Mit Leica Q3 43 an einer Bergwertung der Deutschland Tour
Fahre so viel oder so wenig, so weit oder nicht so weit wie du willst. Hauptsache, du fährst. (Eddy Merckx)
Wenn die Deutschland Tour schon durch Ostwestfalen geht, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, etwas Rennatmosphäre zu schnuppern. Am Donnerstag war Zielankunft in Herford, da war richtig was los… und ich in der Praxis, das Leben ist nämlich kein Ponyhof. Aber am Freitag hatte ich frei (wie schon der Name sagt) und sattelte mein Rennrad für die Strecke zum Hermannsdenkmal. Denn dort war die erste Bergwertung der 2. Etappe.
Blieb die Frage, welche Kamera dabei sein sollte. Im Jahr 2019 war ich in den französischen Alpen im Ort Guillestre gewesen, als dort die Tour de France durchkam. Das war ein Spektakel der Sonderklasse, mit Volksfestartiger Stimmung, der Werbekaravane und dem nach schon längerer Strecke und dem Col de Vars auseinander gezogenen Fahrerfeld. Ich schaute noch mal nach: Damals hatte ich die M10 mit 50mm Summilux benutzt, die Brennweite war für die Gelegenheit ok gewesen, auch konnte ich die einzelnen Grüppchen gut und in Ruhe manuell fokussieren.
Aber diesmal war zu erwarten, dass das Fahrerfeld noch ziemlich geschlossen am Hermann ankommen würde. Die Anfahrt von Herford bis dahin war vergleichsweise flach und der erste wirkliche Anstieg würde kaum ausreichen, das Feld aufzuspalten. Ich rechnete also damit, dass alles blitzschnell vorüber sein würde. Die M11-P mit 50er Summicron oder Summilux wäre eine Option (für Objektiv-Wechsel wäre definitiv keine Zeit), aber ich hatte eine realistische Vorstellung, wie die Fahrer da vorbei zischen würden. Ich bin zwar überzeugt, dass ich entgegen „popular belief“ auch mit manuellem Fokus einiges erreicht hätte, aber ich wollte keine Messsucher-Challenge davon machen.

Die Leica Q3 43 an die Gegebenheiten anpassen

Die Leica Q3 43 schien mir von der Brennweite und mit ihrem Autofokus für die Gelegenheit (von meinen Kameras) die bessere Wahl. Mir ist schon klar, dass man anderes Equipment wählt, wenn man vorhat, solche Sport-Events öfter zu fotografieren. Längere Zoom-Objektive auf entsprechend schnell fokussierenden Bodys sind obligatorisch.
Für mich hatte die Leica Q3 43 die richtigen Eigenschaften, um als „Gelegenheits-Sportfotografie-Werkzeug“ zu fungieren. Um das auszunutzen, wich ich von meinen Standard-Einstellungen deutlich ab. Ziel war: Schneller, kontinuierlicher Autofokus bei möglichst offener Blende, ohne mit den Belichtungszeiten beim elektronischen Verschluss zu landen, denn da wäre „rolling shutter“ vorprogrammiert, für den Q- und M-Familie super anfällig sind. Man könnte einfach im Menü nur den mechanischen Verschluss wählen, aber ich machte es noch anders: Die kürzeste mechanische Belichtungszeit ist 1/2000 Sekunde. Die stellte ich am Zeitenrad fest ein.

Die Lichtmenge liess ich dann gegen meine Gewohnheit durch die Blendenautomatik regeln (Auto-ISO war ebenso gesetzt). Meine Absicht, die Blende so offen wie machbar zu halten, ohne in die Gefahr der Überbelichtung zu laufen (wenn ich einfach auf f/2 gestellt hätte), wurde dadurch erfüllt, dass es nicht besonders sonnig und hell war, sondern bedeckter Himmel. Die Blendenautomatik blieb fast immer bei f/2, bei wenig Licht (wie gesagt, 1/2000 war fest gewählt) sorgte stattdessen Auto-ISO für die richtige Lichtmenge, zwischen ISO 100 und ISO 1000 ist alles mal dabei. Bei voller Sonne hätte die Kamera deutlich kleiner Blendenwerte eingestellt, um klar zu kommen (im Skiurlaub war das z.B. so).


Normalerweise gibt es bei mir nur Single Shot („AFs“), aber kurz bevor das Fahrerfeld kam, stellte ich auf 4 Bilder/Sekunde Serienbild Funktion mit Autofokus. „AFc“ nehme ich ungern, brauche ich zum Glück auch kaum, weil es mich nervt, dass das Sucherbild immer irgendwie „schwammig“ wirkt, nie richtig scharf wird. Man denkt immer, „ist nicht richtig im Fokus“, obwohl man hinterher feststellt: Alles ok. Damit musste ich also leben. Als Fokussiermethode nahm ich „Feld“ (möglichst klein gestellt, die Größe kann man einstellen). alternativ könnte man Personenerkennung wählen, denn auch ein Radfahrer wird erkannt. Aber bei so vielen… welcher zuerst? Und dann noch die Leute am Streckenrand… pures Glücksspiel. Also nö.
Auf zur Location

Ehrensache, die Strecke von Vlotho nach Detmold mit Rennrad zu machen, um an der Bergwertung „in style“ anzukommen. Ich hatte einen kleinen Fahrrad-Rucksack gepackt. Etwas Verpflegung, Regenjacke, eine warme Jacke (über die ich später sehr froh war) nebst Kleinkram, vor allem war noch Platz für eine Kamera. Aber eine zweite Kamera oder gar Wechselobjektive mitzunehmen, wäre totaler Quatsch gewesen. Ich war relativ früh da, so um 11.15 (Die Rennfahrer wurden erst gegen 12.50 erwartet), aber einige Fans hatten sich schon am Anstieg zum Hermann positioniert und feuerten mich an, als ich gemächlich da hochkurbelte. Auf der Straße waren schon einige Beschriftungen angebracht, die Belgier hatten Wout van Aert verewigt, aber Florian Lipowitz war ebenso populär.

