Ardèche analog mit Leica M6
Nehmen wir mal an, analoge Fotografie sei eine Religion… und das entwickeln und anfertigen von Abzügen in der Dunkelkammer ist die reine Lehre. Dann sind da die Protestanten: Sie entwickeln zwar, aber scannen die Filme. Naja, in der Ökumene kann man das noch dulden… aber von denen spaltete sich eine Sekte von Häretikern ab, die Rohscans von Cinefilm machen und diese dann (O Graus!) wie ein digitales Bild bearbeiten! Ketzerei! Zum Glück ist das alles Quatsch und kein Großinquisitor der analogen Fotografie lässt schon mal Scheiterhaufen aus Cinefilm-Röllchen vorbereiten. Nein, die meisten praktizieren einfach alles nach belieben und die digitale Fotografie dazu.


Wer den letzten Artikel zumindest überflogen hat, weiss, dass ich in der Woche an der Ardèche diverse Kameras am Start hatte. Auch die Leica M6 Modell 2022 war im Einsatz. Warum analog? Freche Antwort: „Weil ich es kann?“ oder, weil es Spass macht, mit traditioneller Technik zu arbeiten? Oder, weil die Bilder einen anderen Look haben? Gründe gibt es reichlich. Womit ich keine Geduld habe: Wenn mir jemand erklären will, wie überflüssig analoge Fotografie ist. Eine simple Frage der Toleranz.
Da der Wetterbericht viel Sonne versprach, legte ich einen Silbersalz 50D ein. Dieser Film mit Nennempfindlichkeit von 50 ASA wird bei 25 ASA belichtet (wie bei den meisten Farbnegativfilmen legt man von vornherein eine Blende drauf). Der Vorteil niedriger ASA-Werte ist, dass man auch ohne extra ND-Filter mal größere Blenden verwenden kann, ausserdem ist der 50D sehr feinkörnig. Der Cinefilm wird statt C-41 im ECN-2 Verfahren entwickelt, das offenbar das Optimum aus dem Kodak Vision 3 Film holt. In Kauf nehmen muss man die notwendige Nachbearbeitung der Rohscans, das ist gewiss nicht jedermanns Sache. Wem das die Mühe nicht wert ist (und das ist verständlich!), sollte besser „normalen Film“ belichten und zum Entwickeln und Scan an MeinFilmLab senden, wo er fertige und hochwertige Scans seiner Fotos erhält.


Ursprünglich hatte ich vor, ein paar analoge Bildbeispiele als Nachtrag in den Ardèche-Artikel einzufügen, denn bei all den Kameras konnte ich nur den einen Film während der Woche dort belichten. Aber Stefano hatte schon in den Kommentaren dieses Beitrags darauf hingewiesen: Bei Silbersalz hat sich was geändert, die hochauflösenden Rohscans werden jetzt im jxl-Format geliefert. Grund genug für einen „Extra-Artikel“. Das neue Format hat mehrere Vorteile: Kleinere Dateien bei gleichem Informationsgehalt, ausserdem sind sie von Lightroom direkt lesbar und müssen nicht mehr in riesige Tiffs konvertiert werden wie das jp2 Format zuvor. Farbraum der Dateien ist „P3“ (ein Artikel dazu hier), dem „alten“ RGB überlegen. Zu beachten: Wenn man P3 bei den bearbeiteten Bildern behalten will, muss man das beim Exportieren aus LR im Dropdown-Menü des Export-Fensters anwählen.

Über die Bearbeitung der Flat-Scans habe ich schon mehrfach berichtet (hier und hier), das ist keine Raketentechnik. Ich bevorzuge Lightroom Klassik, aber in Photoshop geht das von jeher ebenso gut. Das Histogramm der jxl-Datei sieht zunächst aus wie zusammen gepresst, und zwar noch mehr als bei den jp2 zuvor. Ziel ist es, die Tonwerte wieder über den gesamten Bereich des Histogramms zu verteilen. Bisher war ich dazu (in LR) im Bereich „Tonwerte“ geblieben und hatte dort den Schwarz- und Weiss-Punkt gesetzt. Bei den hoch komprimierten jxl-Dateien erfordert das jedoch, dass man die Slider fast bis zum Endpunkt bewegen muss und sich dazu dann in Folge der Slider für „Lichter“ atypisch verhält.

Eleganter erscheint mir, für denselben Zweck die Gradationskurve zu benutzen, in die man ein deutliches „S“ einbringt. Zusätzlich mit ein paar Schärfungsparametern habe ich mir davon ein Preset gemacht, das sich auf jedes jxl Bild anwenden lässt. Die Feinheiten mache ich dann im Tonwert-Register. Zuletzt muss man sich noch Gedanken über die Farbbalance machen.
Im Slider: Der Workflow beim bearbeiten eines Raw-Scans. Nur ein Vorschlag, das muss kein Dogma sein, bekanntlich führen viele Wege nach Rom.

Silbersalz liefert normalerweise Scans in 4k (das sind 12 Megapixel, schneidet man den Rand weg, bleiben wenigstens 10 MP über). Eine Variante der Scans kommt fertig bearbeitet mit der sogenannten „Color Science“ von Silbersalz, das andere sind die Flat-Scans der Negative. Die kommen bei der 4K-Version als JPG, und das ist eigentlich sinnlos. Denn durch das komprimierte JPG-Format fehlt Information, was bei dynamisch sehr fordernden Bildern bei der Bearbeitung zu Artefakten führt. Beim jxl-Format der 14K-Dateien passiert dergleichen nicht, die Info ist da. 14K Rohscans, also 140 Megapixel, muss man eigentlich als „Upgrade“ mit Aufpreis extra bestellen, allerdings habe ich die im Zuge einer Aktion geschenkt bekommen (Merci, Silbersalz). Dazu noch 14K jxl Dateien mit Color Science.


