“Black and white are the colors of Photography”
Robert Frank
Dieses Zitat werden die meisten Zeitgenossen wohl kaum unterstützen. Selbst ich halte es bestenfalls für “provokant”, aber nicht wahr. Schwarzweiss hat nicht diesen universellen Anspruch. Aber als Genre der Fotografie hat es seinen besonderen Reiz, nämlich da, wo Farbe vielleicht nur ablenkt, redundant oder völlig unwichtig ist. Wenn man Fotos in Graustufen im Sinn hat, muss man die Motive anders visualisieren und entsprechend aussuchen. Eine neue Art Herausforderung gegenüber der üblichen (digitalen) Farbfotografie. Letztere hat natürlich den gewissen Vorteil, dass man in aller Ruhe im Postprocessing feststellen kann, ob S/W funktioniert oder nicht. An der Qualität solcher Bilder gibt’s sicher nichts zu meckern, wenn sie z.B. aus Kameras wie der M10 oder Q kommen (oder High-End-Geräten anderer Marken selbstverständlich auch). Ich stelle allerdings häufig einen bedauernswerten Hang zum “Overprocessing” fest. Ich weiss, da befinde ich mich auf dem wackeligen Boden des persönlichen Geschmacks. Bin da halt sehr von Film geprägt. Ich grusele mich vor diesen überschärften, “über-Tonwert-getrennten”, schattenlosen Ergebnissen in HDR-Look.

Hafen von List. 3D-Wirkung auf Mittelformat-Niveau, im übrigen ein Foto, das mit keiner anderen Kamera ohne exzessives Nachbearbeiten möglich wäre. Leica M10-M mit 35mm Summilux bei f/2.8 1/125s ISO 1600, Infrarot-Filter 715
Die M10-M ist noch nicht lange bei mir und bis jetzt gab es keine Gelegenheit für die “klassischen” Anwendungen für S/W, um die Kamera “artgerecht” zu nutzen. Die Gelegenheit zur Bühnenfotografie habe ich knapp verpasst (“Andersens Schatten” im Juni), klassische Konzerte, Musicals oder Events überhaupt fanden Coronabedingt erst gar nicht statt. Street-Fotografie ist seit der DSGVO (eigentlich auch schon vorher) legal in Deutschland (und diversen Nachbarländern) nicht möglich (nebenbei: ich “blätterte” vor kurzem in Ming Thein’s Blog und fand ein Photoessay über den Weihnachtsmarkt in Dresden mit glasklaren Porträts diverser Einzelpersonen. Ein Leser aus Deutschland machte ihn auf die rechtlichen Aspekte aufmerksam, was bei ihm auf Verblüffung und Unverständnis stieß. Ich persönlich denke, er hat ‘ne Menge Glück gehabt, dass ihn keiner zur Rede stellte. Vielleicht auch nur, weil er offensichtlich fremdländischer Tourist war).

Alte Buhne bei Rantum. Die Algen, mit denen die Eichenstäbe überwachsen sind, enthalten so viel Chlorophyll, dass sie für den “Wood-Effekt” sorgen. Die infrarote Wellenlänge erzeugt eine deutliche Vignette bei voller Öffnung des 35mm Summilux (die nicht im Postprocessing zugefügt wurde!). Leica M10-M mit 35mm Summilux bei f/1.4 1/125s ISO 800, Infrarot-Filter 715
Der “Hermann leuchtet” auch nicht dieses Jahr (war erst auf September verschoben und ist offensichtlich nicht durchführbar, neues Datum März 2021). Da wäre Schwarzweiss auch eher fehl am Platz, bis auf ein paar atmosphärische Shots vielleicht. Porträt-Fotografie ist auf jeden Fall immer eine Option mit der Monochrom. Menschen überhaupt in jeder Lebenslage (das schliesst wiederum alle möglichen Events ein, auf denen Fotografieren erlaubt ist). Dann unbedingt Architektur (und da habe ich auch schon Pläne), vielleicht verbunden mit Low-Light-Fotografie, bei der die Monochrom sicher glänzt. Alles auf der Agenda. Der Winter ist lang.

