Zur Übersetzung: Bitte zu berücksichtigen, dass die Zitate aus dem Vortrag von Stefan Daniel aus dem Englischen ins Deutsche „zurückübersetzt“ wurden, die Wortwahl also nicht zwangsläufig identisch ist mit dem, wie er sich in Deutsch geäußert hätte. Ich hatte ihm den Text allerdings zur „Absegnung“ zugeschickt. Hierbei kann ich nur wieder hervorheben, dass er sich innerhalb eines halben Tages die Mühe machte, mir Feedback für kleine Änderungen und Präzisierungen hier und da zu geben. Solange es Menschen wie ihn bei der Leica Camera AG gibt, bleibe ich Loyalist. Anmerkung des Übersetzers Claus Sassenberg

Zusammenfassung eines Q+A Vortrags vor Mitgliedern der Leica Society International

Von Mike Evans

In einer Rede vor Mitgliedern der Leica Society International in Dublin am 14. Oktober räumte Stefan Daniel (Executive Vice President Technology and Operations bei Leica) ein, dass CL/TL Kunden unglücklich über den Ausstieg des Unternehmens aus dem APS-C-Bereich und das Ende der CL waren.

LSI
Stefan Daniel bei seinem Vortrag

Er sagte, dass er sich deswegen etwas schuldig fühle, bestätigte aber, dass die Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen getroffen worden musste. Das APS-C Segement sei sehr preissensitiv, es gebe viele alternative APS-C-Angebote von anderen Unternehmen, und es gebe einfach nicht genug Käufer für das CL-System, um eine weitere Entwicklung zu rechtfertigen.

Auf die Frage, ob der Rückzug der APS-C-Linie bedeute, dass die Q2 nun der Einstiegspunkt für Leica-Käufer bleibe, antwortete er, dass die Q2 nun die Einstiegsbarriere sehr hoch setze und Leica  sich des Fehlens eines günstigeren Einstiegspunktes bewusst sei. Er sagte, Leica arbeite an anderen Strategien, aber es sei noch zu früh, um etwas zu sagen.

Am anderen Ende der Preisskala erwähnte er die spiegellose Mittelformatkamera, die für die Produktion vorgesehen ist: „Es wird nicht nächstes Jahr sein, und wahrscheinlich auch nicht 2024, aber sie könnte 2025 kommen“.

Auf die Frage nach den Verzögerungen bei der Objektivproduktion ging er auf die Besorgnis über die langsame Auslieferung des APO-Summicron 35mm f/2 ASPH ein, was zu großer Frustration führt. Er erklärte, dass es äußerst schwierig sei, ein Objektiv dieser hohen Qualität in einer so kleinen Größe zu produzieren.

Das Werk habe jedoch eine neue Methode zur Herstellung asphärischer Elemente eingeführt, die dazu beitrage, Verzögerungen zu verringern. Die neue Anlage sei die modernste außerhalb Japans. Zur allgemeinen Frage der Produktion von M-Objektiven bestätigte er, dass die Nahfokussierung zu gegebener Zeit auf weitere Objektive der Reihe ausgedehnt werden würde.

Er ging auf die langen Reparaturzeiten für analoge Kameras und Objektive ein. Filmkameras erfordern hochqualifizierte Techniker, und die Einstellung und Ausbildung von Fachkräften geht nur langsam voran, aber er hofft, dass es bald Verbesserungen geben wird.

Stefan erwähnte die Aussicht auf eine neue Filmkamera und sagte, dass dies „nicht so sehr ein Mythos“ sei. Genaueres konnte er nicht sagen, aber die meisten Zuhörer wussten bereits, dass es im Laufe der Woche Neuigkeiten zu diesem Thema geben würde.

Den Brot-und-Butter-Messsucher betreffend, erklärte Stefan, dass die Entscheidung, die M11 neu zu gestalten, nicht zuletzt die Entfernung der Bodenplatte, nicht leichtfertig getroffen wurde. Leica weiß, wie wichtig es ist, am traditionellen M-Format festzuhalten: „Wir wollen keine weitere M5“.

Er freute sich, dass die Änderungen an der M11 von den Kunden so gut aufgenommen wurden. Zur Frage der In-Body-Stabilisierung erklärte er, dass diese wünschenswerte Verbesserung derzeit nicht möglich ist, ohne die Größe der Kamera zu erhöhen. Nachdem in den letzten 12 Jahren sowohl die Größe als auch das Gewicht der M schrittweise reduziert wurde, wäre ein zurückdrehen der Uhr „gegen alles, was wir angestrebt haben“.

Er machte jedoch Hoffnung für die Zukunft. Alles hängt davon ab, dass ein geeigneter Sensor zur Verfügung steht, mit dem die Stabilisierung ohne physische Veränderungen am Gehäuse möglich ist. Derzeit gibt es keinen solchen Sensor, aber er könnte in Zukunft verfügbar sein. Im Zusammenhang mit der Stabilisierung ging er auch auf den steigenden Energiebedarf neuer Funktionen ein.

Schon jetzt führe eine höhere Pixeldichte und schnelle Bildverarbeitung zu einem höheren Stromverbrauch, und die Akkuleistung sei in Zukunft ein wichtiger Faktor, zumal der Platz im Gehäuse der M so begrenzt sei.

Die viel diskutierte M mit EVF stieß bei den anwesenden LSI-Mitgliedern unweigerlich auf großes Interesse. Das Thema war bereits vor vier Jahren bei der LSI-Tagung in Wetzlar aufgeworfen worden, als der Ruf nach einem Hybrid-Sucher laut wurde, und es ist seitdem ein heißes Thema geblieben.

Stefan versicherte den LSI-Mitgliedern, dass das Werk umfangreiche Versuche mit einem Hybridsystem durchgeführt habe, das sowohl Messsucher als auch EVF kombiniert. Man sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass das Ergebnis das Schlechteste aus beiden Welten wäre und die Fans des Messsuchers verärgern könnte. Daher wurde das Projekt auf Eis gelegt.

Die Alternative bestand darin, eine Kamera mit einem EVF anstelle des Messsuchers zu bauen. Obwohl dies aus technischer Sicht möglich war, sagte Stefan, dass er kein großer Fan dieser Idee sei, da er der Meinung sei, dass die M in ihrer reinen Form bleiben sollte. Schließlich stehe das M für Messsucher, und das werde immer das Markenzeichen der Reihe bleiben.

Mehrere Zuhörer wiesen darauf hin, dass sie zwar die geringe Größe und das geringe Gewicht der M bevorzugten – was die kleine M-Optik ideal ergänze -, dass sie aber aufgrund von Sehschwierigkeiten Probleme hätten, mit dem Messsucher zu arbeiten.

Die Aussicht auf eine leichte spiegellose Kamera mit nativem M-Anschluss wäre attraktiv. Und, wie jemand anderes anmerkte, würde ein M-Gehäuse mit eingebautem EVF anstelle des Messsuchers wahrscheinlich sogar von Messsucher-Fans als Zweitkamera begrüßt werden.

Daraufhin überraschte Stefan das Publikum mit der Aussage, dass Leica bei ausreichender Nachfrage die Produktion einer M mit EVF in Betracht ziehen würde. Auf die Frage, wie viele Exemplare sie verkaufen müssten, um eine solche Entscheidung zu treffen, schätzte er „ein paar Tausend“. Diese Nachricht kam gut an, und nach einem Handzeichen stimmte der LSI zu, die Mitglieder zu befragen, ob sie daran interessiert wären, ein M-Gehäuse mit EVF zu kaufen, ohne auf die bewährte Messsucherkamera zu verzichten.

LSI
Mike Evans von Macfilos im Gespräch mit Stefan Daniel

Auf die Frage, wann die Q3 vorgestellt würde, konnte Stefan keine Vorhersage machen. Als jedoch ein Delegierter die Aussicht auf eine Q mit einem längeren Objektiv ansprach – 50 mm wurden in Foren diskutiert – lächelte Stefan rätselhaft und sagte, dass dies eine Frage sei, die oft gestellt worden sei. Aber er konnte nicht kategorisch nein sagen. Das hat mich etwas überrascht. Während ich vor dem Treffen gesagt hätte, dass die Q immer eine 28-mm-Kamera bleiben würde, habe ich jetzt das Gefühl, dass es zumindest eine Möglichkeit für eine 50-mm-Version gibt.

