Von Jörg-Peter Rau
Immer mal wieder liest mal so etwas wie: The Konica Hexar RF ist eigentlich die Kamera, die die Leica M 7 hätte werden sollen: eine entschieden moderne Messsucherkamera mit motorischem Filmtransport, einem schnellen Verschluss und einer hervorragenden Ergonomie. Aber ist es wirklich so? Und wenn ja, warum war der Hexar RF dann nur ein so kurzes Leben vergönnt?
Was für ein Kontrast zur letzten Kandidatin hier in den „M-Files“. Dort die komplett mechanische Voigtländer Bessa R4M, hier nun die reich mit Elektronik ausgestattete Hexar RF. Was die beiden Kameras aber gemeinsam haben – sie sind auf ihre Art einzigartig. Die Bessa R4M durch ihren Weitwinkel-Messsucher, die Konica Hexar RF durch die Integration von fast allem, was Ende der 90er-Jahre Stand der Technik war, in eine Messsucherkamera (nur die Contax G-Modelle waren dank Autofocus und Mehrfeld-Belichtungsmessung noch etwas voraus). Ich stelle die Hexar RF hier mit ihrem (Kit-) Objektiv M-Hexanon 50/2 vor.
Schon die Verpackung ist ein Statement
Normalerweise finde ich Unboxing-Videos und das gante Getöse drumrum einfach nur dämlich. Aber für die Konica Hexar RF muss ich da ein bisschen abweichen, denn schon die Verpackung dieser Kamera ist sehr beeindruckend. Eine Kiste, außen mit rotem Samt bezogen und innen mit Stoff ausgeschlagen, ist gefüllt mit der Kamera, dem 50er und normalerweise auch noch einem kleinen Blitzgerät (es fehlte in dem Set, das ich zum Testen hatte – macht aber nichts, denn erstens finde ich, dass Blitzen und Messsucherfotografie nicht optimal zusammenpassen, und zweitens war das auch nur ein kleines Blitzchen ohne TTL-Steuerung). Jedenfalls ist es schon interessant, wie Konica damals dieses Produkt inszeniert hat… und wie lange es gedauert hat, bis Leica erkannt hatte, dass das für die Luxusgüter mit dem roten Punkt vielleicht auch eine gute Idee wäre, und sei es nur, um den Kunden das Gefühl zu geben, wirklich etwas Besonderes gekauft zu haben.

Warum wurde diese Kamera eigentlich überhaupt gebaut?
Warum ausgerechnet Konica als erster Fremdhersteller überhaupt eine Messsucherkamera mit M-Bajonett auf den Markt brachte, ist mir bis heute nicht ganz klar. Gab es womöglich doch eine Kooperation zwischen den beiden Unternehmen Leica und Konica? Oder was es eine Laune des Managements, das dachte, so ein Zeichen könnte man doch mal setzen (dazu würde die barocke Verpackung sehr gut passen)? Oder wollte Konica einfach im Luxus-Segment Fuß fassen und glaubte, dort richtig Geld verdienen zu können?
Ein Feuerwerk an Innovationen nach 15 Jahren Stillstand
Herausgekommen ist im Jahr 1999 jedenfalls die erste große Innovation seit 1984, als die M6 mit eingebauter TTL-Belichtungsmessung erschien (hatte die M5 auch schon, aber das ist ein anderes Thema). Die motorisierte Kamera nimmt bis zu 2,5 Bilder pro Sekunde auf, hat einen Verschluss mit Metall-Lamellen, der bis zu 1/4000 Sekunde schafft und bis 1/125 die Blitzsynchronisation erlaubt. Die Hexar RF hat Zeitautomatik, Belichtungsspeicherung, eine sehr gut gemachte Messwertanzeige im Sucher und ein Display für Zählwerk und Batteriekontrolle. Fast überflüssig zu erwähnen: Der Film wird wie bei jeder einigermaßen zeitgemäßen Kamera durch Aufklappen der Rückwand eingelegt. Energie kommt aus zwei CR2-Lithiumzellen.
