And now… something completely different!
Monty Python’s flying circus
Jetzt reicht es erst mal mit Sensortechnik. Seit ich im Dezember auf die Leica D-Lux gestossen war, hatte ich mich noch einmal intensiv auf Quellenforschung zum Thema “Invarianz” begeben, zu dem ich schon 2015 mehrere Beiträge geschrieben hatte. Den ganzen Januar über stopfte ich mir technisches Zeugs in den Kopf, bis ich nur noch Nullen und Einsen sah, machte eine Belichtungsreihe nach der anderen und grübelte jeden freien Moment, wie das alles übereinander zu bringen sei. Das Ergebnis ist der vorige Artikel.
Nachdem ich dafür nun den “Veröffentlichen”-Button gedrückt habe, muss ich erst mal akut dekompensieren. Nämlich analog. So fantastisch die Möglichkeiten mit den heutigen rauscharmen Sensoren auch sein mögen, das “Feeling”, mit einem Silberhalogenid-Film in einer mechanische Kamera loszuziehen, ist unübertroffen. Selbstverständlich werden mir da kaum alle beipflichten, erwarte ich auch gar nicht. Da ist natürlich was irrationales dabei. Ich lese gelegentlich gern im Aphog-Blog, vor allem, weil sich dort auch junge Fotografen mit analoger Technik befassen. Die Begründungen dort decken sich so ziemlich mit dem, was ich mal in Analog? zusammengefasst habe. Dazu freut es mich, dass ich nicht der einzige Exzentriker bin.
Trotzdem: Begrenzte Anzahl Bilder pro Film, vergleichsweise geringe Auflösung (ausser bei Mittel- oder Großformat), Körnigkeit, niedrige Empfindlichkeit (obwohl… dazu später mehr), keine sofortige Verfügbarkeit und Kosten – alles ziemlich abschreckend. Na und?

Leica M6 TTL mit 90mm Summarit. Beim Schauspiel “Don Quichote“. Dieses Bild ist nicht mit der weiter unten gezeigten “Fehlbelichtung” identisch.
Demgegenüber steht der “Charakter” analoger Aufnahmen. Schon wieder schlecht objektivierbar. Aber ich halte einen Ausdruck von einem Negativ-Scan in der Hand und denke einfach nur “wow”! Dabei ist mir klar, dass für die absoluten Puristen nur der Dunkelkammer-Abzug zählt. Ich habe das Glück, einen guten Scanner zu besitzen, der tatsächlich in der Lage ist, sagen wir, “das meiste” aus dem Negativ herauszuholen. Das das funktioniert, zeige ich später anhand einiger Beispiele vor allem von Negativen, die man eigentlich für Fehlbelichtungen halten würde.
Die analogen Schwarzweiss-Bilder prägen den Geschmack, über den man ja nicht streiten kann, aber trotzdem… teilweise haarsträubend, was mancher Digitalschütze unter “Schwarzweiss” versteht. Da wird an Reglern in Silver Efex gezogen, bis die Originaldatei zur Unkenntlichkeit verstümmelt ist, dadurch generierte Artefakte werden ignoriert.. Tonwert-Trennung ist eine gute Idee, aber man kann alles übertreiben (nichts gegen Silver Efex!). Letztes Jahr war ein Gastbeitrag auf der Webseite des Geisterbeschwörers aus Phoenix, Arizona, in dem der Autor seine Methode zur S/W-Bearbeitung einzelner Bildanteile in Photoshop darlegte. Ein mühsamer, ellenlanger Prozess und das Ergebnis war eine Art “HDR”-Bild (ungeachtet der Tatsache, dass er die Software virtuos beherrschte). Ich fragte ihn, wann er das letzte mal eine “echte” S/W-Aufnahme gesehen hätte (nicht trollmässig, ganz sachlich), aber er verstand überhaupt nicht, was ich meinte. Natürlich fand er seine Methode und die Bilder toll, sonst hätte er das wohl kaum publiziert. Ich war schon in Versuchung, den Dunning-Kruger-Effekt zu zitieren, aber das wäre vielleicht doch unfair, ausserdem ist das Thema schon von zu vielen Bloggern ausgenuckelt.