In meinem Gespräch mit Stefan nach dem Vortrag sprach ich über die Zusammenarbeit mit Panasonic und die Aussichten für zukünftige Kameras, insbesondere die SL3. Er sagte, dass die Vereinbarung über die technische Zusammenarbeit, L² genannt, zwischen Leica und Panasonic gut funktioniere und stimmte zu, dass es nicht mehr sinnvoll sei, dass die beiden Unternehmen bei der Kameraentwicklung völlig unabhängig voneinander arbeiten. Wird die nächste SL leichter oder kleiner sein als die aktuelle SL2? Er sagte, eine gewisse Verkleinerung sei möglich, aber die Änderungen würden nicht dramatisch sein. Natürlich gab es auch hier keinen Hinweis auf einen Zeitplan für die Ankunft der SL3.

Wir alle schätzten die Gelegenheit, Stefan Daniel zu treffen und ihn über die Entwicklungen bei Leica zu befragen. Wie William Fagan nach der Konferenz sagte, kann er sich keine andere Marke vorstellen, bei der die Top-Leute so zugänglich und bereit sind, sich einer Frage-und-Antwort-Runde wie dieser zu stellen.

Hier der Original-Artikel auf Macfilos

7 Kommentare

  1. Pingback:Leica überläßt APS-C Fuji und Sony – lenstrip.de

  2. Lieber Dirk,

    Wie Stefan Daniel sagte, gibt es bei der M-Kamera eine definitive Begrenzung der Batteriegröße. Aber neue Technologien erfordern immer größere Leistungsanforderungen, und das muss ein Problem für die Zukunft schaffen. Aber es scheint mir, dass ein eingebauter EVF nicht mehr Leistung erfordern würde als der vorhandene Visoflex-2. Andererseits ist die M11 ohne EVF und Liveview bekanntlich für 1.000 Bilder gut. Wir befinden uns also noch nicht im Gefahrenbereich. Noch nicht aber…

    Mike

  3. Ich stelle an dieser Stelle einfach mal ne kühne Behauptung auf: Es gibt keine technische Notwendigkeit den Verschluss der M11 so zu konstruieren, wie er sich jetzt in der Kamera vorfindet.

    Es sei denn…man hatte die M11 bereits als M Kamera mit EVF geplant und dann kalte Füße bekommen und sich für die jetzige Version entschieden oder es wird in Zukunft eine M mit EVF erscheinen. Die technischen Voraussetzungen sind bereits da.

    Lassen wir uns überraschen.

    Grüße

    Andy

    • Claus Sassenberg

      Hmmm… soll ich dir was sagen, Andy? Das ist gar nicht soweit hergeholt und würde manches erklären.

      Grüße, Claus

  4. Lieber Claus,
    vielen Dank für Deine Mühen bei der Übersetzung.
    Jaaa, eine Q mit 50mm, das wünschten wir uns auch. Die M mit einem EVF, wäre prinzipiell eine SL2 mit einem M-Bajonett und ohne AF, oder sehe ich das falsch.
    Für alle Fotografierenden mit altersbedingt abnehmender Sehkraft könnte das ein toller Kompromiß sein.

    Viele Grüße
    Claudia und Dirk

    • Lieber Dirk, meiner Meinung nach ist ein angepasster SL nicht das, was Stefan Daniel im Sinn hatte. Wenn diese Kamera jemals produziert wird, wird es eine normale M in Größe und Form sein, aber mit dem EVF anstelle des Messsuchers. Daher eine kleine spiegellose Kamera für kleine manuelle Objektive, die ich für gelungen halte.

      • Lieber Mike,
        so hatte ich das gemeint, von der Gehäuse-Größe her. Da bleibt bei mir die Frage, wie groß der Akku sein darf, damit die Kamera sinnvoll zu verwenden ist.
        Viele Grüße
        Dirk

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