Kaum verwunderlich, dass ich fotografisch zur Zeit auf die Leica Q fixiert bin und die M240 ein Schattendasein fristet. Am Ende diese Beitrags habe ich diesen Umstand in einem fiktiven “Dialog” mit der M verarbeitet.
Inzwischen ist bei meinem geschätzten Blogger-Kollegen Jörg Lange ein ausführlicher Review erschienen, den ich sehr lesenswert finde. Da schon von Jörg die Rede ist, empfehle ich auch die Lektüre seines M240-Erfahrungsberichts, der meiner Meinung nach epische Züge hat.
Im Leica Camera Blog fand ich auch einen schönen Bericht von David English.
An Jörgs Review war für mich interessant, das er als M240-Shooter zu genau den gleichen Einstellungs-Präferenzen kommt wie ich. Die Gewohnheiten von der M240 lassen sich zum grossen Teil auf die Q übertragen, darum ist das “switchen” zwischen den beiden Kameras um so leichter. Beispielsweise die Bevorzugung der mittenbetonten Belichtungsmessung, die man von der M gewohnt ist. Dann die Bildkomposition: Erst mit der Kamera auf die Bereiche schwenken, wo die Belichtung gemessen wird, dann diese speichern. Bei der M geht man bis zum ersten Druckpunkt des Auslösers, dann rekomponiert man auf das eigentliche Motiv. Bei der Q ist ein Schritt mehr notwendig, weil man bei der M schon fokussiert hat oder das jetzt macht. Die Belichtungsspeicherung habe ich mir auf die Daumentaste gelegt, die gleich neben der Mulde super zu erreichen ist. Also bei der Q: Sucher auf den Bereich, wo die Belichtung gemessen wird, mit Daumentaste speichern, dann aufs eigentliche Motiv verschwenken, mit dem Auslöser zum ersten Druckpunkt den Autofokus speichern, evtl. nochmal rekomponieren und auslösen. Autofokus: Selbstverständlich nur ein Messpunkt, in der Regel in der Mitte.
Das klingt megakompliziert, aber in Wirklichkeit ist einem diese Vorgehensweise von der M schon in Fleisch und Blut übergegangen. Die AEL-Belichtungsspeicherung kennen die meisten von ihren DSLR’s. Bei meiner 5D habe ich es früher genauso gemacht. Nur macht es mit der Q viel mehr Spass…
In vielen Fällen kann man sich das auch sparen, man hält drauf und drückt ab… eben “point and shoot”, auch mal schön… und schnell, wenn es um Schnappschüsse geht.
Beim Wifi geht es mir ebenso wie Jörg – nicht mein Ding. Wenn ich die Kamera auf dem Stativ habe und verwackelungsfrei auslösen will, stelle ich lieber einfach auf Selbstauslöser, als mit dem iPhone herumzufummeln.
Seit meinem Hands-on-Beitrag über die Q habe ich sie nicht so oft benutzen können, wie ich mir das gewünscht hätte, viele andere Sachzwänge in der Vorweihnachtszeit hielten mich davon ab. Aber immerhin konnte ich sie zu diversen Weihnachtsmärkten mitnehmen, wo sie immer wieder ihre Low-Light-Eigenschaften eindrucksvoll unter Beweis stellte. Die Bilder von dort sind meist mit negativer Belichtungskorrektur gemacht, später in LR um ca. 0,5 bis 1 Blendendstufe hochgezogen, dass bewahrt meines Erachtens mehr Details in den Highlights. Bei keinem habe ich Rauschunterdrückung angewandt.
Das letzte Bild vom Weihnachtsmarkt in Minden einmal voll, einmal als 100%-Vergrösserung. Selbst ein so grosser Bildausschnitt zeigt viele Details, vor allem wenn man bedenkt, das es bei grösster Öffnung aufgenommen wurde:
An einem sonnigen Nachmittag ging ich am Weserufer spazieren, etwas abgeblendet ist das 28er Summilux-Objektiv bombastisch für Landschaft, fühlt sich an wie mein 28er Elmarit oder Summicron an der M. Ich könnte die Bilddateien in Lightroom nicht voneinander unterscheiden. Schärfe und Auflösung sind phänomenal. Leider erinnern Landschaftsaufnahmen um diese Jahreszeit immer an Motive für Trauerkarten.