Am Morsum-Kliff. Leica M10-M mit 35mm Summilux bei f/2.8 1/125s ISO 1600, Infrarot-Filter 715
Über die erste Gelegenheit, die Monochrom auszuprobieren, habe ich ja schon geschrieben. Das war das Turnier. Gleich darauf hatte ich eine Woche Urlaub, und die sollte auf Sylt stattfinden. Das hatten wir mit unseren dort lebenden Verwandten (echte Sylter, davon gibt’s nicht mehr so viele) schon vor über einem Jahr verabredet. Nun ist so eine Nordsee-Insel mit Dünen, Strand, Meer und Friesenhäusern auch nicht die erste Location, die mir bei Schwarzweiss-Motiven in den Sinn kommt, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Selbstverständlich war die M10-M im Reisegepäck, zusammen mit der M10 passt sie in die kleine Hadley-Digital, denn mehr wollte ich auf keinen Fall mit mir herumschleppen. Auf den Kameras war je ein Objektiv, ein zusätzliches passte noch daneben. Mehrere Leser berichteten inzwischen von ihrer Kombination einer Monochrom mit einer Leica Q, das ist sicher auch gut denkbar.

Schafe in den Heckenrosen der Braderuper Heide. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/2.0 1/3000s ISO 160, Rot-Filter
Letztes Jahr hatte ich noch die beiden Super-Ikontas dort am Start und schwelgte mit Kodak Ektar in den Herbstfarben der Insel. Da musste ich mir jetzt was anderes einfallen lassen. Wäre doch nur Street-Fotografie erlaubt. Skurrile Typen gibt’s da zuhauf. Man kommt sich manchmal vor, als wäre man in den Filmset für ein Remake von “Einer flog übers Kuckucksnest” gestolpert. Da zählt man als Typ mit Nerd-Faktor 14 (siehe nächster Absatz) noch zum Establishment.

Yin und Yang. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/2.8 1/125s ISO 3200, Infrarot-Filter 715

Verwitterte Eichenstäbe. Leica M10-M mit 90mm Macro-Elmar bei f/4.0 1/750s ISO 160, Orange-Filter
Ich befinde mich übrigens immer noch im Begründungs-Modus für die Monochrom. Auf einer Nerd-Skala von 1 (System-Kamera-Zoom-Objektiv-“alles auf Automatik”-Knipser) über 5 (fanatischer Festbrennweiten-Fetischist) bis 10 (halbirrer Autor dieses Blogs) liegt man mit einer Monochrom vermutlich im Erweiterungs-Bereich von ungefähr 14 (endgültig-finale Vollmeise mit Realitätsverlust). Eindeutig ein Fall von Overkill. Die Reaktion der Mitmenschen reicht von “verblüfftem Unverständnis” (bei nicht-fotografisch-Interessierten) bis zur Verspottung als snobistischer Angeber. Dazu reicht es allerdings für die meisten dieser “Kritiker” schon aus, überhaupt irgendwas mit einem roten Punkt zu benutzen. Dem kann ich immer nur entgegen halten, dass es mir bisher nicht gelungen ist, irgendeine meiner M-Modelle in der Öffentlichkeit als eine Art “Status-Symbol” erfolgreich einzusetzen. Gewöhnlich erkennt die kein Schwein.

Sandbank bei Munkmarsch. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/2.8 1/125s ISO 3200, Infrarot-Filter 715

Seenot. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/125s ISO 4000
Auf Sylt suchte ich mir meist Landschaftsmotive, weil wir die Stadt mieden, wo sich die Touristen durchschoben und in Cafés “gruppenkuschelten”, als hätte es sowas wie Corona nie gegeben. Und es gibt ja auch Knalltüten, die das glauben. Viele Typen mit einem “supra-nasalen Problem” (eine vornehme Umschreibung für Doofheit, die wir als Studenten benutzten). Fairerweise muss ich sagen, dass manche Gastronomiebetriebe es sehr gut im Griff hatten, die Leute vor ihrem eigenen Leichtsinn zu schützen. Wir waren z.B. einmal in der “Seenot” essen (kennt jeder, der mal auf Sylt war), dort war alles hygienetechnisch vorbildlich gelöst, vom guten Essen ganz abgesehen.

Das “neue” Gosch in der Friedrichstraße. So sah es aus, wenn es total leer war. Leica M10-M mit 35mm Summilux bei f/4.0 1/500s ISO 160, Orange-Filter
Ich kenne Sylt jetzt seit fast vierzig Jahren. Es gibt Landschaftsmarken, die man immer wieder ansteuert und auch fotografiert, aber erstaunlicherweise findet sich auch Neues zu entdecken. Meine Frau spottet immer ein bisschen und zitiert dieses abgewandelte Wort von Karl Valentin: “Es ist zwar schon alles fotografiert, aber noch nicht mit jeder Kamera” (Original: “Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem”). Ich zucke mit den Schultern und knipse weiter.