Sicher, “wer selber ohne Fehl, der werfe den ersten Stein”, ich habe auch meine zweifelhaften Phasen gehabt. Es ernüchtert mich, dass ich alle diese Fehler schon selbst gemacht habe. Nur sollte man irgendwann merken, wenn man sich verrennt.

Hasselblad 501c mit 50mm Distagon, Kodak Portra. Die Ardèche Schlucht. Dieser verkleinerte Scan aus dem Epson V700 gibt längst nicht das volle Potential einer Mittelformataufnahme wieder. Auflösung als Nachteil gegenüber digitalen Sensoren ist jedenfalls hier nicht relevant. Beachtlich ist auch der Reichtum in der Farbpalette (Grüntöne!)
Didaktik-Gospel
Ich habe schön häufig gehört (aus Deutschland und USA), dass Studenten der Fotografie ermuntert werden, sich mit analogen Apparaten und den damit verbundenen handwerklichen Prozessen zu beschäftigen. Ich halte das für einen wertvollen Teil der Ausbildung, selbst wenn sie später berufsbedingt nur digital arbeiten können. Man bekommt dann ein anderes Gespür für Gestaltungsmöglichkeiten und auch Wertschätzung für den kreativen Prozess, als wenn man sofort mit einem dieser Hochleistungscomputer arbeitet, die heutige professionelle Kameras letztendlich sind. Wirklich ernsthaft Gedanken um die Bilderstellung braucht sich doch mit diesen Teilen keiner zu machen, die Automatik wird’s schon richten.
Es gibt natürlich immer besondere Lichtbedingungen, die die Automatik nicht erkennen kann. Offensichtlich sind auch heutige Geräte zu doof, sich selbst darauf einzustellen. Man muss es ihnen sagen, darum gibt es in vielen Consumer-Modellen die “Scene-Modes”, Motiv- oder Szene-Programme (z.B. bei der Leica CL). Die Hersteller der damit ausgestatteten Kameras gehen davon aus, dass die Nutzer dieser Option fotografisch eher unbedarft sind. Bei der Auswahl “Schnee”, “Feuerwerk”, “Sport”, “Strand” oder “Nachtaufnahme” stellt dann die Programmautomatik die erforderlichen Belichtungsparameter ein. Warum auch nicht, völlig o.k., nicht jeder hat Lust, sich mit den Feinheiten der Fototechnik zu befassen.

Leica M6 TTL mit 50mm Summilux und Kodak Portra 160. Der Hermann leuchtet – ist auch bald wieder.
In keinem Fall würde Leica seine Kunden beleidigen und solche Szene Programme in die High-End-Geräte wie die M10, die SL, die Q oder gar die S einbauen! Sony oder Fuji haben da weniger Skrupel. Oder vielleicht (mal ehrlich!) schätzen sie ihr Klientel realistischer ein. Leute mit Null-Ahnung von Fotografie aber genug Geld für dicke Kameras laufen zuhauf herum. Aber die tun ja keinem was. Hässlich wird es erst, wenn sie aufgrund der High-End-Hardware in den Irrglauben verfallen, sie seien nun Professionelle. Mir tut es immer für die “echten”, hochqualifizierten Fotografen leid, dass jeder sich einfach diese Berufsbezeichnung um den Hals hängen kann, wenn ihm danach ist.
Das belichten analogen Films ist jedenfalls ein guter Lehrmeister. Bei einer mechanischen Kamera ist man gezwungen, die Lichtbedingungen selbst zu beurteilen, das nimmt einem kein Computer ab.
Wer also mit professioneller Ausrüstung die Kameras auf Programmautomatik, Snapshot-Mode oder grüne Vierecke stellt und “JPG-Fine” abspeichert, braucht sich mit analoger Fotografie gar nicht erst zu befassen, da sie möglicherweise mit anstrengenden Denkprozessen verbunden ist. Das kann schliesslich böse enden, wenn man nach Jahren des Nichtgebrauchs plötzlich seine Großhirnrinde in Betrieb nimmt! Synapsen fliegen auseinander, Neuronen platzen wie Knallerbsen und eine Abstoßung des gesamten Organs könnte die Folge sein, ein neurologischer Supergau! Statt den Auslöser zu drücken, pinkelt man sich plötzlich in die Hose. Aber man hat ja auch schon von Fällen gehört, wo das ganze gut ausgegangen ist. Zum Beispiel hat so ein hirntoter Idiot es geschafft, amerikanischer Präsident zu werden.