Doch vor allem stellte die Q ihre Eigenschaft als “diskrete” Kamera unter Beweis. Beim “Cellissimo“-Konzert in der Kirche zu Dankersen konnte ich jederzeit fotografieren, ohne zu stören, da es keinerlei Geräusche gibt. Ich hatte eine “Pool-Position” in der ersten Reihe, also freies Schussfeld. Allerdings bewegte ich mich nicht im Raum, wie ich es bei einem “offiziellen” Shooting tun würde, daher ist der Blickwinkel aller Aufnahmen eher statisch. Trotzdem kann man mit der Auflösung der Kamera noch genügend ausschneiden, um die Bildabfolge interessanter zu machen. Davon abgesehen wäre ausserdem die M240 mit 50er oder 75er Objektiv dabei, wenn ich mehr Ambitionen hätte. Aber auch diesmal war es befreiend, nur die kleine Kamera zu benutzen. Mir ging es weniger um Künstlerisches, sondern um die Erinnerung, denn meine Tochter ist bei Cellissimo dabei. Das ist übrigens eine Formation, die vom Cello-Lehrer Oliver Krüger (Musikschule Porta-Westfalica) geleitet wird. An dem Abend waren auch Schüler/Innen der Klavierlehrerin Frau Preuß-Niemeyer beteiligt.
Heute habe ich endlich Zeit, mich um die “trivialen” Dinge wie das Schreiben dieses Blog-Beitrags zu kümmern. Wie Eingangs erwähnt, waren die letzten zwei Wochen in der Praxis sehr fordernd, kommt es doch saisonal bedingt zu vielen ungeplanten Behandlungsfällen. Aber darüber will ich mich nicht beschweren, im Gegenteil. Ich bin froh, dass ich so viel zu tun habe… nur manchmal geht man ein bisschen am Stock. Ich weiss: Also doch Jammern auf hohem Niveau. Jedenfalls konnte ich mit dem befriedigenden Gefühl die Pforten für dieses Jahr schliessen, dass alle, die da waren, mit ein wenig besserer Lebensqualität die Feiertage verleben können.
Zum Schluss ein Ausflug in die Fiktion… ich bin von Jugend an mit einer etwas (zu) lebhaften Fantasie gesegnet, also habe ich mir Gedanken gemacht, wie wohl meine “M” über die neue “Q” denken könnte. Dabei ist folgendes herausgekommen:
“Pang of Jealousy”
Vor ein paar Tagen legte ich zufrieden die neue Leica Q auf meinen Schreibtisch und fuhr den iMac hoch, um Bilder einzulesen. Da fiel mein Auge zufällig auf die M240, die auf dem Sideboard abgestellt war. Ich zuckte zusammen. Sie sah mich missbilligend mit kleinster Blende an, eigentlich hätte ihr Blick mich zu einem Häufchen Asche reduzieren müssen.
»Na, hast du dich gut amüsiert mit dieser blöden Kuh?« Oder meinte sie blöde ›Q‹? Jedenfalls triefte ihre Stimme vor Sarkasmus. Ich leckte mir nervös über die Lippen. Meine M war eine Diva. Wer hätte das gedacht? Sie nutzte mein verblüfftes Schweigen aus, um weiter Dampf abzulassen.
»Seitdem sie hier ist, hast du mich nicht mehr angefasst! Was hat sie, dass ich nicht habe?«, keifte sie mit sehr kurzer Verschlusszeit und viel zu hoher ISO. Ich rollte mit den Augen. Ihr Hang zum Luxus wurde immer erkennbar, wenn sie Werbebotschaften aus dem Segment zitierte.
Ich hob beschwichtigend die Hände. »Bitte beruhige dich doch! Denk an deine ISO-Werte! Du bekommst noch Banding…«
DAS hätte ich lieber nicht erwähnen sollen. Sie defokussierte demonstrativ und ging in den Stand-by-Modus, um mich mit Nichtbeachtung zu strafen. Ich hatte mich inzwischen etwas von meiner Überraschung erholt, nahm sie von Sideboard und weckte sie wieder auf. Hier musste etwas klargestellt werden. Bevor sie aus lauter Wut einfror (was sie sonst nie tat), versicherte ich ihr:
»Du bist und bleibst doch meine Nummer Eins! Meine M… Meistgeschätzte!«, stotterte ich. »Aber schau mal, ich hab doch eben das Cellissimo-Konzert fotografiert, da hätte ich doch auch sonst die Fuji mitgenommen, wegen der Diskretion…«
»Diskretion!«, heulte die M waidwund auf. »Ich bin auch diskret! Für wie unterbelichtet hältst du mich eigentlich?« Ich schielte auf ihre Belichtungskorrektur. Neutral.
