Rite of Passage für die Leica Q3

Ich schwöre, ich wollte eigentlich gar nicht hinfahren. Obwohl das ablichten der Lasershow „Der Hermann leuchtet“ immer ein Benchmark für die Performance einer Kamera ist. Bisher hatte ich jedesmal eine andere am Start, bis hin zu analogem Mittelformat mit der Hasselblad 501c. Jetzt war eigentlich die Leica Q3 dran, aber ich dachte bei mir: Was soll jetzt soviel anders sein als z.B. bei der Q2 oder zuletzt bei der M11 (die einen sehr ähnlichen Sensor hat)? Aber da gibt es was zu ergänzen, wie ich lernte.

Leica Q3
Man sammelt sich zur blauen Stunde im Nieselregen… Leica Q3 f/1.7 1/50s ISO 320

Am Freitag war der einzige Tag, an dem ich für diese Aktion Zeit hatte und ich war nicht recht motiviert. Tatsächlich war der Wetterbericht ausschlaggebend dafür, dass ich mich in Bewegung setzte. Der war nämlich unterirdisch! Grottenschlecht, fies, naß, neblig und windig war vorhergesagt. Und genau das war’s, was die Leica Q3 noch zeigen konnte: Wie sie sich unter solchen widrigen Bedingungen handhaben lässt.

Das Wetter…

Als ich im Nieselregen gegen 18.30 Uhr dort ankam, sammelten sich trotzdem einige tapfere Besucher, wild entschlossen, den Elementen zu trotzen. Und weiß Gott, die Elemente hatten später deutlich mehr im Repertoire als das bisschen Niesel. Hin und wieder hüllte sich der bronzene Schwertfuchtler in tiefhängende Wolken. Man könnte meinen, wir wären auf dem Großglockner statt dem Teutoburger Wald mit popeligen 400 Höhenmetern.

Um die Hände frei zu haben, verzichtete ich auf einen Schirm (Standardausrüstung an dem Abend), aber ein regendichtes Käppi (Kapuzen nerven mich) und eine ordentliche Jacke hielten mich trocken genug. Kurz vor der Show suchte ich mir eine passende Position, die dem Bildausschnitt des 28mm Summilux entgegenkam. Das war nicht langweilig, weil die Techniker nach und nach die Laser auf Funktion durchcheckten und daher schon einige gute Lichteffekte zustande kamen. Das Wetter hingegen wurde so richtig mies. Windböen trieben die Wolken stoßweise über das Denkmal und der Regen drehte so richtig auf, um eigentlich die nächsten zwei Stunden kaum nachzulassen.

Etwas fehlt

Die Umstehenden hatten sich alle sehr rücksichtsvoll „auf Lücke“ positioniert und das ging, weil es natürlich nicht so brechend voll war wie sonst. Als ich mich so umsah, merkte ich, dass was fehlt. Nämlich der Wald von Stativen und Kameras, der sonst da ist. Keine einzige High-End Kamera in Sicht (oder überhaupt eine Kamera, es gab nur Handys). Es ist ja nicht so, dass viele andere Geräte nicht auch ausreichend wetterfest sind, aber anscheinend fand keiner meiner Mit-Foto-Enthusiasten das Wetter geeignet. Unter dem Aspekt stellte ich mir kurz die Frage, ob es wirklich klug war, die Leica Q3 dem auszusetzen oder ob ich mir wahlweise mal den Kopf untersuchen lassen sollte, ob ich sie noch alle habe.

Kalt und Nass

Die Kamera war schon länger klatschnass. Ich hatte die Gegenlichtblende vor dem Objektiv und die schützte die Frontlinse (vor der natürlich ein klarer Filter ist) zumindest vor dem, was direkt vertikal herunter kam. Der Wind von vorne trieb ständig Regentropfen vor die Linse und ab und zu wischte ich die mit einem Baumwolltuch trocken. Bei 5° C, Wind und Regen waren meine Finger nach einiger Zeit klamm und fast gefühllos, trotzdem konnte ich die notwendigen Kontrollen der Kamera bedienen. Ich stellte während der Show die Belichtungsparameter immer mal anders ein, um zu sehen, wie sich die Kamera verhält. Der Touchscreen funktionierte auch nass, wie er war, nur der Augensensor musste ab und zu mal trocken gewischt werden, weil die Kamera nicht immer von Sucher auf Monitor umschaltete, wenn man sie vom Auge nahm.

