Ein Review von Volker Brockmann
Diese SLR für Film wurde 1991 in der verbesserten S-Version vorgestellt und tatsächlich gibt es Parallelen zu Fahrzeugen aus dieser Zeit, denn auch bei den Kameras nahm der technische Fortschritt mehr oder weniger rasant Fahrt auf. In beiden Fällen wurden bewährte mechanische und elektromechanische Komponenten vermehrt durch elektronische Baugruppen ersetzt. Der Begriff Mikrocomputer war plötzlich in aller Munde und bringt uns heute eher zum Lächeln. Die F801s positionierte sich als semiprofessionelle Kamera am oberen Ende der Nikon-Skala unterhalb der robusten Profi-F4, die nur wenig mehr Funktionen, aber ein anderes Bedienkonzept bot. Technisch gesehen hatte sich die F801s schon recht weit von den noch klassisch anmutenden MF-Kameras FE2 und FA entfernt, aber noch nicht die Stufe einer F100 erreicht, die man in Handhabung und Funktionsumfang als eine „Digitalkamera für Film“ bezeichnen kann.
Mich interessierte, ob sich eine solche Kamera im Gebrauch deutlich von den klassischeren Modellen unterscheidet und welche Vorteile sie bietet. Ich hatte aber noch etwas Konkretes im Kopf und rechnete für eine Reise an die Nordsee Ende Oktober mit Schmuddelwetter. Der Plan war, beim analogen Fotografieren einen Aufhellblitz einzusetzen um die Farben mehr leuchten zu lassen. Bei meinen Kameras FE und FM2n ist das kein Vergnügen, denn beiden fehlt eine TTL-Steuerung, sodass viel Erfahrung und/oder viel Filmmaterial notwendig ist, bis das Aufhellblitzen gut funktioniert. Ans Mittelformat hatte ich keinen Gedanken verschwendet. Und immerhin galt die F801s Anfang der neunziger Jahre als Blitzgenie.
Nach ein paar Wochen lockerer Online-Suche wurde ich bei einem Händler in UK fündig, der auf geringste Gebrauchspuren und volle Funktionsfähigkeit verwies. Dazu brauchte ich noch einen Systemblitz SB-24. Der ist bei ISO 100 mit einer Leitzahl von 30 bis 50 (ja nach Reflektorstellung) recht leistungsstark. Beide Geräte erwiesen sich als nahezu neuwertig und die Investition war mit insgesamt knapp über 100 € erfreulich gering. Es ist ein klarer Vorteil, dass die produzierten Stückzahlen hoch waren und kein Sammlerinteresse besteht.
Hier einige Fotos des Kameragehäuses:
Technische Daten
Dies soll kein Zahlenfriedhof werden, aber einige Eckdaten müssen sein. Allein die Bedienungsanleitung der Nikon F 801s hat schon über 80 Seiten, die zum Blitz bringt es auf 108 Seiten und passende antiquarische Bücher gibt es auch. Wer es genauer wissen möchte, der wird dort schnell fündig.
Also: Verschluss elektronisch gesteuert, 1/8000s bis 30s. Programme M, A, S und P sowie Belichtungsmessung Matrix (besser als 5-Zonen-Messung der zweiten Generation zu beschreiben), mittenbetont-integral (gewichtet mit 75%/25%) und Spotmessung 1% . Manuelle Belichtungskorrektur um +/- 5 Blenden. Autofokus mit einem zentralen Messfeld. Blitzsynchronzeit 1/250s, TTL-Messung und Aufhellblitzfunktion. HP-Sucher mit Eignung für Brillenträger, Spannungsversorgung durch vier herkömmliche AA-Zellen und ein robustes Kunststoffgehäuse mit Aluminium-Innenleben.
Verwendbar sind ohne Einschränkung AF- und AF-D-Objektive (also ohne Antrieb im Objektiv und durch den Blendenring auch für MF-Kameras geeignet). Bei Ai- und AiS-Objektiven und manueller Fokussierung ist keine Matrixmessung möglich. Das AF-Messfeld kann auch bei MF-Objektiven als präzise Scharfstellhilfe genutzt werden. Das ist bei schwachem Licht sehr praktisch, denn der Sucher wird dann beleuchtet!
Die Abhängigkeit der Matrixmessung vom Objektivtyp gilt auch beim Blitzen. Für die Matrixmessung müssen es (AF-) Objektive mit Chip sein. Hintergrund und Umgebung werden je nach gewählter Meßart gewichtet. Der TTL-Aufhellblitz reduziert die Lichtmenge für das Hauptmotiv (-2/3 EV), damit der Blitz unauffällig wirkt und eine ausgewogene Bildwirkung entsteht. Das Aufhellblitzen funktioniert in allen Programmen, also inklusive M. Zusätzlich kann manuell kompensiert werden: an der Kamera die Grundbelichtung und am SB-24 die Blitzbelichtung.
Alles klar? Meine nicht neue Erkenntnis dazu heißt: Ausprobieren!
Der erste Eindruck
Das Gehäuse liegt gut in der Hand und ist mit etwa 700 Gramm nicht zu schwer. Durch den Griffwulst ist es angenehmer zu halten als zum Beispiel eine FM2. Der Sucher ist auch für Brillenträger sehr gut einsehbar und zeigt wie das kleine Display auf der Kameraschulter alle wichtigen Funktionen. Als Freund von Einstellrädchen hat mich das Bedienkonzept sehr positiv überrascht. Man muss nur eine der sieben Funktionstasten drücken und den Wert mit dem Daumenrad einstellen. Der motorische Filmtransport ermöglicht 3,3 Bilder pro Sekunde. Mit einem AF-D 35/2 ist der Autofokus recht schnell und leise. Kontinuierlicher Autofokus ist auch möglich und das zentrale AF-Feld reicht für mich definitiv aus. So lange sich Motive nicht schnell bewegen, wähle ich auch bei der digitalen Kamera immer nur ein Messfeld aus.
Erste Fotos mit der Nikon F801s
Als Testfilm musste ein Kodak Portra 400 (wie 250 ISO belichtet) herhalten. Die Motive aus der heimischen Umgebung wurden so gewählt, dass bestimmte Belichtungssituationen getestet werden konnten. Die Ergebnisse sind exemplarisch, aber nicht immer hübsch anzusehen. Der Einfachheit halber habe ich Kommentare direkt auf den Fotos vermerkt. Verwendet wurde ein AF-D 35/2 und ein AiS-Nikkor 105/2,5.
Die Theorie ließ es schon erahnen und die Praxis bestätigt es: ohne zu starke Kontraste und bei Rücken- oder Seitenlicht schlägt sich die Matrixmessung recht gut. In Gegenlichtsituationen geht ohne Belichtungskorrektur um +1,5 bis +2 EV wenig, wenn man keine Schattenrisse darstellen möchte. Ich lege beim Farbfilm Wert auf durchgezeichnete Schattenbereiche. Im Vergleich mit heutigen Kameras und den jüngsten Kameras für Filme sind 5 Messfelder für ein ausgewogenes Ergebnis offensichtlich zu wenig. Das mag anders aussehen, wenn sich ein Hauptmotiv relativ großflächig in der Bildmitte befindet. Meine Motive sind aber meistens andere. Diese Matrixmessung ist in Verbindung mit einem 400er C41-Film aber immerhin dafür geeignet, diejenigen Motive noch einzufangen, die bei genauerer Messung vielleicht schon verschwunden wären. Und letztlich spielt auch der persönliche Geschmack eine große Rolle.