»Ja, natürlich bist du diskret«, versicherte ich mit auf dem Rücken gekreuzten Fingern der rechten Hand. Denn so leise wie Q ist sie eben nicht, ich hatte während des Konzerts in der ersten Reihe gesessen und zu jedem Zeitpunkt Fotos machen können, ohne dass das irgendeine akustische Störung hervorgerufen hätte.
»Ich hab dich auch ein bisschen vermisst«, schleimte ich mich ein. Sie schaltete in Live-View und machte die Blende ein wenig weiter auf.
»Wirklich?«, schnüffelte sie.
»Ja, ganz im Ernst. Ich sass doch nur ganz statisch vorne und konnte nicht die Position wechseln. Da hätte ich mir schon gewünscht, mal mit 50, 75 oder 90mm zu fotografieren… da bist du doch einsame Spitze! Aber es ging doch nur um ein paar Erinnerungsfotos. Knipsbilder! Unter deinem Niveau.« Ich ließ vorsichtshalber weg, dass ich die Bilddateien der Q ohne weiteres ganz gut ausschneiden kann. Die M taute jetzt auf.
»Na gut«, sagte sie würdevoll. »Trotzdem verstehe ich nicht, warum du mit diesem billigen Flittchen um die Häuser ziehst!«
»Also, billig…«, protestierte ich.
»Du verstehst ganz gut, was ich meine!«, versetzte sie erneut zickig. »Da kommt so ein schlankes Supermodel daher mit dicken…«
Ich zog die Notbremse. »Vorsicht!«
»…Linsen!«, schnaubte sie. »Die arme kleine Fuji hat bis zum Schluss nicht kapiert, warum du sie auf dem Sklavenmarkt vertickt hast!«
»Das wundert mich gar nicht!«, knurrte ich gereizt. Die ›arme kleine Fuji‹ war die meiste Zeit zu verwirrt, um ihr eigenes Menü zu verstehen. Das naive Ding hatte nie gemerkt, wie gönnerhaft sie von der M behandelt wurde, die in ihr keine ernsthafte Konkurrenz gesehen hatte. Mit der Q würde sie so nicht umgehen können, und das erklärte diesen Eifersuchtsanfall sofort.
»Ich brauche euch beide und möchte, dass ihr miteinander auskommt! Ihr seid aus gutem Hause und ein Spitzenteam!«, machte ich einen diplomatischen Vorstoß. Die M schielte zur Q, die bis dahin weise geschwiegen und zwischen uns hin und her fokussiert hatte.
»Es muss toll sein, so einen Messsucher zu haben«, piepste die Q schüchtern und klickerte leise mit den Verschlusslamellen. Ich hatte schon gemerkt, dass sie sehr empathisch war, sie hatte meine Taktik verstanden. Sie war überhaupt sehr aufgeschlossen, egal, wem ich sie in die Hand drückte, sie machte klaglos ihre Fotos, ohne Star-Allüren. Die M strafte Unwissende meist mit unscharfen Bildern oder aus dem Rahmen gerutschten Motiven ab.
»Und Wechselobjektive!« Die Q seufzte sehnsuchtsvoll. »Es muss so… aufregend sein, wenn das Bajonett einrastet! Du musst mir unbedingt erzählen, wie das ist!« Sie zwinkerte ihr mit dem elektronischen Sucher zu.
»Naja… sicher, kann ich machen«, grummelte die M und wurde offenbar weich. Ihre ISO war wieder auf normalem Level. Sie räusperte sich vornehm. »Und… wie isses so mit… äh… Autofokus?«
Ich hielt die Luft an. Das böse Wort (›Autofokus‹) hatte sie noch nie über den Verschluss gebracht. Hoffentlich wusste die Q, was sie tat. Sie wandelte auf einem messerscharfen Grat.
»Langweilig!«, stieß die Q schnell hervor. »Und hektisch! Ich finde den manuellen Fokus ja so viel besser. So… sanft und… gefühlvoll!« Sie stellte sich träumerisch auf Langzeitbelichtung. Der Bildschirm der M hellte sich sichtlich auf. Die Q war ganz schön raffiniert. Sie merkte genau, wo man die M wirklich packen konnte. Ich grinste in mich hinein.
»Na also!«, sagte ich und rieb mir die Hände. »Ich wusste ja, dass ihr gut zusammen passt! Und wie das erst mal wird, wenn die neue, verbesserte M in 2016 rauskommt!«
Der Schreck fuhr mir in die Glieder! Das war mir so herausgerutscht! Die Q schaltete sich vorsichtshalber ab, vermutlich würde meiner M jetzt der Sensor vor Wut durchbrennen. Stattdessen riss sie verblüfft die Blende auf.