Dynamisch komplexes Landschaftsbild, Tourre de Serre am frühen Morgen. Oben zum Vergleich: Beim Flatscan-JPG sind Daten im Himmel einfach „weg-komprimiert“, was zu Artefakten führt.

Die Bilder mit „Color Science“ sind von zweifelhaftem Nutzen. Für Landschaft passt das überhaupt nicht, für Personen- oder Porträtfotografie schlägt es einem mit „analogen Look“ wenig subtil über die Birne. Die Bilder, die ich bekommen habe, sind seltsamerweise durchweg zu dunkel, so, als würde man durch eine starke Sonnenbrille sehen. Man kann sie in LR schnell auf normale Werte bringen, danach bleibt es eine Frage des persönlichen Geschmacks. Eigentlich lässt einem das Konzept des Cinefilms reichlich Freiheit, seinen persönlichen „Look“ selbst zu kreieren. Aber auch, wenn man seine Fotos relativ „neutral“ bearbeitet, unterscheiden sie sich im Charakter von digitalen Bildern.


Oben links: „normal“ bearbeitete jxl-Datei, rechts das fertig bearbeitet gelieferte jxl-Bild mit „Color Science“ (ich habe es etwas heller gemacht). Vermutlich passt die Color Science einfach besser zu anderen Motiven.
Ob 140 Megapixel „overkill“ sind, sei dahingestellt, es funktioniert jedenfalls. Mir persönlich reichen 20 MP für Kleinbild-Negative völlig aus. Selbst die 12 MP-Scans, die Silbersalz mitliefert, sind detailreich und megascharf. Ok, letzteres liegt auch an der verwendeten Kamera und Optik. Eine Leica und dazugehörige Objektive sind unbestritten „Top of the Line“. Natürlich gibt es eine Unzahl Film-Kameras anderer Hersteller, die in der gleichen Liga spielen. Ich habe z.B. eine Nikon F3 („built like a tank“) und die Nikkore dazu sind exzellente Optiken. Aber auch meine kleine Olympus XA kann mitreden.

Bei der Leica M6 habe ich mit dem eingebauten Belichtungsmesser gearbeitet. Das im Unterschied zur M6 TTL kleinere Zeitenrad lässt sich ebenso gut mit einem Finger bedienen, während man durch den Sucher schaut. Dass man es schlicht gegen die Pfeilrichtung dreht ist einfach „muscle memory“. Grundsätzlich messe ich die dunkleren Bereiche an und wähle eine passende Belichtungszeit, wenn im Zweifel, belichte ich eher mehr. Ganz im Gegensatz zu digitaler Belichtungsstrategie. Der helle Sucher neuester Generation mit dem reflexionsfreien und supergenauen Messfeld macht das ablichten auch bewegter Objekte ebenso einfach wie mit dem digitalen Pendant der Kamera.

Die Leica M6 war nicht meine Hauptkamera an der Ardèche, digital ist halt schneller verfügbar und auch Fotos aus der Q3 43 oder der M11-P haben Charme und zeigen den Charakter der verwendeten Optik. Aber so ein Film ist echt ergiebig. 38 Bilder gab er her, nicht mal Ausschuss dabei. Mit zwei bis drei Filmen könnte man eigentlich die komplette Woche lückenlos dokumentieren, wenn man sich darauf einlässt. Es ist definitiv unfair, aber die analogen Bilder schätzt man irgendwie gefühlsmäßig höher ein als deren digitale Gegenstücke.
Die Leica Q3 43 habe ich übrigens eingeschickt. Ich entdeckte ein Cluster von toten Pixel im rechten Sensordrittel (leuchtend magentafarben), dass sich durch Pixelmapping (im Menü) nicht entfernen liess. Winzig und nur auffällig, wenn man den entsprechenden Bereich 100% ranholte. Eine Anfrage bei Customer Care ergab, dass das trotzdem für eine Kamera, die ein halbes Jahr alt ist, nicht akzeptabel sei. Ich werde weiter berichten, was daraus wird.
Hallo Claus,
Wie ich bereits kommentiert habe, bin ich vom neuen Format restlos überzeugt. Als ich die Dateien bekam, kam mir sofort der Gedanke „ich kann jetzt die M11 verkaufen“. Ich habe ihn zwar wieder verworfen, werde aber noch öfter analog fotografieren. Durch den Wegfall der riesigen TIFF-Dateien und der zeitaufwendigen Umwandlung sind die letzten Hemmungen gefallen.
Zu Color Science habe ich eine ganz andere Meinung. Ja, der Weißabgleich der jxl-Dateien mit Color Science liegt ausnahmslos voll daneben (was man auch am Beispielbild sieht). Wenn man ihn aber korrigiert und die Tonwerte anpasst, bekommt man perfekte Farben unter allen Bedingungen. Landschaftsbilder sind z.B. perfekt. Ich habe einige Bilder doppelt bearbeitet, um schnelle festzustellen, dass die Bilder mit Color Science immer bessere Farben hatte. Ich habe unter folgendem Link eine kleine Auswahl aus dem letzten Auftrag (mit vier Filmen). Alle Bilder sind aus den Dateien mit Color Science.
https://www.icloud.com/sharedalbum/de-de/#B2O5toRf1koEDM
Viele Grüße
Stefano Strampelli
Hallo Stefano,
du hast mich überzeugt! Muss mich doch mal näher mit den Color-Science Bildern beschäftigen. Ich hatte da offensichtlich Vorurteile (mea culpa!).
Danke für den wertvollen Hinweis und übrigens: Tolle Bilder! Echt sehenswert!
Viele Grüße,
Claus