Ich fuhr bis zum „Summit“ und blieb da. Die Strasse macht am höchsten Punkt einen Knick von 180°. Im Lauf der nächsten Stunde wurde es richtig voll dort oben, aber man war gut gelaunt, unterhielt sich mit seinen Nachbarn und feierte jeden Neuankömmling mit Fahrrad, vor allem, wenn Kinder dabei waren. Lidl als Hauptsponsor machte kleine Aktionen und verteilte „gesunde Lebensmittel“, Presse und Fernsehen waren auch da (obwohl es von dort keine Übertragung gab, die begann erst auf den letzten 50km des Rennens). Auf so ein Spektakel wie die Werbekaravane der Tour de France muss man leider verzichten, aber es war auch so durchaus unterhaltsam.
Das Rennen

Mindestens ein Dutzend Polizei-Motorräder und Einsatzwagen, ausserdem Teamfahrzeuge waren sichere Vorboten, dass das Rennen sich näherte. Ein „Kommissär“ wurde von einem Motorrad abgeladen, um die Bergwertung zu überwachen. Nach dem Bulli mit „Flagge Rot“ Beschriftung war alles klar: Sie kamen! Tatsächlich hatte sich wider Erwarten eine Ausreissergruppe gebildet, ganz vorneweg Vincent Dorn von Bike Aid und Miguel Heidemann als Träger des Bergtrikots vom Team REMBE/Rad Net. Dann kam Jonas Rutsch und ein paar andere, der sich später noch viel vorne zeigen würde. Viele Teamfahrzeuge danach bewiesen, dass die Distanz zum Hauptfeld grösser als eine Minute sein musste.

Dann das Hauptfeld: Es rauschte vorbei, das war halt nicht der Col du Tourmalet, die Geschwindigkeit über das „Hügelchen“ war echt hoch. Ich schaltete jetzt mal gnadenlos auf „spray and pray“. Die Kamera ratterte die Bilder durch, der Pufferspeicher machte Überstunden, aber schluckte alles. Als Speicherkarte würde ich was schnelleres wählen, wenn ich das öfter vorhätte.

Im Slider: Verfolger und das Feld
Dann war der Spuk vorbei. Die Zuschauer strömten auf die Strasse und die ganze Veranstaltung löste sich flott auf. Ich schnappte mein Rad und nahm dieselbe Abfahrt wie die Rennfahrer runter nach Heiligenkirchen. Sicher nicht so rasant, aber später stellte ich fest, dass ich im Taumel der Emotion viel schneller bergab gefahren war, als ich mir das normalerweise zugestehe. Dann war ich froh, wieder treten zu können, denn am „Pass“ war mir bei der Warterei mächtig kalt geworden. Zuhause checkte ich die Bildausbeute und fand dann erst heraus, wer da so alles vorbei gerauscht war. Aber: Alles im wesentlichen gestochen scharf, bis auf wenige Ausnahmen. Die gibt’s immer, denn so ein Autofokus sucht sich halt mal die falsche Stelle im Hintergrund.

Fazit

Die Ausbeute beweist, das die Wahl der Kamera und die Einstellungen erst mal funktioniert haben, obwohl ja bekanntlich viele Wege nach Rom führen. Wie gesagt, würde ich sowas öfter machen, würde ich mein Equipment stärker anpassen, aber für meine Zwecke war das völlig ausreichend. Das war übrigens der erste „richtige“ Einsatz der Kamera, seit sie wegen des Clusters an toten Pixeln einen neuen Sensor bekommen hat. Im Defereggental war sie nicht mit gewesen.

Seit meiner Jugend fahre ich Rennrad und das war immer gut für Körper und Geist. Meine Heimat, das bergige Ostwestfalen/Lippe ist ein tolles Rennrad-Revier. Ich war nie so kompetitiv veranlagt, dass ich Rennen fahren wollte, aber die großen Rundfahrten und die Fahrer verfolgte ich schon mit Interesse. Das setzte für einige Jahre aus, als Armstrong & Co den Sport pervertierten. Ich fuhr weiter meine Runden und ignorierte den Leistungssport. In den letzten Jahren kam das Interesse wieder, aber das Misstrauen bleibt. Natürlich kann man immer noch einen draufsetzten: Sowas wie die „Enhanced Games“ sind der wahre Gipfel der Perversion, sowohl moralisch/ethisch als auch medizinisch.
Ich hoffe einfach, dass Leute wie Florian Lipowitz „sauber“ bleiben können und es ausreicht, die modernen Erkenntnisse der Sport- und Ernährungsphysiologie auszunutzen, um einen Athleten optimal zu unterstützen.