Leica M6 TTL mit 90mm Summarit. Don Quichote.
ETTR ? Aber sowas von!
Nach dieser überlangen Einleitung mit Anmerkungen, die ich in ähnlicher Form schon an diversen anderen Stellen gemacht habe, versuche ich jetzt mal, auf den Punkt zu kommen. Die Essenz aus dem vorangegangenen “Sensor-Artikel” für die Digitalfotografie ist doch, dass die Highlights ultimativ geschont werden müssen. Der rechte Rand des Histogramms ist gleichsam das Ende der Welt. Wer diesen Rand überschreitet, fällt ins digitale, schneeweisse (und leider echt hässliche) Nirwana.
Wenn also die “digitale Welt” eine Scheibe ist, hat die analoge zumindest einen Horizont, und hinter dem geht’s weiter. Einzig vor dem Reich der Schatten muss man sich in Acht nehmen, sie sind undurchdringlich. Im Klartext: Die analoge Belichtungsstrategie stellt das genaue Gegenteil zur digitalen dar. Man belichtet auf die Schatten (also auf den linken Bereich des Histogramms) und pfeift auf die Highlights. Die sind sowieso da! Dass wir uns nicht missverstehen: Das ist trotzdem “ETTR” (und nicht etwa “ETTL”), aber im Gegensatz zum Sensor braucht man beim Film keine Rücksicht auf ein Überschreiten der Full Well Capacity zu nehmen (= ausbrennen).

Diagramm basierend auf DxO-Analysen. Das unterschiedliche Verhalten von Sensor und Film bei Überbelichtung ist evident. Die Konsequenz sind gegensätzliche Belichtungsstrategien. Die doppelseitigen Pfeile knapp oberhalb der 0dB-Grenze zeigen den Dynamikumfang. Tatsächlich ist der an dieser Stelle bei Film etwa doppelt so groß. Kein Grund, sich zu früh zu freuen, der digitale Sensor holt bei höherem SNR-Schwellenwert deutlich auf bzw. übertrifft Film.
In den Schatten hat Film das Nachsehen. Was im RAW-Konverter von einem rauscharmen Sensor “hervorgeholt” werden kann, ist bei Film undenkbar. Wobei man beim klassischen Dunkelkammerverfahren etwas mehr Spielraum hat als beim hybriden Workflow, da die Dichte des Films dem Scanner Grenzen setzt. In der Silverfast-Scan-Software gibt es die Option “Multi-Exposure” um bei dunklen Negativen das Maximale herauszuholen, aber nach meinen Erfahrungen hilft das nur marginal. Ein unterbelichtetes Negativ ist (zumindest für den Scan) Ausschuss.
Wenn man bei Film die dunkelsten Stellen des Motivs bei der Belichtung anmisst, kommt man vermutlich (je nach Dynamik der Szene) eher zu einem tendenziell überbelichteten Bild. Wieviel davon man sich leisten kann, hängt allerdings stark von der Art des Films ab. Während Positiv-Film den engsten Belichtungsspielraum hat, wird das bei Negativ-Farbfilm schon deutlich besser. Die blaue Kurve in dem obigen Diagramm entspricht etwa dem Verhalten von Kodak Portra. Absolut sorgenfrei lebt sich’s mit Silberhalogenid-Film. Die blaue Kurve oben kann man sich da deutlich nach rechts verlängert vorstellen. Klar, dass auch das irgendwo seine Grenze findet, aber ich zeige weiter unten ein paar Beispiele, wieviel “Luft nach oben” man sich da leisten kann (wenn das auch nicht empfehlenswert ist!).
Leica M6 TTL mit 21mm Super-Elmar, Kodak TMax 400. Diese Szene von besonders hoher Dynamik wurde konsequent auf die Schatten belichtet. Bei einem digitalen Sensor wären die Highlights unwiederbringlich ausgebrannt
Um das klarzustellen: Es geht nicht darum, dass man plötzlich systematisch überbelichten soll! Die “richtige” Belichtung ist dem Geschmack des Fotografen anheimgestellt. Ich würde immer die dunklen Bildbereiche anmessen, wo ich noch Durchzeichnung wünsche (es kann ja durchaus noch dunklere Bereiche geben, die für die Bildwirkung schwarz bleiben sollen). Aber um die helleren Bildanteile braucht man sich kaum Sorgen zu machen.