“Blech-Barock”. Leica M10-M mit 35mm Summilux bei f/1.4 1/3000s ISO 160, Orange-Filter

So sah die Friedrichstrasse aus, wenn sie leer war. Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/1.4 1/1000s ISO 160, Orange-Filter
Auf der Insel bewegten wir uns ausschliesslich mit “normalen” Rädern. E-Bikes sind inzwischen auf den Radwegen sehr dominant, und ich will das auch nicht in Bausch und Bogen verurteilen (wer weiß, wann ich mal selber froh bin, dass es die Teile gibt), aber wenn ich mir die typischen Nutzer so ansehe, kann ich nur konstatieren, dass denen ein bisschen Sport gut tuen würde… aber so ist das: Das Urlaubsgefühl soll nicht dadurch getrübt werden, dass man potentiell anstrengende Sachen macht. Naja, besser als gar keine Bewegung an der frischen Luft und wenigstens stopfen die nicht die Strassen der Insel mit ihren SUV’s voll (Mein Schwager sagt immer: “Hamburger Golf” und meint damit einen Porsche Cayenne). Von List bis Hörnum gibt es jeden Tag eine einzige Autoschlange.

In der Braderuper Heide. Leica M10-M mit 35mm Summilux bei f/2.0 1/125s ISO 3200, Infrarotfilter 715
Zurück zur Monochrom. Ich sagte schon im vorigen Beitrag, wie wichtig es ist, bei Tageslicht die Tonwert-Trennung durch den Gebrauch von Filtern zu unterstützen. Mindestens gelb, eher orange. Der Himmel über Sylt war in den Tagen so wolkenzerrissen, dass ich meist auf rot und noch öfter auf infrarot zurückgriff. Die resultierenden Dateien werden lediglich in LR in Helligkeit und Kontrast eingestellt, weitere Bildbearbeitung nicht notwendig. Die Infrarot-Fotos sehen schon manchmal “surreal” aus, aber wenn ich diesen Look durch Hardware (Filter) erreichen kann, finde ich das legitim. Das kommt so aus der Kamera, ohne dass ich in einen “Slider-Rausch” verfalle.

Strand. M10-M mit 35mm Summilux bei f/2.8 1/125s ISO 1600, Infrarotfilter 715
Bei Gelb- oder Orangefilter kann man eigentlich unbedenklich mit Belichtungsautomatik arbeiten und muss sich nur die üblichen Gedanken bei extremen Lichtverhältnissen machen, inwieweit man die Highlights durch Belichtungskorrektur nach unten schont. Bei Rotfilter sollte man eine positive Belichtungskorrektur durchführen (will man die Belichtungsautomatik nutzen). Meist gehe ich dann eher zu voll manuell über. Bei Infrarot geht das überhaupt nicht anders, zusätzlich ist der Messsucher dann auch unbrauchbar. Fokus-Peaking ist angesagt.

“Sylter Alltagsmenschen”, Figuren der Bildhauerin Christel Lechner, die überall in Wenningstedt zu finden sind. Erinnern mich alle an unsere selige Tante Else. M10-M mit 35mm Summilux bei f/2.8 1/125s ISO 1600, Infrarotfilter 715
Viele der hier gezeigten Bilder fallen unter das Genre der “Landschaftsfotografie”, heutzutage (lange nach Ansel Adams) nicht gerade eine S/W-Domäne. Aber unter bestimmten Bedingungen “funktioniert” monochrom auch hier. Ich würde es ganz allgemein so zusammenfassen: Formen, Strukturen (Muster), Grenzen, Verläufe, Licht und (vor allem!) Schatten, bis hin zu dem, was in der Malerei “Chiaroscuro” genannt wird.

