Leica M10-M: Bühne frei!

“Black and white are the colors of photography. To me they symbolize the alternatives of hope and despair to which mankind is forever subjected.” (Robert Frank)

Menschen in Schwarzweiss zu fotografieren, zu porträtieren ist immer was besonderes und die Leica M10-M, ach was, die Monochrom-Kameras von Leica überhaupt sind ein perfektes Werkzeug dafür.

Es war mal wieder soweit: Die Canaillen-Bagage, Theater-Ensemble aus Bielefeld wartete diesmal mit dem Stück „Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni auf. Ein Klassiker in der Tradition der Comedia dell’arte. Normalerweise bin ich bei der Aufführung auf der Burg Vlotho dabei, aber dieses Jahr war ich zu der Zeit in dem Tal, dessen Name nicht genannt werden soll. So verabredete ich mich mit Michael Zimmermann, dem Chef der Truppe, für die Vorstellung an Schloss Baum in der Nähe von Bückeburg.

Leica M10-M
Pantalone lamentiert. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 500 Gelbfilter
Leica M10-M
Truffaldinos Ankunft. Leica M10-M mit 35mm Apo-Summicron bei f/2 1/1000s ISO 400

Anders als in einem Theater kann man bei Freilicht-Bühnen keine gleichbleibenden Lichtverhältnisse erwarten. Wenn z.B. die Sonne auf die Akteure fällt, muss man die Belichtungs-Korrektur der Monochromen Kameras deutlich nach unten regeln, denn soviel auch in den Tiefen der DNG’s steckt, Überbelichtung mit ausgebrannten Stellen kann man kaum retten. Anders als bei Sensoren mir Farbkanälen (die auch ihre Grenzen haben) kann nichts „zurückgerechnet“ werden.

Diesmal war der Himmel bedeckt und das war für die Sache praktischer. Man kam ohne Korrektur aus, erst später, als es dunkler wurde und die Bühnenscheinwerfer mehr wirkten, stellte ich auf -2/3 EV, damit nicht die hell geschminkten Gesicherter oder weisse Hemden im Histogramm oben „rausfallen“.

Leica M10-M
Beatrice hat mit Truffaldino ein Hühnchen zu rupfen… Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 640 Gelbfilter
Leica M10-M
Gerangel ums Gepäck von Beatrice. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/2000s ISO 400 Gelbfilter

Überhaupt war es wegen der Bewölkung eher weniger hell, als ich erwartet hätte. Die Leica M10-M (die Monochromen überhaupt, allen voran die M11-M) sind ISO-Monster, dass heisst, wenig Licht ist das geringste Problem. Aber ich hatte zunächst fest auf ISO 400 gestellt (weil das die „Native“ ISO ist mit der besten Dynamik) und bei Einsatz des 90mm Macro-Elmar mit größter Öffnung von f/4 und Gelbfilter davor kam ich plötzlich zu Belichtungszeiten deutlich unter 1/100 Sekunde und das ist zu lang. Kamera-Shake und Bewegung der Schauspieler zusammen kann man da nicht ausgleichen.

Leica M10-M
Smeraldina erklärt Clarice, wie die Welt funktioniert. Leica M10-M mit 90mm Macro-Elmar bei f/4 1/350s ISO 1600 Gelbfilter
Leica M10-M
Clarice ist untröstlich. Warum soll sie den blöden Signore Rasponi heiraten statt Silvio? Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 500 Gelbfilter

Die anderen beiden Objektive hatten kein Problem, nämlich das 35mm Apo-Summicron bei f/2 und am wenigsten natürlich das 50mm Summilux bei f/1.4, denn alle drei verwendeten Optiken setzte ich ausschliesslich bei voller Öffnung der Blende ein. Ich stellte wegen des Macro-Elmar dann aber feste Zeit von 1/350s ein und liess stattdessen die ISO auf Automatik, die fortan der variable Teil im Belichtungsdreieck war. Ein gelber Farbfilter vor den Optiken war gesetzt, zwar sind die monochromen Sensoren (wie auch die modernen S/W-Filme) panchromatisch, aber eine gewisse Tonwerttrennung gibt den DNG’s von vornherein mehr punch. In dem Zusammenhang empfehle ich den Artikel über Einsatz von Farbfiltern.

