischen Paraphernalia auspackte, überlief es mich heiss: Statt meines geliebten 35mm Summilux hatte ich zuhause das 21er Super-Elmar gegriffen, das dem bis auf winzige Unterschiede wie ein Ei  dem anderen gleicht. Man sollte also mal auf die Beschriftung achten… ganz klar im Vorteil ist, wer lesen kann.

Kein Summilux-Objektiv! Ganz schön blöd, denn das 50er Summilux ist seit Monaten zur Wartung beim Kundendienst (und nach drei Monaten habe ich jetzt mal eine vorsichtige Anfrage gestellt, wann ich es denn mal zurück erwarten darf). Da war ich froh, dass ich wenigstens die Leica Q dabei hatte, die mir das 35er Summilux zum Glück locker ersetzen konnte. Bei der M habe ich statt des 50er Summilux zur Zeit das entsprechende Summicron im Einsatz, dass für diese Beleuchtung lichtstark genug war. Für eine gewisse Reichweite hatte ich das 90er Summarit f/2.5 dabei, das 90er Macro-Elmar, das ich sonst bevorzuge, hat nur f/4.0 als größte Öffnung. Einen Vorteil hat das Arbeiten mit zwei Kameras ja, man spart sich einiges an Objektiv-Gefummel. So wechselte ich nur ab und zu vom 50er Summicron auf 90er Summarit.

An dieser Stelle möchte ich einfügen: Wenn man wirklich eine (lichtstarke!) Q mit Brennweite im Bereich von 50mm bauen könnte (was ich bisher immer bezweifelt habe), dann könnte man mit zwei Kameras, 28 und 50mm, solche Veranstaltungen locker abdecken.

Ferienmusikwerkstatt 2016

Auch dieses Jahr war es in der Woche wieder sommerlich warm, und an dem lauen Sommerabend wartete das Publikum geduldig bei einem Glas Wein oder Bier auf dem schönen Innenhof, wann der Einlass zum großen Saal freigegeben würde. Manchmal huschten schon seltsam kostümierte Gestalten unter den neugierigen Blicken der Anwesenden durch, denn welche Oper gegeben wird, erfährt man erst, wenn man drin ist. Dabei ist die Geheimhaltung allerdings nicht Top-Priorität, einiges sickert immer schon vorher durch…

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Diesmal wurde die Sache durch drei Feuerwehrleute aufgelöst, die vorher viel Aufhebens um die Brandsicherheit machten… es handelt sich um die Oper „Die römische Unruhe oder die edelmütige Octavia“ von Reinhard Keiser aus dem Jahr 1705. Die Feuerwehrleute traten übrigens zwischendurch immer wieder auf, um die Feinheiten des Librettos zu erklären. Teilweise waren sich die drei nicht ganz einig, weil plötzlich von Prinzessinen aus einer „weit, weit entfernten Galaxis“ die Rede war, was die anderen wiederum heftig dementierten: „Falscher Film!“

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Nach der Ouvertüre zog Kaiser Nero samt Hofstaat ein. Ein ziemlich dekadenter Haufen. Noch nicht im Bild der alte Lehrer Seneca, der jeglichen Einfluss auf seinen Ex-Schüler Nero verloren hat und sich völlig frustriert ein Hot-Dog nach den anderen reinschiebt.

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Zur allgemeinen Überraschung des Publikums stellt sich heraus, das der Song  „Ich bin der Märchenprinz“ offenbar nicht von der „Ersten  Allgemeinen Verunsicherung“, sondern von Keiser ist. Jedenfalls ist er irgendwie in die Oper gerutscht. Der Hofstaat schunkelt dazu.

Es wird geschunkelt zu EAV: Der Märchenprinz

Die armenische Prinzessin Ormoena wurde als Gefangene nach Rom gebracht. Weil der Hofstatt sich langweilt, soll sie im Circus den Löwen Neros zum Frass vorgeworfen werden. Als Prinzessin mit Migrationshintergrund  ist sie automatisch schuldig – für irgendwas. Das reicht zur Verurteilung.  Die Wachen schleppen sie herein.

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„Jawoll!“, freut sich Nero. „Endlich mal eine andere Diät für meine Löwen als immer Christen! Die sind sowieso meist so mager…“

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Ormoena ist „not amused“, als sich die Löwen auf sie stürzen, aber es kommt ganz anders…

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Sie kann sie bändigen und kuschelt mit den wilden Biestern! Nero ist platt und verliebt sich ob solcher Tapferkeit prompt in die Schönheit aus dem Osten.

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Die Feuerwehr klärt über den Stand der Dinge und den weiteren rätselhaften Verlauf des Librettos auf. Nero nimmt Ormoena zu sich in den Palast.

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Octavia geht verständlicherweise in die Schmollecke.

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Was die Einlage mit dem dicken Fisch eigentlich zu bedeuten hat, kann auch die Feuerwehr nicht erklären. Dem Verfasser dieser Zeilen war es zu mühsam, das Original-Libretto danach zu durchforsten…sorry!

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Octavia ist für Nero nunmehr überflüssig. Um schlechte Presse wegen Gattenmordes zu vermeiden, umgeht er die Problematik, indem er seiner Ex einfach den Selbstmord befiehlt. Nach abwägen ihrer Optionen entscheidet sie sich für Harakiri…

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…aber just, als sie sich ins Schwert stürzen will, fällt ihr der Sklave Piso in die Parade: Er liebt sie schon lange und will sie verständlicherweise nicht filettiert sehen.

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Die ganze Geschichte ruft auch Seneca auf den Plan, der Octavia einen Vorschlag macht, wie sie die Gunst seines missratenen Zöglings Nero wiedererlangen kann. Piso findet das nicht gut. Er hatte sich vorgestellt, mit seiner Angebeteten in den Sonnenuntergang zu reiten.

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Der frustrierte Piso zettelt einen Sklavenaufstand an. Grund zur Unzufriedenheit gibt’s genug. Sie fordern die 70-Stunden-Woche (statt der üblichen 168 Stunden) und freien Internetzugang. Für die Römer inakzeptabel, der Aufstand wird blutig niedergeschlagen, Nero lässt sogar die Tiere aus dem Zirkus in den Kampf (im Bild rechts die Giraffe), Piso wird gefangen genommen und zum Tode verurteilt.

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Inzwischen kommt Senecas Plan zur Ausführung. Der abergläubische Nero wird auf den Friedhof gelockt, wo ihn die Geister der Toten kalt erwischen.

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Als ihm der Geist der totgeglaubten Ehefrau erscheint, geht er in sich… Reue, ein bis dato unbekanntes Gefühl, macht sich breit. Er ist sich nicht mehr so sicher, ob es in Ordnung war, Octavia abzuservieren. Jetzt wünscht er sich das Ganze ungeschehen.

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Unterdessen wird die Hinrichtung Pisos vollstreckt, der dekadente Hoofstaat zeigt mal wieder seine niederen Instinkte.

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Nero will das auch ungeschehen machen. Wie das auch immer vor sich geht, aber Seneca zeigt ihm, wie man den Kopf wieder dranmontiert und flupps…

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…ist der frisch guillotinierte wieder wohlauf. Sehr eigenartig und unerklärlich. Das versucht auch erst gar keiner, nicht mal die Feuerwehr.

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Im Gegensatz zur Original-Version der Oper, in der am Ende alle zu Paaren wiedervereinigt werden (der Gatte Ormoenas, Tiridates, wurde ganz gestrichen, wohl um das Publikum nicht zu verwirren), wird in der Jugendhof-Fassung eine Ménage-à-trois favorisiert, d.h., sie endet damit, das Nero zwei Frauen hat… sehr progressiv, amoralisch und… beneidenswert (oder schrecklich, kommt auf die Frauen an).

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Selbstverständlich wird noch ein feierliches Menuett getanzt.

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Was bei einer Jugendhof-Oper auf keinen Fall fehlen darf: Der Auftritt des Papstes (running Gag, fern jedes Librettos) Diese Schlussszene ist mein persönliches Lieblingsbild. Das Summicron zeigt, das es dem Summilux eigentlich nichts nachsteht.

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Oper vorbei, es kann nahtlos in Partystimmung übergegangen werden. Es ist kurz nach Mitternacht, am Morgen werden sich alle wieder für ein Jahr verabschieden, aber jetzt ist noch Zeit für den gemütlichen Ausklang der Woche.

Der Chronist zieht sich (müde) mit seinem Raub (den Fotos) zurück, verwirrt von den unlogischen Wendungen und der zweifelhaften Moral einer barocken Oper.

Der nächste Blog kommt bestimmt! Fragt sich nur, wann… Ich muss jetzt (nach dem Urlaub) erst mal wieder in meine Praxisroutine kommen, aber in ein zwei Wochen sich wird das eingespielt haben. Mal sehen, vielleicht hat ja auch Mike was zum übersetzen. Wie ich schon vor den Ferien anmerkte, im Augenblick ist nicht viel los im Leica-Bereich, alles wartet auf die Photokina. Übrigens bekam ich heute den Kostenvoranschlag für die Überholung meiner M2 und des 50er Summilux Objektivs. Nach drei Monaten. Ich hatte eine Mail geschickt und vorsichtig nachgefragt, wann denn damit zu rechnen sei, daraufhin hatte man festgestellt, dass die Sache im „System“ festgesteckt hatte. Naja… es geht ja nicht um Organtransplantation… jedenfalls werde ich berichten, wenn die“neue“ alte M2 wieder bei mir ist.

 

 

 

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