»Wie… verbessert? Wer sollte mich noch verbessern können?«
Wer diesen (älteren) Artikel interessant findet, mag vielleicht auch das lesen, was ich ein Jahr später zur Leica Q schrieb: Retrospektive: Ein Jahr mit der Leica Q
Des weiteren ist auch das “Statement zur Leica Q” ein Beitrag, in dem ich eine klare Haltung zur Gebrauchsfähigkeit dieser Kamera einnehme.
Leica Q – Hands on
Seit dem Sommer habe ich mit mir gekämpft, weil mich alles an der “Q” sofort angesprochen hat. Vor ein paar Tagen habe ich es aufgegeben. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Ihr Codename bei der Entwicklung war “Hemingway”.
Ich würde sagen: “Wem die Stunde schlägt”, oder “Haben und Nichthaben”, meine Tochter vermutlich: “Der alte Mann und das mehr…”
Dies soll übrigens kein Review werden, denn es gibt genug. Am Ende sind ein paar Links dazu. Ich verstehe diesen Artikel mehr als “Hands on”. Meine persönliche Sichtweise steht im Vordergrund, wie sich die Kamera für mich “anfühlt” und warum sie die ideale Ergänzung zu meiner M240 darstellt.
Die Q ist der “Luxus-Ersatz” für meine Fuji X100T, die ich bereits bei ebay verkauft habe. Natürlich gibt es keine rationale Begründung für den Kauf. Trotzdem mache ich einen Versuch.
Was also hat sie der Fuji voraus?
Ganz offensichtlich – den Vollformat Sensor mit höherer Auflösung.
Die f/1.7 28mm Summilux Optik der Q ist dem f/2.0 Fujinon-Objektiv haushoch überlegen. Die Fuji sollte man z.B. weit offen in der Makro-Funktion gar nicht benutzen, sehr schwammiges Ergebnis. Die Q blendet automatisch etwas ab, das wäre für die Fuji empfehlenswert. Ansonsten ist das 28er Summilux der Q schon bei voller Öffnung klinisch scharf (so dass es manche schon wieder stört).
Meine bevorzugte 28mm Brennweite (die 35mm der Fuji sind “mit drin”, denn wenn ich in der Q auf 35mm gehe, sind immer noch 16 MP Auflösung übrig, die die Fuji hat).
Trotz 28er Brennweite ein erstaunliches Freistellungspotential, deutlich mehr als bei der Fuji.
Höhere Lichtstärke – durch das Summilux Objektiv ein halber Stopp nach unten, durch die höhere (brauchbare) ISO mindestens zwei Stopps nach oben.
Die DNG-Dateien sind stabiler als die Raw-Dateien der Fuji, höhere Dynamik vor allem bei steigenden ISO-Werten.
Bedienbarkeit – die Menüführung ist gegenüber der Fuji deutlich überschaubarer.
Manuelles Fokussieren fühlt sich bei der Leica Q an wie bei einem “echten” mechanischen M-Objektiv. Dagegen kann die “fly-by-wire”-Technik der Fuji nicht an. Ausserdem sind die Fokussierhilfen (Vergrösserung, Fokus-Peaking) bei der Q einfach besser und deutlicher.
Der Autofokus ist schneller! Und das heisst schon was, denn die Fuji ist nicht gerade lahm. Angeblich zur Zeit (die Angaben gehen etwas auseinander) der schnellste Autofokus an einer Kompaktkamera.
Belichtungsreihen: Endlich kann ich zwei oder drei EV einstellen! Total bekloppt bei der Fuji, das nur höchstens ein EV möglich ist. Darüber habe ich immer geflucht.
Markierungen auf dem Objektiv. Oh ja, diese Dinger brauche ich wirklich! Wer nicht versteht, warum, sollte mein Tutorial zum Fokussieren lesen.
Kleinigkeiten – tolle Makro-Funktion, bessere Akkulaufzeit, bessere Verarbeitung, minimalistisches Design.
Was verliere ich?
Den optischen Sucher (heul!). Es geht nichts über einen optischen Sucher!
Die Fuji konnte man in die (Mantel-) Tasche stecken. Bei der Q ist zuviel Objektiv vorne…
eine Menge Geld, die die Q mehr kostet. Und trotz aller ihrer Vorteile ist sie nicht vier mal besser als die Fuji, sondern nur (fast) vier mal teurer…und hier beginnt das Irrationale.