Die Objektive wechselte ich oft, am meisten kam das 50er Summilux zum Einsatz, dann das 90er Macro-Elmar, das 35er Apo war mehr für die Totale da.

Leica M10-M
Wir zwei werden das Chaos schon richten. Smeralda und Truffaldino. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 400 Gelbfilter

Personen bei Offenblende zu fotografieren gewährleistet die größtmögliche Freistellung und Isolierung des Motivs. Es gibt keinen Zweifel für den Betrachter, um wen es geht und das ist bei Bühnenfotografie das Stilmittel der Wahl. Die „Challenge“ bei den Lichtstarken ist das Fokussieren, denn selbst das 90er bei f/4 verzeiht da keine Nachlässigkeit. Das alles wäre weniger kompliziert, wenn sich nicht die „Motive“ auch noch bewegen würden und das manchmal recht flott. Dazu muss man die richtige Auswahl treffen, wenn mehrere Personen im Bild sind oder versuchen, sie zu „erwischen“, wenn sie im gleichen Tiefenschärfe-Bereich agieren. Und mal wieder nebenbei: Der Messsucher ist dafür obligatorisch! Wer glaubt, da mit dem Visoflex und Fokus-Peaking irgendwas ausrichten zu können, kann scharfen Fotos schon mal einen Abschiedskuss geben. Mit einem EVF müsste da schon eine andere, schnellere Fokussiermethode verfügbar sein.

Leica M10-M
Was ist hier bloss los? Ich versteh die Welt nicht mehr! Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 400 Gelbfilter
Leica M10-M
Gleich brennt hier die Luft! Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 1000 Gelbfilter

Möglicherweise wird der eine oder andere verständlicherweise einwenden „warum nicht einfach eine (setzte hier beliebige Kamera mit schnellem Autofokus ein) nehmen und „be done with it?“ Aber es ist eben nicht dasselbe. Der Output der Monochromen, gepaart mit den High-End Optiken (und die können gerne auch z.B. von Voigtländer sein) ist schon was besonderes und wirkt gleich out-of-camera „analoger“ als in S/W konvertierte Dateien von Farbsensoren. Die Mühe lohnt sich also, obwohl, „Mühe“ ist es gar nicht, das manuelle Fokussieren fällt mir leicht, ich mache es quasi auf Autopilot. Beim aussortieren der Bilder ist fehlerhafter Fokus der seltenste Grund für Ausschuss.

Wie schon gesagt, das Ergebnis kommt analogem Film sehr nah, wenn man sich bei der Nachbearbeitung zügelt und nicht zu „Slider-Happy“ wird. Die DNG’s der Leica M10-M (und entsprechend der M11-M) haben so viel Potential in sich, das man im Grunde HDR-mäßige Ergebnisse bekommen kann, die ich aber persönlich als Geschmacksverirrung sehe. Mein Ziel ist eher, den analogen Eindruck zu bewahren. Die DNG’s aus der Kamera muss man dazu kaum anfassen. Leichte Tonwertkorrekturen reichen. Und wenn jemand fragt, warum ich nicht gleich die M6 nehme und Kodak oder Ilford einlege: Pure Faulheit…

Leica M10-M
Smeraldinas Selbstbewusstsein verblüfft Clarice. Leica M10-M mit 90mm Macro-Elmar bei f/4 1/350s ISO 1600 Gelbfilter
Leica M10-M
Verflixt! Wem gehört jetzt welche Dose? Leica M10-M mit 35mm Apo-Summicron bei f/2 1/350s ISO 1250