Ist man vielleicht ohne Belichtungsmesser unterwegs, macht man nichts falsch, wenn man einfach die althergebrachten Belichtungsregeln anwendet. Sie sind bereits so angelegt, dass man “normale” Szenen richtig belichtet. Bei Tageslicht (Sonne oder Wolken) hat mich z.B. die Anwendung der “Sunny-Sixteen-Regel” nie enttäuscht.
Sensor versus Film
Die DxO-Analyse, auf der das Diagramm oben basiert, nennt sich “An objective protocol for comparing the noise performance of silver halide film and digital sensor“. Darin wird Dynamik und Rauschverhalten digitaler Sensoren mit Negativ-Scans unterschiedlicher Filme verglichen. Eine durchaus komplizierte Zielsetzung, die einige “Kalibration” sehr verschiedener Messmethoden erfordert, was einen guten Teil des Papiers ausmacht. Immerhin kann wissenschaftlich nachgewiesen werden, was das Bauchgefühl schon hergab. Ich übersetze mal auszugweise aus den “Conclusions”:
Was die Körnung betrifft, die vom Signal/Rauschen Verhältnis bestimmt wird, ist Film lange vom Digitalen abgeschlagen. Trotzdem mussten die Chemiker irgendwie mit der niedrigen Empfindlichkeit klarkommen und verwandelten den augenscheinlichen Nachteil in einen speziellen Look, indem sie der Form (und Farbe) der Körnung eine bestimmte Ästhetik gaben (ebenso wie ein optischer Designer Bokeh verschönern kann).
Was Dynamik angeht, hat der Negativ-Film potentiell einen klaren Vorsprung. Wenn wir die Definition des Dynamik-Umfangs gebrauchen, die üblicherweise für digitale Sensoren angenommen wird (etwas oberhalb der 0dB-Schwelle), liegt der Unterschied bei riesigen 10 Blendenstufen. Für Amateure mag die höhere Dynamik hauptsächlich einen größeren Belichtungsspielraum bedeuten, der Unzulänglichkeiten bei der Belichtung kompensiert. Geübte Fotografen können allerdings wirklich mehr Details in Schatten und Highlights erlangen, als eine einzelne digitale Aufnahme vermag.
Andererseits wurde auch gezeigt, dass der Schwellenwert von 0dB sehr zweifelhaft ist und kaum eine gute Bildqualität erzeugt. Wird die akzeptable Schwelle auf 10 oder 20 dB erhöht, schwindet die Differenz der dynamischen Breite zwischen Sensor und Film sehr schnell, bzw. Sensoren liegen vorn.
Positiv-Filme haben keineswegs diese dynamische Breite, sie sind schon lange von Sensoren übertroffen. Weiterhin sind auch Scanner evtl. limitiert, die Dynamik des Films mit einem einzelnen Scan zu erfassen und mehrere “bracketed” Scans mögen notwendig sein.
Was mir “zwischen den Zeilen” wichtig erscheint ist, dass die Grundeigenschaften des Films, der Reichtum an Farben oder Graustufen durchaus im Scan erhalten bleiben. Zwar wird am Ende der “Conclusions” noch gesagt, dass man mit digitalen Dateien in Bezug auf Farbe etc. ja völlig freie Hand hat (darum wohl die Film-Emulations-Programme) und daher Film auch keinen Vorteil mehr bietet, aber an dieser Stelle bin ich anderer Meinung. Ich bin durchaus in der Lage, eine RAW-Datei wie ein gescanntes Tri-X-Negativ aussehen zu lassen, aber emotional gesehen liegen in meinem Verhältnis zu dem Bild und einem echten Negativ Welten.

Was man eigentlich bei Negativ-Scans nie zu machen braucht: Ein 100% -Zoom aus dem Bild weiter oben. Die Körnung ist gut zu sehen und hat ihre eigene Ästhetik. Sie ist ganz anders (und viel schöner) als digitales Rauschen. “Schärfe” definiert sich bei analog erst über den Seheindruck bei genügend Abstand. Aber das 90mm Summarit war hier exakt fokussiert. Wenn man das Bild gross auf dem Monitor hat, einfach mal ca. 2-3m zurücktreten.
Scannen
In dem Artikel zum Scannen habe ich schon dargelegt, wie meine Strategie beim Einstellen der Scan-Software ist. Das auf die Schatten belichtete Negativ wird bei niedrigem Kontrast so hell wie möglich (sozusagen ETTR) eingescannt. S/W-Negative werden dann als 16-Bit-Tiffs in Lightroom in den Tonwerten angepasst und schliesslich als JPG exportiert. Die Logik dabei ist, dass das helle Bild praktisch immer abgedunkelt wird, mehr Kontrast bekommt, aber ich bei Bedarf die Schatten sofort holen kann, denn die Information existiert ja in den dunklen Bildbereichen des Tiff. Bei einem 20MP-Scan wird das Korn mit aufgelöst, das hat seinen Reiz. Auf dem Monitor wird es eher überproportional dargestellt, bei Ausdrucken (ohne Probleme Din A3+ und größer) wirkt es viel moderater.
Leica M4, 35mm Summilux und Kodak TMax 400.
Leica M6, 35mm Summilux und Kodak Portra 160. Zufällig gibt es die digitale Version des gleichen Motivs im vorausgehenden Blog-Beitrag, aber diese ist mir viel lieber.
Leica M4, 35mm Summilux, Ilford HP5
“Fehlbelichtungen?”
Bei unterbelichteten Negativen versagt der hybride Workflow, aber bei Überbelichtung kann man sich schon mal einen Fauxpas leisten. Mir passiert das meistens dann, wenn ich z.B. mein 35er Summilux benutze, dessen Blendenring so idiotisch leichtgängig ist, dass der sich ruckzuck verstellt, komischerweise meist nach “offen” (ich wollte das schon längst mal beim Customer Care ändern lassen, aber ich kann mich von dem Ding einfach nicht trennen). Aber auch bei sehr dunkler Umgebung und sehr hellen Spots kann man bei unreflektiert übernommener mittenbetonter Messung schnell überbelichten (was bei digitalen Sensoren sofort fatal ist). Manchmal ist es hektisch und man hat keine Gelegenheit, schnell Blende oder Zeit anzupassen. Das kann auch “größeren” passieren. Im Aphog-Blog las ich bei Kersten Glaser, dass er in einem Buch über “The Americans” von Robert Frank die Original Negative dazu sah. Einige waren sehr fehlbelichtet, erst in der Dunkelkammer waren sie hervorragend ausgearbeitet worden.
Leica M6 TTL mit 35mm Summilux, Kodak Tri-X 400. Leineweber Markt
Leica M3 mit 35mm Summilux. Probe zu “Tanz der Vampire“. Fehleinschätzung der Belichtung
Leica M6 TTL mit 35mm Summilux, Kodak TMax 400. Rathaus zu Lüneburg. Hier hat sich mal wieder der Blendenring ungewollt verstellt. Das sind ca. +4 EV Überbelichtung.
Leica M4 mit 35mm Summilux, Kodak Tri-X 400. Der Hafen von Auray. Belichtung verschätzt.
Leica M6 TTL mit 90mm Summarit. Diese Foto ist nicht mit dem ganz oben identisch. Als ich das erste (oben) entsprechend dem Belichtungsmesser der Kamera gemacht hatte, kamen mir wegen des dunklen Hintergrunds plötzlich Zweifel und ich machte 2 Blendenstufen auf. Nicht nötig, wie sich später herausstellte. Aber auch nicht schlimm.
Low-Light und Film
Bei der Empfindlichkeit der modernen Sensoren ist man mittlerweile bei schlechtem Licht sehr verwöhnt und kann kurze Belichtungszeiten realisieren, um z.B. Bewegungsunschärfe zu minimieren. Mit Film stösst man kaum in diese Sphären vor. Bei Langzeitbelichtungen ist das schnuppe, aber wenn man trotz lichtstarker Optik bei Zeiten unter 1/30s herumhängt, kann man sich scharfe Aufnahmen wohl abschminken. Im vergangenen Herbst und Winter habe ich verschiedene Optionen ausprobiert, die Einschränkungen zu kompensieren. Bei den Konzerten der Musikschule z.b. reichte das Licht immer gerade so, noch mit 400 ASA-Film und 1/60s klarzukommen. Aber wenn es darum ging, springende Pferde in der Halle des Reitvereins abzulichten, war “Ende im Gelände”, denn unter 1/500s geht da gar nichts. Besser noch kürzer, aber lässt man Auto-ISO der M10 einfach bei 1/750s gewähren, liegt man womöglich bei ISO 8000 (was natürlich bei der Kamera nicht sinnvoll ist).