(Update 14.12.15, ein Freund machte mich auf fehlende Punkte in der Verlust-Liste aufmerksam) Der kamerainterne Blitz.
In-Camera-Raw-Conversion
Zu den letzten beiden Punkten muss ich sagen, dass ich sie nicht vermisse, weil ich sie nie benutzte. Ebenso wenig wie ich Bedarf für die Film-Emulationen Fuji-Astia oder Provia hatte, denn wenn ich so etwas will, mache ich es im Postprocessing.
Nebenbei: Warum habe ich mir keine Sony RX1R II gekauft, den offensichtlichen Konkurrenten? Antwort: Weil sie keine Leica ist… 🙂
Bei Steve Huff las ich den Review eines Sony-Shooters. Er kam mit den Sucherrahmen nicht zurecht. Sie irritierten ihn bei der 50mm Komposition, weil sie das Gesichtsfeld eben nicht eingrenzen, sondern man wie bei einer M alles drum herum weiterhin sieht. Sorry, aber… beim Eignungstest für M-Fotografen schon durchgefallen. Um fair zu sein: Das arbeiten mit Sucherrahmen erfordert Übung und Vorstellungsvermögen, darum ist es auch nicht jedermanns Sache. Aber der grosse Vorteil liegt gerade darin, das man den Überblick behält über das, was ausserhalb stattfindet und entsprechend schnell auf Änderungen dort reagiert.
Um das Thema abzuschliessen: Die ursprüngliche RX1R und die neue RX1R II sind Spitzenkameras. Die Kaufentscheidung ist eine reine Geschmacksache. Man komme mir nicht mit dem Argument, der Sensor sei besser als der der Q! Seit DxO den Sensor der M9 als “unterirdisch” abgetan hat, weiß ich, wieviel vom Sensorranking zu halten ist. Um so mehr, wenn sich die betreffenden Sensoren sowieso auf den Spitzenplätzen drängeln.
Ein Sensor ist nur so gut, wie das, was drum herum gebaut ist. Und eine Kamera ist mehr als die Summe ihrer Teile.
Was sie nicht ist: Eine Mini-M.
Sie kann mir nicht die M ersetzen, an die kreative Bandbreite dieser Kamera kommt sie nicht heran. Schon allein, weil sie eben keine Systemkamera ist und keinen Messsucher hat. Es spielt auch keine Rolle, dass sie nach oben zwei Stopps mehr ISO verträgt. Aber sie kann einen Teil der Jobs übernehmen, die ich sonst nur der M zugetraut habe. Wenn ich in Städten unterwegs bin und sowieso nur 28mm benutze, kann ich die M gleich zuhause lassen. Für “Reportage” ist sie ideal. Ich habe mich nie über das Gewicht der M beschwert und werde es auch jetzt nicht tun, aber die Q ist auch deutlich leichter, ohne sich hohl anzufühlen. Dazu enthebt sie mich dem Zwang, Wechselobjektive mitzuschleppen.
Bei Events (Konzerten, etc.) kann sie nun den “weiten” Bereich abdecken, während ich die M mit einem 50er oder 75er Objektiv nutzen kann. Sicher sieht es wichtigtuerisch aus, mit zwei Kameras um den Hals herumzurennen, aber ich kann so deutlich schneller reagieren. Es schadet auch nicht, weniger die Objektive zu wechseln. Dazu sehen die Farben aus der Q und der M praktisch identisch aus, so dass es nicht stört, die Bilder zu mischen.
Update, 07.01.2016: Dia Farben sind nicht identisch, nur durch die vielen Low-Light-Fotos in der ersten Zeit wurde ich zu dieser Annahme verleitet. Das Farbschema der Q weicht marginal von dem der M240 ab, aber vor allem die bei der M häufig kritisierten Hauttöne werden bei der Q besser beurteilt.
Die Q ist also eine echte Ergänzung, in grösserem Maß als die Fuji.
Letzten Samstag hatte ich morgens ein kleines Konzert mit meinem Flötenquartett (“Argillus”). Kaum war ich zuhause, brachte der Paketbote das gute Stück. “Unboxing”, immer wieder schön. Das Gefühl der Kamera in der Hand sofort typisch Leica – perfekte Verarbeitung. Der Blick durch den Sucher versöhnte mich mit dem Elektro-Teil: Wirklich sehr klar (ich hatte das schon in München gesehen, als ich die Q in der Brienner Strasse begutachtete). Es gibt (zur Zeit) nur einen Besseren, und das ist der der Leica SL.