Spiegelung, Überlagerung. M10-M mit 50mm Summilux bei f/8.0 1/500s ISO 160, Rotfilter

“Pfeffer und Salz” oder “bitte recht freundlich” (alle schauen zum Fotografen). Leica M10-M mit 50mm Summilux bei f/2.0 1/1000s ISO 160, Rot-Filter
Auf unseren Ausflügen auf der Insel hatte ich aus Gründen der Platzersparnis immer entweder ein 50er oder 35er Summilux (beide haben die gleichen Filtergewinde) und ein 90er Macro-Elmar in Reserve. Ich habe schon öfter (selbst bei Profis) gelesen, dass 50 oder 35mm “langweilige” Brennweiten seien. Ich glaube, so etwas gibt es überhaupt nicht. Da würde ich unterstellen, dass jemand, der so denkt, eher unter einem Mangel an “Prävisualisierung” leidet. Wer nur auf weitwinkelige Bildeffekte oder Offenblende setzt (nichts gegen beide Mittel im Prinzip!) reitet auf einem bildkompositorischen “one-trick-Pony”, an dem sich der Betrachter irgendwann leid sieht (Das ist z.B. der Grund, warum ich nie ein Noctilux haben wollte. Es kann nur eine Sache richtig gut).

Kite-shooting im Abendlicht. M10-M mit 35mm Summilux bei f/2.8 1/125s ISO 3200, Infrarotfilter 715
Das Thema “Monochrom” ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt zwar in naher Zukunft keine konkreten Anlässe oder spezifische Anwendungsbereiche, die Kamera weiter zu testen, aber ich warte mal ab, was sich ergibt.
Hier noch eine Bilder-Galerie:
Nachtrag vom 23.09.2020. Es gab im Lauf der Zeit bereits mehrere Anfragen, wie ich zwei Kameras und Objektive in meine Fototasche (von begrenztem Raum) bekomme, ohne das sich die Geräte gegenseitig zerstören. Bilder sagen da mehr als Worte, also füge ich hier eine mögliche Variante an.
Wie packe ich meine Hadley Digital mit zwei Bodys?

Das geht ohne weiteres in die kleine Hadley Digital: Zwei M-Bodys, hier mit Summilux 50 und 35 Objektiven, dazu das (mit Sonnenblende) recht lange 90mm Macro-Elmar seitlich.
Wie gesagt, es gibt bei der Hadley Digital auch andere Möglichkeiten, zwei Bodys unterzubringen (man kann z.B. einen mit Deckel vor dem Bajonett, also ohne Objektiv, an die Seite stecken). Aber wenn man denn unbedingt zwei Bodys (und das war sonst bei mir meist eine analoge und eine digitale Leica M, jetzt ging es um die M10 und die Monochrom) in der Tasche unterbringen will, hat das mit aufgesetzten Objektiven den Vorteil, dass sie sofort betriebsbereit sind. Ausser, man stellt fest, dass man die Objektive erst tauschen muss, aber das geht auch schnell. Ein drittes Objektiv hat noch neben den Kameras Platz. Alles eine Frage der Polsterung.

Ein Body kommt ganz nach unten. Es darf nur kein wesentlich längeres Objektiv als (hier im Beispiel) das 50er Summilux daran sein. Man sieht die seitliche Trennwand (mit Klettverschlüssen befestigt), dort steckt bereits das 90er Macro-Elmar.

Dies ist ein Hadley-Polster, das Bild zeigt, wie es in der Tasche auf der unteren Kamera liegt. Es ist mit Klett an der Rückwand der Tasche und kann einfach hochgeklappt werden.

So sitzt die Untere Kamera mit teilweise hochgeklapptem Polster in der Tasche.

Darauf kommt der zweite Body. Das Polster ist dick genug, dass sich die beiden Kameras nicht berühren.

Der zweite Body passt so bündig in die Tasche, nichts schabt aneinander.

Deckel zu! Im vorderen Fach sind trotzdem diverse Utensilien, wie Filterdosen, Ersatzakku, Tücher, Objektiv-Pen und sogar das Ministativ von Manfrotto.
Wenn man vor Ort ist, nimmt man ja sowieso immer eine der beiden Kameras heraus, dann ist in der Tasche genug Platz zum “wühlen”, z.B. wenn man Objektive wechselt. Der Platz, wo jetzt das 90er Macro-Elmar sitzt, könnte sogar mit zwei kürzeren Objektiven übereinander (mit Polster dazwischen) ausgefüllt werden, wenn man unbedingt soviel mitschleppen will. Mir reicht eigentlich eine Kombination von 35 (bzw. 28), 50 und 90, oder vielleicht 21, 35, 75 u.s.w., je nachdem, was man so erwartet, vor die Linse zu bekommen.
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