Freilicht-Bühnen sind vom Wetter abhängig. Mit zunehmender Dämmerung wurde das Bühnenlicht besser, weil die Scheinwerfer mehr Wirkung hatten und die Darsteller plastischer erscheinen liessen. Im Verlauf des Stückes begann es leicht zu regnen, die Schauspieler agierten weiter und ich auch, wenn ich auch ab und zu die Frontlinse auf Tropfen kontrollierte und den Suchereinblick trocken putzen musste. Dass die Kamera klitschnass war, störte keinen großen Geist. Der Regen liess nach, aber leider nur, um kurz zu Verschnaufen, denn dann kam ein Wolkenbruch, der keine Rücksicht auf kulturelle Ereignisse nahm. Der Regen wollte nicht aufhören und zum Glück gab es ein leeres Festzelt am Schloss, in dem die letzten zehn Minuten stattfanden, die noch fehlten.

Leica M10-M
Das Happy End ist nah: Florindo und Beatrice finden sich. An der Stelle setzte Starkregen ein… Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 800 Gelbfilter
Leica M10-M
Der Umzug ins Zelt. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/350s ISO 400 Gelbfilter

Das Licht dort war sehr prosaisch, weil die Zeltwände wie eine riesige Softbox wirkten. Der Spielfreude tat das keinen Abbruch und auch nicht der Begeisterung der Zuschauer, die sich mit dem sprichwörtlichen „nicht enden wollenden“ Applaus bedankten. Das Zelt war erfüllt mit positiven Vibrations und jeder verliess den Ort mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich hatte meine Bilder im Kasten und wusste schon, dass da ein paar Keeper dabei waren. Für die Mitglieder der Canaillen-Bagage sind sie immer eine wertvolle Erinnerung, und dienen so einem übergeordneten Zweck. Die Aufführung war die letzte der „Tournee“, mal sehen, was nächstes Jahr auf dem Spielplan steht.

Leica M10-M
Ein bisschen Regen tut der Stimmung keinen Abbruch! Leica M10-M mit 35mm Apo-Summicron bei f/2 1/250s ISO 2000

Im Slider noch einige Eindrücke vom Verlauf des Stücks:

 

8 Kommentare

  1. Johannes Preuß

    Lieber Claus Sassenberg,
    seit einigen Jahren verfolge ich mit Interesse und Genuss Ihren Blog. Ich bewundere Ihre Energie, neben Beruf und Familie auch noch einen eigenen Blog zu betreiben. Machen Sie gerne so weiter, solange es möglich ist. —
    1986 erwarb ich nach Nikon und zweiäugigen Rolleiflexen mit eigener Dunkelkammer meine erste M-Leica, eine M6, die ich später bedauerlicherweise wieder verkaufte. Zwar konnte ich allmählich auch ab M8 bis heute mit M11-D „upgraden“, habe aber immer trotz R und später SL mit dem Verkauf gehadert („ein Leben ohne M ist möglich, aber sinnlos“). Ihre Artikel haben mich nun veranlasst, mir vor einigen Wochen zusätzlich eine M10-Mono zuzulegen, die ich seitdem intensiv nutze, obwohl meine Frau mir zuvor immer wieder davon abriet („deine Bilder sind ganz schön, aber es fehlt die Farbe“). – Vielen Dank für Ihre wiederkehrenden Beiträge über SW-Fotografie, die mich dazu ermunterten! Liebe Grüße aus der nördlichen Lüneburger Heide nach Ostwestfalen!

    • Claus Sassenberg

      Guten Abend Herr Preuß,

      vielen Dank für die netten Worte zum Blog, ich versuche „dran“ zu bleiben.

      Leider ist S/W nicht jedermanns Sache. Ich würde vermutlich auch Protestnoten von meiner Familie bekommen, sollte ich beispielsweise versuchen, all unsere sozialen Aktivitäten monochrom zu dokumentieren. Wir müssen da tolerant sein… und Sie haben ja auf jeden Fall die M11-D in Reserve 😉