Die mittenbetonte Messung lassen wir aus und kommen gleich zur Spotmessung.

Diese Art der Messung ist für mich eine echte Bereicherung, denn mit einer Korrektur von +2 EV für reinweiß oder -2 EV für tiefschwarz kommt man recht weit und eine Messung mit +0,7 EV auf die eigene Handinnenfläche als Graukartenersatz funktioniert auch. Bei meiner digitalen Spiegellosen nutzte ich die Spotmessung kaum.
Der Aufhellblitz bietet neue Möglichkeiten.
Von ganz ordentlich bis unbrauchbar war alles dabei. Allerdings sind alle Fotos Einzelaufnahmen im ersten Versuch. Mit einer kleinen Belichtungsreihe ist eine Menge machbar. Sinngemäß gilt auch hier das zur Matrixmessung Angemerkte. Der Aufhellblitz arbeitet bei flächigen Motiven eindeutig verlässlicher. Das Motiv mit dem Apfelbaum ist aber auch digital nicht ganz einfach zu knacken: Die Sonne steht in einer entfernten Baumkrone, die wie die Äpfel noch scharf abgebildet werden sollte und der Motivkontrast war sehr hoch.
Die Reise zur Nordsee
„Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt“. Das mit dem Schmuddelwetter war eine erfreuliche Fehleinschätzung. An vielen Tagen freute ich mich über intensiven Sonnenschein. Weniger freute ich mich über meine Filmauswahl: nur Portra 800! Ohne den schnellen Verschluss der Kamera wäre der Graufilter garantiert mein bester Freund geworden. Diesen Film kannte ich bisher nur als 120er Rollfilm und war sehr zufrieden damit. Dass die Emulsion sich auch ohne Pusch für eine Belichtung auf ISO 1600 geeignet war mir bekannt und dass die Grenzen für die Überbelichtung sehr weit gesteckt sein sollen, hatte ich auch gehört. Bei harten Gegenlichtsituationen waren tatsächlich kaum Farbverschiebungen feststellbar. Ich belichte im Normalfall wie ISO 640 und empfinde die Farbsättigung dann als passend und etwas kräftiger als beim Portra 400. Auch das im Kleinbildformat deutlich sichtbare Korn gefällt mir gut. Der 800er ist eine gute Wahl, wenn man nicht weiß, welche Lichtverhältnisse einen erwarten.
Ein Teil des ursprünglichen Plans ging trotzdem auf, denn es gab auch verhangene Tage mit Regen und Aufhellblitz. Das Weiß strahlte und die Farben wurden betont. Leider hatte ich einen aufsteckbaren Bouncer vergessen …
Um das Portra-Thema abzurunden noch ein weiteres Foto mit harten Kontrasten, aber aus dem heimatlichen Ostwestfalen:

Und das H-Kennzeichen für die F801s?
Aus meiner Sicht ist sie dafür reif: ein Youngtimer mit starken Funktionen, aber auch mit klaren Grenzen im Vergleich zu den jüngsten Kameras für Film. Wenn man damit umgehen möchte kann diese Kamera ein starkes und sehr preiswertes Werkzeug sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Einsteiger oder Umsteiger, der bisher nur die digitale Seite kennt, schnell Gefallen daran findet und ohne große Umwege gute Ergebnisse erzielt.
Ich bin erstaunt, wie gerne ich die Kamera benutze, weil manches schneller und einfacher geht als bei den Klassikern. Mein Lieblingsmodus ist eindeutig M in Verbindung mit der Spotmessung – und gelegentlich auch mit dem Handbelichtungsmesser. Und durch die mögliche manuelle Korrektur kann ich auch mit dem Aufhellblitz gut leben.
Die Nikon wird definitiv nicht in der Vitrine landen, sondern auch künftig viel benutzt werden.
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