Ich hatte schon eine Aufgabe. Sofort den Akku laden und die Kamera geschnappt, denn meine Jüngste hatte ihre Freundinnen zum Geburtstag auf die Eisbahn geladen.
Es gab also keine Zeit, die Bedienungsanleitung anzusehen. Aber wenn man mit der M240 vertraut ist, braucht man nicht Raketenwissenschaftler zu sein, um die Q zu verstehen. Das Menü ist überschaubar, ich stellte sofort auf DNG+JPG (hoffentlich kann man mal die überflüssigen JPG’s bei irgendeinem Firmware-Update hinter sich lassen). Dann stellte ich ISO-Automatik ein (Knopf wie bei der M) und Blendenautomatik (genau wie bei der Fuji am Blendenring), Autofokus am Entfernungsring (sehr schöne Design-Lösung). Schon hatte ich erstmal das “Rundum-Sorglos-Paket” gebucht. In der Eishalle war es nicht besonders hell, darum stellte ich die Blende fest auf f/1.7 ein, aber es gab einzelne sehr blendende Lichtquellen. Die Q ist nicht Invariant, zur Schonung der Highlights dachte ich: Mal die Belichtungskorrektur runterstellen, und siehe da: Wie bei der M am Daumenrad gedreht, und schon erledigt. Eine ganze Menge ist wie bei der M240 untergebracht, das ist auch ein grosser Vorteil, wenn man zwischen den Kameras “switcht”. Man muss nicht lang überlegen, wo was ist.
Oh, und selbstverständlich habe ich sofort den Autofokus auf ein Feld gestellt, dass ich normalerweise in der Mitte lasse. Mit der Kreuzwippe kann man es leicht bei exzentrischen Motiven verschieben. Bei normalen Entfernungen reicht aber zielen und rekomponieren. Auf keinen Fall lasse ich mir in einer Lotterie von 49 Messpunkten vorschreiben, wo zufällig mein Fokus liegt!
Der Autofokus nagelte die quirlige Bande jedes Mal ohne Probleme fest, dabei hatte ich nicht mal auf “Continuous” gestellt. ISO hatte ich auf Maximal 12500 begrenzt (bis 50 000 möglich), das ist wie bei der M (bei 3200) die realistische Grenze. Die Automatische Bildstabilisierung hatte ich nicht an, die sei nämlich nur für stillstehende Motive geeignet (das hatte ich schon mal in einem Review gelesen). Später in der Bedienungsanleitung (die ich dann teilweise schon noch durchgesehen habe…) fand ich heraus, dass sie für stillstehende oder sich langsam bewegende Motive mehrere Blendendstufen bringen soll.
Mehrere, das heisst ja wohl mindestens zwei. Ich kann bei dem 28er Objektiv mit 1/8 Sekunde noch aus der Hand fotografieren, also sollte ich dann wenigstens 1/2 Sekunde schaffen. Ich bin skeptisch, ob das klappt, aber ich werde es versuchen…
Apropos der Verschluss: Natürlich total leise, sehr diskrete Kamera, da kann man mitten im Pianissimo im Konzert drauflos knipsen. Das ist oben nicht aufgelistet, denn die Fuji ist auch geräuschlos. Auf der Eisbahn war das völlig egal.
Dann fiel mir ein putziger Knopf neben der Daumenmulde auf. Und Schwups – Sucherrahmen! Man fühlt sich gleich zuhause. Er schaltet immer zwischen 35 und 50 mm wieder auf 28 durch. Aber ganz anders als der verpönte “digitale Zoom” bei anderen Kameras grenzen die Sucherrahmen in gewohnter Weise den Bereich ein, das komplette 28mm Sucherbild bleibt erhalten. Man sieht also wie bei einer M-Kamera, was sich ausserhalb des Rahmens tut. Das aufgenommene DNG zeigt sowieso immer alles, aber beim importieren in LR wird das Bild gleich gecroppt dargestellt. Wie auch immer, man kann das später noch beliebig ändern, wenn man mit seiner Komposition nicht einverstanden ist. Und wer meint, es sei wenig, wenn da 15 bzw. 8 Megapixel übrig bleiben, sollte sich mal kurz vom Pixel-Wahn der heutigen Zeit befreien. Ausserdem sind das Leica-Pixel, mein voller Ernst, es gibt riesige Unterschiede auf dieser Ebene. Allein das Nichtvorhandensein des Moirè-Filters sorgt schon für einen Unterschied zu Bilddateien aus anderen Kameras (mit AA-Filter).