Erstaunliche Parallelen zur Leica, Teil 1 (Gehäuse)
Der Sucher selbst ist höchst bemerkenswert. Er hat auf den Zehntelmillimeter die gleichen Maße wie der der M6: 69,2 Millimeter. Allerdings beträgt die Vergrößerung nur 0,6 und nicht 0,72 wie bei den normalen M6-Modellen. Es sieht also alles etwas kleiner aus, und um die Rahmenlinien ist etwas mehr Platz. Für Brillenträger ist das hoch willkommen, allerdings leidet die Genauigkeit der Entfernungsmessung ein wenig. Ach so – die Rahmenlinien kommen immer im Doppelpack. 35/135, 50/75 und 28/90. Auch so eine wundersame Ähnlichkeit zur Leica. Wer mehr über technische Daten zur und ein paar Gerüchte rund um die Kamera wissen will, wird bei Stephen Gandy fündig: https://www.cameraquest.com/konicam.htm
In der praktischen Arbeit ist die Hexar RF ein Traum

Schnell und einfach zu bedienen, Kompakte Größe: Die Konika Hexar RF
In der praktischen Nutzung ist die Hexar RF eine klasse Kamera. Sie lässt sich einfach bedienen, und vor allem kann man mit ihr sehr schnell arbeiten – durch den motorischen Filmtransport natürlich, aber auch die Ergonomie insgesamt. Die Hexar RF wirkt einfach in die Hand gebaut; nicht zu schwer und nicht zu leicht, etwa so groß wie eine M-Leica. Von so einer Kamera hätten Reporter früherer Generationen sicher geträumt. Ich finde auch die Belichtungsspeicherung sehr elegant gelöst, man dreht einfach das Betriebsarten-/Belichtungszeiten-Rad auf AEL und arbeitet dann mit halb gedrücktem Auslöser. Alles andere erklärt sich ohnehin von selbst. Was gelegentlich kritisiert wird, ist, dass der Sucher etwas dunkel sei. Ja, der von der Zeiss Ikon ist heller, aber ich finde den der Hexar RF allemal gut genug.
Das Objektivprogramm war ambitioniert – mit einer spannenden Dual-Range-Linse
Konica hatte für seine Messsucherkamera mehrere Objektive im Programm. Ich konnte nur das 50/2 testen, dass schon mit Markteinführung verfügbar war – zusammen mit einem 28/2.8 und einem 90/2.8. Später kamen ein 35/2, ein 50/1.2 (nur als Teil einer Sonderedition) und, wirklich bemerkenswert, ein 21+35/3.4+4 dazu. Dieses Objektiv mit seinen zwei Brennweiten würde ich wahnsinnig gerne einmal probieren, weil die die beiden für mich wichtigen Brennweiten zusammenfasst – aber es ist kaum zu bekommen und wenn, dann zu Mondpreisen. Vielleicht hat einer der Leser hier eines zum Ausleihen oder so? Nun aber zurück zum 50er: Als Objektiv so für sich alleine würde man es wohl eher nicht kaufen. Es hat ein exotisches Filtergewinde (40,5), und es gibt unzweifelhaft bessere 50er für die Leica M.
Erstaunliche Parallelen zur Leica, Teil 2 (Objektiv)
Trotzdem ist das Konica M-Hexanon sehr interessant, schon weil es eine verblüffende Ähnlichkeit zum Summicron Version 5 aus dem Hause Leica aufweist. Alle Bedienelemente sind gleich angeordnet, sogar die Streulichtblende zum Ausziehen ist gleich konstruiert. Da will einem der Gedanke an ein Plagiat einfach nicht aus dem Kopf gehen, zumal das 90/2.8 von Konica dem letzten 90er Elmarit von Leica auch sehr, sehr ähnlich zu sein scheint. Hat man sich das damals in Solms einfach so gefallen lassen? War man so mit sich selbst beschäftigt, dass man sich mit dem Wettbewerb nicht befassen konnte? Oder passierte das alles unter stillschweigender Duldung? Man wird es wohl nicht mehr herausfinden.14059,14058,14060,14061,14062″
Das Hexanon erwies sich als unspektakulär, aber gut
Zum Fotografieren macht das M-Hexanon Spaß. In Tests, die sicher gründlicher waren als meine Feldforschung, bekommt es in der Regel gute Noten, und ich würde mich dem durchaus anschließen. Im Gegenlicht schlägt sich das Konica-Objektiv abgesehen von gelegentlich überstrahlten Schattenpartien wacker, es ist über das ganze Bildfeld ordentlich scharf (meines schien im Nahbereich noch etwas besser als auf Unendlich) und überzeugt mit guter Verarbeitung. Nicht auf Leica-Niveau, aber durchaus gediegen.
Nach nur vier Jahren war für Konica schon wieder Schluss
Also eine durchaus interessante Kamera und ein schönes Objektivprogramm – und trotzdem wurde die Konica RF schon 2003 und damit nur vier Jahre nach ihrer Markteinführung wieder eingestellt. Ich habe von mehreren Händlern gehört, dass sie noch jahrelang Kameras am Lager hatten und diese günstig abgaben. Das ist vorbei, und die Frage ist weiter offen: Warum war der Hexar RF nur ein so kurzes Leben vergönnt?