Belichtung

Ich probierte Vollautomatik (also Auto-ISO, Blenden-und Zeitautomatik). Sowas fühlt sich für mich an, als ob ich das Steuerrad des Autos loslasse, zu wenig Kontrolle. Immerhin funktionierte es, die Bilder waren ok. Ich stieg trotzdem lieber auf die bevorzugte Blendenpriorität um. Leicatypisch lässt selbst bei f/1.7 das Summilux nichts zu wünschen übrig, obwohl ich auch mal auf f/2 oder f/4 abblendete, weil die höheren ISO-Werte mich nicht störten. Eigentlich liess ich die Blende meist ganz offen. Ich schaltete Schritt für Schritt alle Automatiken ab. Das Zeitenrad stellte ich auf 1/30, dann 1/15, probierte dann 1/8 Sekunde und stellte fest, dass die Bildstabilisierung selbst da noch ausreichte. Zuletzt ging ich von Auto-ISO weg zu festen Werten (400, 800, 1600). Voll manuell ist eigentlich für so eine Show am besten, man muss nur erst die optimalen Belichtungswerte finden. Im Beitrag zur M11 beim Hermann habe ich mehr über die verschiedenen Belichtungs-Strategien geschrieben.

Leica Q3
Der Hermann mal von vorn. f/1.7 1/50s ISO 2000

Autofokus: Top of the line bei den Q-Kameras

Ich wollte sogar manuell fokussieren, weil ich bei der Q2 die Erfahrung gemacht hatte, dass der Autofokus bei dem schnell wechselnden Laserlicht anfängt, hin und her zu jagen. Der Autofokus der Leica Q3 hatte dieses Problem nicht, sondern suchte sich zuverlässig blitzschnell den Ort, auf den ich zielte (ich habe fast immer „Feld“ eingestellt). Ich fotografierte „single shot“, aber eigentlich wäre für so eine Gelegenheit auch eine der Serienbild-Einstellungen denkbar. Ich wollte allerdings nicht so viele Bilder erzeugen, die ich hinterher mühsam aussortieren muss. Bis 4 Bilder/Sekunde wird für jedes Bild fokussiert und Belichtungswerte eingestellt. Das habe ich neulich bei einem Reitturnier gecheckt, funktioniert. Ebenso der automatische Weissabgleich, der sich von dem bunten Spektakel nicht irritieren liess. Da war keine nachträgliche Korrektur nötig.

Schlusswort

Hermann im Rotlichtmilieu. f/1.7 1/50s ISO 1600

Hat die Kamera „performt“? Auf jeden Fall, wenn man sich mal die Bedingungen wirklich klar macht, unter denen die Bilder entstanden sind. Dass die Kamera was sieht, ist ja schon mal schön, aber auch ich musste erst mal die Kontrollen im Dunkeln und bei Nässe (und gefühllosen Fingern) bedienen, damit auch das richtige dabei herauskam. Das geht mit der Kamera, weil man einen Blendenring und ein Zeitenrad hat, die sich auch mit klammen Fingern bedienen lassen und Knöpfe derart überschaubar sind, dass man sie ohne weiteres findet, wenn man eine grobe Vorstellung vom Layout hat. Der nasse Touchscreen funktioniert und der Sucher ist auch mit regennasser Brille erstklassig einzusehen. Ich war bis 21.00 Uhr da, dass heisst: Über zwei Stunden war die Kamera ungeschützt im strömenden Regen im Einsatz. Im Skiurlaub hat sie bei starkem Schneefall auch schon einiges mitgemacht, aber nicht in dem Ausmass. Leica gibt an, dass die Q3 nach DIN EN 60529 unter IP52 klassifiziert wetterfest ist. Verständlicherweise will keiner das zu sehr ausreizen (vor allem nicht Reviewer, die die Kamera nur leihen), da keine absolute Wasserdichtigkeit gewährleistet ist und dies zudem im Lauf der Zeit abnimmt. Dieser „Selbstversuch“ zeigt zumindest, dass bei einer relativ neuen Kamera ziemlich Luft nach oben ist.