      Dessen ungeachtet fasziniert mich S/W-Fotografie sehr. Bevor ich die Monochrom hatte, war Film (bevorzugt T-Max, Tri-X oder Ilford HP5) das Mittel der Wahl, aber ich muss gestehen, dass ich jetzt sehr oft auf die M10-M zurückgreife, sie ist einfach so gut und hat meines Erachtens eine sehr starke analoge Anmutung der Dateien (nur verdächtig hoch aufgelöst und ohne Körnung, gewissermassen zu „clean“). Nun, diesen Missstand kann man bei Bedarf im Postprocessing beheben.
      Noch vor ein paar Wochen hatte ich mal wieder einen Ilford HP5 in der Leica IIIF und das war auch mal wieder schön, aber die M10-M verdirbt einen gewissermassen.
      Es ist z.B. nicht dasselbe mit digitalen Farb-Dateien und Farbnegativfilm. Der Unterschied in der Anmutung ist viel größer, darum lege ich in meine M6 gerne die Silbersalz-Filme oder Kodak Portra oder Ektar ein.

      Viele Grüße in die Heide, Claus Sassenberg

  2. Hallo Claus,

    klasse Aufnahmen, insbesondere die mit dem 50er Summilux. Erinnerungen werden wach …

    Dennoch bin ich mit meiner Q2 Monochrom höchst zufrieden und erfreue mich immer wieder daran, die Wirkung aufgesetzter Farbfilter feststellen zu können. Die Nachbearbeitung findet bei mir auch nur in den grds. Belichtung- und Kontrastbereichen statt.

    Viele Grüße
    Martin

    • Claus Sassenberg

      Hallo Martin,

      das Fotografieren mit monochromen Kameras hat eben seinen eigenen Reiz. Licht und Schatten werden für die Motivwahl wichtiger und man bekommt einen Blick dafür. Das arbeiten (und experimentieren) mit Farbfiltern gibt einen traditionellen, handwerklichen Aspekt und die out-of-camera-DNG’s bedürfen oft nur geringer Tonwertkorrekturen (wenn überhaupt).

      Weiterhin viel Freude mit der Q2-M und viele Grüße, Claus

  3. Moin,
    Tolle Bilder!
    Vor ein paar Tagen hatte ich meine M11M auf einem Geburtstag in und bei einer Waldhütte dabei. Zusammen mit dem Summilux 50 aus den 60iger Jahren aktuell meine Lieblingskombination. Ich war mal wieder begeistert von der Kamera. Selbst bei ISO 25.000 liefert sie noch akzeptable Ergebnisse.

    Ich finde auch, dass der Einsatz einer Kamera mit Autofokus nicht dasselbe ist. Da fehlt mir etwas die Freude am Fotografieren. Das Gefühl die M, egal ob Monochrom oder Farbe, in der Hand zu halten, einzustellen und das Foto zu machen, gehört für mich zum Foto dazu. Ich nutze auch die SL3, aber die Bilder der M gefallen mir häufig dennoch besser.
    Das Fotografieren meiner kleinen Tochter war eine gute Schule, um das schnelle Fokussieren mit dem Messsucher zu lernen

    Viele Grüße aus dem Norden
    Pablo

    • Claus Sassenberg

      Moin Pablo,

      du sprichst mir natürlich aus dem Herzen, ganz meine Meinung. Und die Kombi von Leica M (Farbe oder Monochrom) und 50er Summilux bei Offenblende… immer ein Traum.

      Ein Blick auf deine sehenswerte Webseite lieferte auch sofort den Beweis, dass du sehr gut mit deinem Equipment klarkommst 🙂

      Viele Grüße aus geringfügig südlicheren Gefilden, Claus

  4. Ausgezeichnete Fotos, die die Komik des Dargestellten hervorragend eingefangen haben! Das Schwarz/Weiß wirkt. Trotzdem habe ich mich gefragt, wie die Präsentation in Farbe ausgefallen wäre.
    Liebe Grüße Volker

    • Claus Sassenberg

      Hallo Volker,

      ich empfinde Farbe für diesen Zweck redundant. Der kanadische Fotograf Ted Grant hat es mal so ausgedrückt: „If you photograph people in black and white you photograph their souls, but if you photograph them in colour you photograph their clothes.“

      Viele Grüße, Claus

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert