Von Jonathan Slack

Warum habe ich mich auf den ersten Blick in die neue Leica M6 verliebt? Abgesehen von der unbestreitbaren Tatsache, dass sie wunderschön anzusehen ist, bekräftigt die neue Kamera Leicas Votum zur Filmfotografie. Leica bekennt sich zu seiner Vergangenheit, indem ein klassisches Design mit modernsten Fertigungstechniken neu aufgelegt wird. Doch zunächst einige Hintergrundinformationen.

Ein wenig Geschichte

Leitz produzierte die M5 im Jahr 1971 zu einer Zeit, als der Absatz von Messsuchern durch den aufkeimenden SLR-Markt bedroht war. Es war ein kühner Schritt, mit vielen Fortschritten gegenüber der M4, die 1967 auf den Markt gekommen war. Die vielleicht offensichtlichste Fortentwicklung war die TTL-Belichtungsmessung durch das Objektiv und ein großes Einstellrad für die Verschlusszeit, das die obere Platte überragte.

Aber die Kamera war größer als ihre Vorgängerinnen, und das gefiel den Benutzern nicht. Auch die vertikalen Riemenösen an einer Seite des Gehäuses wurden ungnädig aufgenommen. Die Verkaufszahlen waren enttäuschend, und die Herstellung wurde 1975 eingestellt. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde Leitz die Produktion von Messsucherkameras ganz aufgeben.

Leica M6

Eine traurige Geschichte, vor allem weil die M5 eine visionäre Kamera war. Ich kenne mehrere Leica-Benutzer, die überzeugt sind, dass sie die beste Film-M von allen war.

Walter Kluck, dem Geschäftsführer von Leitz Canada, gelang es, Leitz Deutschland davon zu überzeugen, eine neue M4 mit niedrigeren Produktionskosten herzustellen. Etwa hundert Stück wurden in Wetzlar hergestellt, und dann wurde die Produktion nach Midland in Ontario, Kanada, verlegt. Die M4-2 war geboren und wurde nur ein paar Jahre lang produziert, aber sie bewies Leica die Überlebensfähigkeit des Messsuchers. Sie wurde 1981 von der M4-P abgelöst, der ersten Kamera, die die Rahmenlinien 28/90, 50/75 und 35/135 miteinander verband. Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Kameras in Kanada hergestellt.

Die Geburt der M6

1984 wurde die Produktion wieder nach Wetzlar verlegt, und die M6 war geboren. Sie war im Grunde eine M4-P mit einem neuen TTL-Belichtungsmesssystem, das von einem grauen Punkt in der Mitte des Stoffverschlusses abliest. Diese Idee war einfach und elegant und funktionierte sehr gut, und die Kamera wurde ein echter Erfolg. Sie wurde bis 1998 produziert, als die M6TTL (mit Blitzbelichtungsmessung durch das Objektiv) herauskam. Die M6TTL war ein paar Millimeter höher als die M6, die fürderhin als M6 Klassik bezeichnet wurde.

Die M6 wurde anfangs in Wetzlar hergestellt und trug den roten Punkt mit der Aufschrift „Leitz“. Im Jahr 1986 wurde die Produktion nach Solms verlegt und das Logo in „Leica“ geändert.

Die Fertigung und Ausführung der M6 ähnelte den vereinfachten Werten der M4-2, jedoch mit einer leichteren und billigeren Deckplatte aus Zinkguss (die Deck- und Bodenplatte der M4-2 waren aus Messing und wurden ähnlich wie bei den vorherigen M-Kameras im Tiefziehverfahren hergestellt).

Nach der M6 TTL kam die M7 mit Blendenpriorität, und 2003 brachte Leica die MP heraus. Die MP war im Grunde eine Leica M6 Klassik, aber mit den Fertigungswerten, der Rückspulkurbel und dem Transporthebel der M3. Sie hat eine gefräste Messingdeckkappe und -Bodenplatte und einen verbesserten Belichtungsmesser mit einem zentralen Punkt. Sie wird heute noch produziert.

Die überarbeitete M6

Bei der Verleihung des Oskar-Barnack-Preises am 20. Oktober 2022 kündigte Leica eine Neuauflage der Leica M6 an, zusammen mit der Neuauflage des ursprünglichen 35-mm-Summilux.

Vorab: Ich habe diese Kamera nicht getestet. Es gibt nicht so viel Bedarf, eine Filmkamera zu testen, also habe ich auch keine zugeschickt bekommen. Ich fand die Idee großartig, kannte aber nicht alle Details, bis ich im Oktober zum LSI-Meeting nach Dublin kam, wo Stefan Daniel die neue Kamera mit dem 35 Summilux V1 dabei hatte.

Ich hatte mich Hals über Kopf in die Kamera verliebt, und sobald ich wieder zu Hause war, bestellte ich eine. Das Angebot war knapp und ich musste warten, bis ich an der Reihe war. Ich erhielt meine eigene „neue“ Leica M6 gerade noch rechtzeitig zu Weihnachten.

Daher ist dieser Artikel kein Testbericht im eigentlichen Sinne (ich habe gerade erst entdeckt, dass man die Batterie auf dieselbe Weise „schnell“ entleeren kann wie bei der ursprünglichen M6). Ich habe jedoch einige Nachforschungen angestellt (auch bei Leica), so dass ich hoffe, einige Informationen zur neuen Leica M6 geben zu können.