Meine Hypothese: Es war die richtige Kamera zur falschen Zeit
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich für Konica der Ausflug ins ohnehin kleine Marktsegment der Messsucherkameras irgendwie gelohnt hat. Wahrscheinlich sind nicht einmal die Vorlaufkosten wieder hereingekommen, denn selbst ohne Matrix-Messung und TTL-Blitzsteuerung war diese Kamera sicher nicht trivial in der Entwicklung. Wahrscheinlich ist es einfach so, dass die Hexar RF schlicht zu spät kam: In den frühen 2000er-Jahren glaubte kaum jemand mehr, dass die analoge Fotografie eine Zukunft haben würde, und dann schon gar nicht für die große Mehrzahl der Profis. Die waren mit Spiegelreflex-Kameras unterwegs und standen in diesen Jahren im oder vor dem Wechsel auf Digital. An solche Anwender sollte sich die Hexar RF aber richten: Konica hatte also die falsche Zielgruppe im Blick. Dann kam der Zusammenschluss mit Minolta, dem ein rascher Niedergang der Fotosparte im neuen Konzern folgte (am Ende wurde sie bekanntlich an Sony verhökert). Ach ja, und es waren auch die Jahre, in denen Leica ebenfalls sehr, sehr nahe am Abgrund stand. Es stand also real zu befürchten, dass der Messsucher-Markt kollabieren würde.
Nicht nur eine Randnotiz der Geschichte und leider auch kein Schnäppchen
So ist ein Irrläufer der Fototechnik-Entwicklung übriggeblieben. In vielem betrat die Hexar RF Neuland, und sie hat es verdient, mehr als eine Randnotiz der Geschichte zu sein. Sie ist ein tolles Stück Technologie, macht Spaß in der Benutzung und bringt alles mit, was man braucht, um gute Bilder zu machen (was den Fotoapparat betrifft jedenfalls). Das alles hat sich aber herumgesprochen, und die Hexar RF ist keine billige Alternative zur Leica M. Gute Exemplare mit dem 50er gehen gerne für 1500 Euro und mehr über den Tisch.
Mit Reparieren könnte es schwierig werden
Was die angebliche Ungenauigkeit der Hexar RF mit original Leica-Objektiven angeht, so gibt es dazu sehr unterschiedliche Aussagen. Bei mir hat sie mit dem 35er Summicron und dem 75er Summarit gut harmoniert, ich kann das aber nicht als einen systematischen Test (bei allen Blenden und Entfernungen) bezeichnen. Mich würde diese Befürchtung jedenfalls nicht abschrecken. Mehr Sorgen würde ich mir wegen Reparaturmöglichkeiten und Ersatzteilen machen. Von Konica ist da wohl gar nichts mehr zu erwarten.
Zusammenfassung: Eine exzellente moderne Kamera, der aber die Fans fehl(t)en
Zum Abschluss komme ich auf die Ausgangsfrage zurück (die so ähnlich auch Peter Lausch in seinen Texten zur Leica-Geschichte gestellt hat): Ist die Hexar RF die Kamera, die die M7 hätte sein sollen? Man muss dazu sagen – als die M7 mehr als zwei Jahre nach der Konica im Jahr 2002 dann tatsächlich vorgestellt wurde, wirkte sie in Teilen überaltert. Der Textilverschluss bringt seine Beschränkungen mit, der Motor war ein sehr unhandliches Anbauteil, das Filmewechseln… na ja. Rational gesehen, hatte die Konica Hexar RF in vielen Punkten die Nase vorn. Doch sie war schnell wieder vom Markt verschwunden, während sich die M7 über 16 Jahre hielt. Der große Unterschied war – an die M7 wurde geglaubt. Von ihrem Hersteller, von den Händlern und von den Käufern. So lehrt die Geschichte der so ambitioniert entwickelten und so gut produzierten Konica Hexar RF einmal mehr, wie gut es ist, wenn eine Marke nicht nur Kunden, sondern Fans hat.
- Die „M-Files“ sind ein Projekt, in dem Informationen und vor allem praktische Erfahrungen gesammelt sind über Messsucherkameras mit M-Bajonett, die aber keine M-Leica darstellen. Hier gibt es eine Einführung dazu.
- Der vorhergegangene, zweite Teil der „M-Files“ beschäftigte sich mit der Voigtländer Bessa R4M mit dem 35/1.4 Nokton und dem 21/4 Color-Skopar.
- Die Texte zu den „M-Files“ erscheinen in der Messsucherwelt in loser Folge. Im nächsten Kapitel geht es um eine andere Messsucherkamera mit M-Bajonett: Die Rollei 35 RF mit dem Sonnar 40/2.8 HFT.
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