Zu erwähnen wäre noch der automatische Weissabgleich: Auf der Eisbahn war eine üble Mischung von LED, Tungsten, Glühlampen und irgendwas von Outer Space… die Q traf die real vorhandene Lichtstimmung auf den Punkt. Leider war die ziemlich hässlich. Man assoziiert sofort Gallenprobleme.
Am Samstagabend sabberte ich erst mal über die DNG’s der Q in Lightroom, superklar, rauscharm und flexibel wie die der M. Dann machte ich mich mit den Feinheiten der Bedienung vertraut. Alles sofort nachvollziehbar. Aber wozu brauche ich WiFi? Vielleicht finde ich das noch heraus… ach ja: Selfie machen, aufs iPhone senden und sofort zu Facebook… so ‘n Mist… ich hab doch gar keinen Facebook-Account…
Dann, tief im Menü verborgen: Scene-Modes! Da kann man wohl dankbar sein, dass die nicht oben auf ein Wahlrad gedruckt sind…das wäre ja so was von uncool… Naja, vielleicht braucht man mal “Panorama”. “Zeitraffer” gibt’s auch, das mag bei entsprechenden Motiven effektvoll sein.
Total cool dagegen die Umschaltung der Entfernungsskala, wenn man auf “Macro” stellt.
Die Macro-Funktion ist superschnell eingestellt. Überhaupt sind alle Kontrollen so untergebracht, dass man überhaupt keine Hemmungen hat, schnell etwas zu ändern. Weil man eben nicht 27 verschiedene Menü-Seiten durchblättern muss. Dazu ein kleiner, schlauer Knopf links vom Monitor: Der “FN”-Button. Lang gedrückt, gewährt er Zugang zu einigen Hauptmenüpunkten, man kann sich das gerade benötigte direkt auf den Knopf legen.
Dann probierte ich manuelles Fokussieren. Wow. Schneller kann’s ohne Messsucher nicht mehr gehen. Und das Gefühl am Entfernungsring ist (fast) wie bei einem M-Objektiv. Bei der Fuji ist das manuelle Fokussieren wie der Hilfsmotor an einem Segelboot: Er bringt das Boot voran, aber so gedacht ist es nicht. Bei der Q ist die Methode dem Autofokus absolut gleichwertig. Und superschnell verfügbar: Einfach am Tab des Entfernungsrings entriegeln und drehen, sofort springen die Fokussier-Hilfen ein. Man muss die Kamera nicht mal vom Auge nehmen, wenn man plötzlich ein Hindernis für den Autofokus vor sich hat. Perfektes Design.
Darüber sind sich die Reviewer sowieso einig: Man hat den Eindruck, die Entwickler der Kamera haben bei allen früheren Leica-Modellen nachgesehen, was besonders gut funktioniert und das in die Q gebaut. Dazu schnurrt alles von Beginn an, ohne das Leica (wie sonst) ein Firmware-Update losschicken muss. Und das bei einer völlig neu konzipierten Kamera. Das schaffen kaum die “Großen” (Nikon, Canon, Fuji, Sony)! Die Fuji X100 dagegen hatte am Anfang mehr Bugs als ein neapolitanischer Strassenköter.
Am nächsten Tag, Sonntag also, musste ich nachmittags mit dem Bläserkreis Weihnachtslieder auf dem Vlothoer Adventsmarkt spielen. Gleich danach griff ich mir die Q und machte ein paar Bilder. Der kleine Adventsmarkt war gut besucht.
Ein Freund von mir, Bulli Grundmann, seines Zeichens Liedermacher aus Bielefeld (und gebürtiger Vlothoer, Mitglied der Kanu-AG, war schon mit an der Ardèche), gab ein Konzert für die Kinder. Ein paar Bilder davon habe ich in Silver-Efex in S/W konvertiert. Auch das fühlt sich mit den DNG’s der Q wie gewohnt an, sie liefert ausgezeichnetes Schwarzweiss-Grundmaterial. Übrigens sandte mir Bulli eine kleine Hörprobe mit seiner neuen Ukulele (hier mit seiner Genehmigung):
Für Porträts sollte man sich an den 50mm Einblendrahmen halten, man ist so automatisch in einem Abstand, der die Proportionen wahrt. Wenn man Porträts mit 28mm bildfüllend aufnimmt, kann es sein, dass Rübennase und Glubschaugen vom Porträtierten nicht als so schmeichelhaft empfunden werden.