Leica M6

Das Gehäuse

Oberflächlich betrachtet ist die Kamera eine Replik der M6 von 1984, komplett mit dem roten Leitz-Punkt und der Gravur auf der oberen Platte.

Auch das Einstellrad für die Verschlusszeit ist genau wie bei der Original-Kamera (kleiner und deht in die andere Richtung als bei der M6TTL und M7). Es ist nützlich zu wissen, dass das Umschalten der Verschlusszeit auf ‚B‘ auch den Belichtungsmesser ausschaltet. Meine erste Batterie war nach ein paar Tagen leer, ohne dass ich das gemerkt habe. Ich neige dazu, den Verschluss nach dem Fotografieren wieder zu spannen. Wenn man sie dann in die Tasche steckt, ragt der Auslöser hervor und aktiviert ständig den Belichtungsmesser, es sei denn, man stellt die Verschlusszeit auf ‚B‘. Der Trost ist, dass LR44-Batterien sehr billig und leicht zu finden sind.

Genau wie die ursprüngliche M6 arbeitet die neue Leica M6 rein mechanisch, wobei alle Verschlusszeiten ohne Batterie funktionieren (nur der Belichtungsmesser tut’s nicht ohne Strom).

Die ursprüngliche Kamera hatte eine Deckplatte aus Zinkdruckguss und eine Bodenplatte aus Messing, aber die neue Kamera ist wie die MP aus einem massiven Messingblock gefräst. Das bedeutet, dass das neue Gehäuse mit 575 g ein wenig mehr wiegt als die M6 Klassik.

Die Lackierung der neuen M6 ist ganz anders (als bei der Original-M6). Leica verwendet eine glänzendere Version der schwarzen Farbe der M11 (die unglaublich haltbar ist). Ein schönes Finish, und obwohl sie sich am Ende abnutzen wird, vermute ich, dass es viele Jahre dauern könnte, bis das erste Messing zu sehen ist. Die Belederung ist identisch wie bei der M11.

Leica M6

Das Gehäuse der neuen Leica M6 sieht fantastisch aus und fühlt sich auch so an, unglaublich solide und gut verarbeitet.

Der Sucher

Die neue Leica M6 hat die neueste Version des 0,72-Entfernungsmessers. Soweit ich sehen kann, ist dieser identisch mit dem Entfernungsmesser der M11 (und nicht der MP), mit leicht abgerundeten Enden an den Rahmenlinien und auch am Messfeld selbst. Dies steht im Gegensatz zur MP (und zur M10), bei der sowohl die Rahmenlinien als auch das Messfeld eckige Kanten haben.

Die Lichter für die TTL-Belichtungsmessung der neuen M6 unterscheiden sich von den vorherigen M-Kameras. Im Gegensatz zur ursprünglichen Klassik M6 hat sie einen Punkt zur Bestätigung der korrekten Belichtung zwischen den > und < Symbolen, aber anders als bei der MP sind die <> Symbole leicht abgerundet.

Herstellung und Langlebigkeit

Im Gegensatz zu allen anderen großen Unternehmen hat Leica nie aufgehört, Filmkameras herzustellen. Die MP wird bald zwanzig Jahre produziert, und die (rein mechanische) M-A seit fast zehn Jahren. Darüber hinaus hat Leica viele ältere Kameras restauriert und repariert, solange noch Teile verfügbar waren. Rein mechanische Kameras sind nicht so problematisch, da sie keine elektronischen Komponenten haben und Leica immer noch über die Maschinen und Fähigkeiten verfügt, Ersatzteile herzustellen.

Einige der weniger alten Kameras können jedoch nicht mehr repariert werden. Zum Beispiel hat Leica schon länger keine Möglichkeit mehr, die M5 oder die Belichtungsmessung der M6 Klassik zu reparieren.

Mit der Entwicklung der neuen Leica M6 hat das Unternehmen daher die Gelegenheit genutzt, seine Lieferkette zu erneuern. Mehr als das: Die sorgfältige Konstruktion und das Redesign vieler Teile soll im Endeffekt die Fertigung für die M-A und MP beschleunigen und Leica erlauben, alle Baugruppen der M6 Klassik wieder zu reparieren und zu restaurieren. Dies sollte auch die Elektronik und den Belichtungsmesser einschließen, auch wenn der nun den mittleren Punkt der neuen M6 haben wird.

Fazit

Leica bekennt sich damit erneut zur Filmfotografie, während alle anderen Hersteller diese aufgegeben haben. Darüber hinaus ist die gesamte Klassik-Serie ein Bekenntnis von Leica zu seiner Vergangenheit und die Neuauflage ikonischer Designs mit modernster Fertigung und Präzision.

Die neue Leica M6 ist eine wunderbare Kamera, die mit der Absicht hergestellt wurde, die Tugenden der ursprünglichen Kamera zu maximieren. Allerdings ohne die Einschränkungen, die Leitz in den frühen 1980er Jahren sicherlich machen musste. Gehäuse, Belichtungsmesser und der Sucher wurden entscheidend verbessert. Dabei steht nichts von alledem im Gegensatz zum Anspruch der ursprünglichen Kamera.

Übersetzung ins Deutsche von Claus Sassenberg

Originalartikel auf Macfilos

Jonathan’s Webseite

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