Irgendwie höllische Farben. f/1.7 1/80s ISO 1600

Da man ja nie weiss, was kommt, hatte ich die M11-P und die M6 auch mitgenommen, nebst Stativ. Die hatte ich wohlweislich gleich im Auto gelassen, hätte sie aber mühelos holen können. Und hätte ich die Willenskraft aufgebracht, wäre vielleicht sogar etwas dabei herausgekommen (die M6 etwas mehr vor dem Regen geschützt), aber ich hatte echt genug. Wie es im Bach-Choral heisst: „Gib dich zufrieden und sei stille“ (BWV 511). Es reichte, ab nach Hause.

Der Trek nach Hause. f/1.7 1/25s ISO 800

 

9 Kommentare

  1. Jörg-Peter

    Lieber Claus,

    wie jedes Jahr ein beeindruckender Bericht, der sogar das sonst doch eher gewalttätige Denkmal in ganz gutem Licht erscheinen lässt. Danke wie immer fürs Teilen Deiner Erfahrungen und Erlebnisse. Und ja: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich nehme für solche Einsätze bei Nässe und Schmutz gerne meine gute Olympus OM-D E-M1. Dank neuer Entrauschungs-Algorithmen in Lightroom hat die ihren Schrecken jenseits von ISO 1600 verloren. Der ausgezeichnete Stabi hilft, und im schlimmsten Fall kann man sie anschließend mit unter die Dusche nehmen (nicht ganz, aber in Sachen Wetter- und Staubschutz sind die Olympus/OM-Kameras nach meiner Erfahrung immer noch allererste Liga).

    Viele Grüße, Jörg-Peter

  2. Hallo Claus.
    Endlich mal Regenaufnahmen. So selten und so faszinierend. Die Farben und Konturen sind so klar. Ich selbst habe mal in strömenden Regen mit der SL fotografiert- auch ohne Probleme. Dank guter Windrichtung und großer Sonnenblende blieb die Linse trocken. Aber selbst mit der analogen M bei Nieselregen gab es auch keine Probleme. Wurde direkt trocken gewischt. Bin aber immer mal wieder versucht, ein Gehäuse zu holen und bei strömenden Regen monochrom in der Stadt zu fotografieren.
    Deine Bilder mit den grünen Probelasern und der Silhouette mit den Regenschirm sind genial und machen genau darauf Lust. Vielen Dank, dass Du Dich nicht hast schrecken lassen.
    Lieber Gruß aus einer Gegend, die mal wieder mehr Sonne gebrauchen könnte:-)

  3. So so, die Q3 geht also unter Wasser ohne extra Gehäuse.
    Du bist echt mutig und es hat funktioniert. Bei mir ist auf diese Weise bei einer Nikon die Hauptplatine abgeraucht.
    Auf jeden Fall solltest du jedes Jahr zum Schwertfuchtler fahren. Die Bilder sind einfach nur schön.

    Viele Grüße
    Dirk

    • Claus Sassenberg

      Danke!

      Freue mich schon auf deinen Bericht zum Orestor 135! Habe deinen Teaser bekommen, man darf gespannt sein.

      Viele Grüße,

      Claus

  4. Hallo Claus!

    Freue ich jedes Mal über Deine wiederkehrenden Berichte vom „Hermann“. Die Ergebnisse sind immer wieder beeindruckend, die Allwetterfähigkeiten der Q3 auch. Obwohl ich nach wie vor großer Fan der Erstausgabe der Q bin, waren gerade die fehlende Wetterresistenz ein Grund mich letztendlich von ihr zu trennen.