Mitgezogene Aufnahmen mit Kodak Tri-X bei 1/60 bis 1/125s.
Im Frühjahr hatte ich es als “Workaround” mal mit “Panning” (mitziehen) versucht, das ging zwar, aber eine hundertprozentige Schärfe ist schon wegen der Methodik nicht möglich. Selbst wenn der Fotograf sehr gut nachverfolgt, gibt es beim Springen obendrein eine vertikale Komponente, die nicht ausgeglichen wird. Im Herbst nahm ich TMax400 und pushte ihn um 2 Blendenstufen auf einen E.I. (=Exposure Index) von 1600. Das war immer noch knapp beim belichten, ausserdem wird die Gradationskurve des Films immer steiler und die Tiefen sind noch schlechter oder gar nicht wiederherzustellen als sonst schon. Wenn man gewohnt grosszügig belichten kann, hat die steile Gradation allerdings auch ihren Reiz.
Kodak TMax 400 auf E.I. 1600 gepusht. Starker Kontrast, steile Gradation, mehr Korn.
Dazu muss man die “Tücken” des Motivs bedenken. Der gepushte Film ist gegenüber dunklen Bildanteilen sehr ungnädig. Die beiden folgenden Bilder sind mit der gleichen Belichtung gemacht, aber das mit dem braunen Springpferd ist unterbelichtet. Es wirft zu wenig Licht zurück, dagegen ist das Bild mit dem dem Schimmel o.k.
Zweimal gleich belichtet: Trotzdem ist das Foto mit dem braunen Pferd gelinde gesagt “suboptimal”. Das passiert, wenn man die Belichtung misst, bevor das dunkle Hauptmotiv als Lichtschlucker ins Bild kommt. Beim Schimmel hat es funktioniert, genug Reflektion des vorhandenen Lichts
Nebenbei: So zickig sich ein Tri-X oder TMax 400 beim pushen anstellt, “pullen” ist überhaupt kein Problem. Letztes Jahr war es auf dem Leineweber Markt so sonnig, dass ich beschloss, den TMax bei E.I. 200 zu belichten. Das ist ohne Abstriche in der Bildqualität ohne weiteres machbar, ich wette auch für E.I. 100.
Pull-Entwickelter Kodak Tri-X (E.I.200). Leica M6 mit 50mm Summicron.
Meine vorläufig beste Lösung für solche Zwecke kommt in Form des Kodak TMax P3200. Dieser Film ist wieder neu auf dem Markt (es gab ihn eine Zeit lang nicht). Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Nennempfindlichkeit liegt bei 800 ASA, das “P” steht für “Push”. Aber wenn er auf einen E.I. von 3200 gepusht wird, behält er deutlich mehr Zeichnung in den Schatten als ein um 2 Blenden gepushter 400er Film. Erkauft wird das mit ordentlich Körnung. immerhin, erste Versuche bei der Probe zum Magnifikat, auf dem Weihnachtsmarkt in Minden und beim “Weihnachtsreiten” des Vereins sind vielversprechend.
Leica M6 TTL mit 35mm oder 50mm Summilux, Kodak TMax P3200 bei E.I. 3200 belichtet
Über den TMax P3200 hatte ich auch gelesen, man solle lieber nicht über E.I. 1600 gehen, aber ich meine, der Zweck heiligt die Mittel. Ich werde diesen Film sicher noch weiter einsetzen, er nimmt Low-Light mit analoger Kamera auf jeden Fall die Schrecken.
Ich weiss, es wirkt wirklich verrückt. Mal kann ich mich voll für die digitalen Leicas begeistern, die eigentlich keine Wünsche offen lassen. Plötzlich wieder juckt es mich in den Fingern, einen Film einzulegen und mit der M4 oder IIIf loszuziehen. Mir egal, ob das irgendeine Logik in sich birgt, ich find’s jedenfalls gut, wie es ist.
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