    Die Kamera musste auf Reisen vom Polarkreis bis in den asiatischen Dschungel viel ertragen und wurde auch sicher nicht geschont, aber über die Jahre wurde die Kamera anscheinend immer anfälliger für die Elemente die auf sie einwirkten. Ein regelmäßig verschmutzter Sensor war die Folge. Während sich Leica anfangs noch sehr kulant zeigte und die Reinigung kostenfrei übernahm, wurden dann zum Ende 350€ fällig. Von der Wartezeit ganz zu schweigen.

    Mittlerweile bin ich auf die Leica Q2 umgestiegen, die ja auch nach IP-52 zertifiziert ist. Glücklicherweise bin ich trotz Einsatz bei schlechten Bedingungen, die eigentlich weit über die Zertifizierung hinausgehen, von jeglichem Unheil verschont geblieben. Hoffentlich stellt sich die Q3 auf Dauer auch als ähnlich robust heraus, aber da habe ich wenig Zweifel.

    Grüße

    Andy

    • Claus Sassenberg

      Hallo Andy,

      ich teile deine Einschätzung, dass sich Q2 und Q3 in der Hinsicht ähnlich verhalten. In der Bedienungsanleitung steht, dass die Staub- und Feuchtigkeitsresistenz im Lauf der Zeit abnimmt. Vermutlich verhärten sich Dichtlippen durch Verlust an Weichmachern und mechanische Abnutzung derselben trägt auch seine Teil bei. Das dürfte aber einige Jahre dauern.

      Viele Grüße,

      Claus

  5. Schön zu lesender Bericht. Überlege gerade, ob ich für Nachtbilder in Rom ein Stativ mitnehmen muss, oder ob es Freihand geht.

    • Claus Sassenberg

      Ich bin verwirrt. Weil ich dachte, du hättest die Q3 wegen der Weissabgleich-Sache abgegeben.

      Aber mal angenommen, ich würde Rom mit einer Q3 besuchen (Neid!). Die Kamera ist absolut in der Lage, Nachtbilder einer solchen Stadt aus der Hand möglich zu machen und dabei deutlich unter ISO 1600 zu bleiben. Aber vielleicht würde ich einfach zusätzlich mein Mini-Stativ von Manfrotto einstecken (das passt in die Jackentasche), meist findet sich ein Geländer oder Absatz. Dann kann man optional bei ISO 100 maximale Rauscharmut geniessen, oder auch mal bis f/4 abblenden und länger belichten und ist trotzdem ultraleicht unterwegs.

      Ist einem das zu unsicher, muss man halt ein „richtiges“ Stativ mitnehmen. Ich würde aber trotzdem das kleinste greifen, das ich habe, bei mir ist es das Rollei-Reisestativ (Compact Traveler).

      Da ich mich kenne, würde ich vermutlich die Kamera umhängen und das Ministativ einstecken. Muss aber jeder selbst wissen.

    • Stefano Strampelli

      Hallo Herr Jansen,
      Die Innenstadt in Rom ist bei voller Dunkelheit nicht zu hell beleuchtet. Bei Blende 2,8 und einer Belichtungszeit von 1/125 Sekunde landet man oft und gerne bei ISO 12.500. An einigen Orten muss man sogar auf 1/60 oder Blende 2 gehen, wenn man die ISO-Leistung nicht überstrapazieren möchte. Wenn es kritisch ist, muss man sogar Blende 2 und 1/60 nehmen. Mehr ist i.d.R. nicht nötig.
      Ich rede aus guter Erfahrung. Ich komme selbst aus Rom (obwohl ich schon lange nicht mehr dort wohne und in der Stadt nur für Familienbesuche bin).

      Viele Grüße und viel Spaß in Rom
      Stefano Strampelli

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