Leica Q (Typ 116) 28mm Summilux f/1.7 1/60sec ISO 100
Weil es bald dunkel war, konnte ich noch mal die Low-Light Eigenschaften der Kamera testen. Sie sind der M240 sehr ähnlich, mit zwei Stops ISO-Gewinn nach oben. Wie schon erwähnt, ist der Sensor der Q nicht invariant, also sollte man wie bei der M entweder Auto-ISO benutzen oder manuell Werte einstellen, die zur erforderlichen Belichtungszeit passen. Es empfiehlt sich aber ebenso wie bei der M, die Highlights durch Belichtungskorrektur nach unten zu schonen. Also auch hier kein Umdenken nötig, der M-Shooter fühlt sich mit der Q immer zuhause.
Nach kaum einer Woche mit der Kamera (heute ist Donnerstag) bereue ich den Kauf keine Sekunde. Sie ist ein Juwel, wie die M vermag es dieses kleine Ding, eine persönliche Beziehung herzustellen. Man möchte sie ausführen!
Unten: Der Schlusschor beim Weihnachtskonzert des Wesergymnasiums. Der Weissabgleich in der Kirche ist übrigens “tricky”. Die Q hat ihn sofort getroffen.
Wie gesagt, für einen richtigen Review habe ich die Kamera noch nicht lange genug, außerdem sind bereits genügend geschrieben worden. Insgesamt wird die Q exzellent bewertet, vor allem von Seiten, die nicht ausgesprochene “Leica-Fan-Boy” Reputation haben, und das zählt doppelt.
Ich weiß jetzt schon, dass ich mich auf die Q verlassen kann wie auf meine M. Selbst für Landschaftsfotos (bei Wanderungen, Fahrradtouren, etc.) wird sie mich als “leichte” Alternative zur M begleiten. Das sie auch hervorragende Gegenlichteigenschaften hat, konnte ich bei Sonnenaufgang gestern morgen auf dem Burghof von Vlotho testen. Nebenbei: HDR ist (meist) genauso überflüssig wie bei der M.
Der Blog und das Tutorial zur Invarianz hat einiges an positivem Feedback ausgelöst. Für mich ist die Sache faszinierend, weil sie Dinge erklärt, die ich vorher nur mit Erfahrungswerten begründen konnte. Jetzt gibt es eine Logik dahinter. Die eigentlich wichtigste Erkenntnis dabei ist, dass man ohne schlechtes Gewissen die Belichtungszeit auch bei Low-Light kurz halten kann, um Bewegung im Bild einzufrieren. Als Nebeneffekt gibt es eine besser Kontrolle über die Highlights bei gleichem oder sogar geringerem Rauschen. Die genaueren Zusammenhänge hatte ich im Tutorial erklärt.
Am meisten hat mich an der Sache gewundert, wie wenig darüber hierzulande bekannt ist. Eine kurze Suche im Fuji-X Forum ergab allerdings sechs oder sieben Treffer, wo es als Thema zur Sprache kam. Aber die einzige ursprüngliche Quelle für die Information scheint DPreview zu sein.
Übrigens ist mir auch klar geworden, das die “DR200” und “DR400” Funktionen der Fuji X-Kameras sich genau diese Eigenschaft des Sensors zunutze machen. Ein Foto (also auch bei Tageslicht) wird gezielt eine oder zwei Blendendstufen unterbelichtet und dann in der Kamerasoftware angehoben. Allerdings nur das JPG, das RAW-Bild bleibt erhalten. Man kann es selbst in Lightroom bearbeiten. Das ist sehr korrekt, nicht mit Originaldateien herumzupfuschen.
All diese Überlegungen zur Invarianz bringen mich zu der ketzerischen Frage: Wie wichtig ist der Grundsatz ETTR (Expose to the right) noch? Stammt der nicht aus einer Zeit, als Sensoren noch eine leichte Erhöhung der ISO mit fiesem Rauschen quittierten? Heute kann man bei den High-End Sensoren bis ISO 1000 oder mehr Rauschen mit dem Mikroskop suchen. Wie relevant ist es also, das Signal/Rauschen-Verhältnis optimal zu halten, was den grössten Teil des Bildes betrifft, wenn man dafür gerade bei dynamisch fordernden Szenen in kleinen Bildbereichen unweigerlich die Highlights “klippt”?
Das ich bei Bildern mit sehr starken Helligkeitsunterschieden sowieso schon immer auf die Highlights belichtet habe, ist klar. Bei einem ganz oder teilweise “invarianten” Sensor kann man aber jetzt ernsthaft in Erwägung ziehen, die Belichtung grundsätzlich moderat zu halten, also das Histogramm nicht nach rechts zu treiben. Die “DR”-Funktion der X-Kameras folgt genau diesen Überlegungen, steht also konträr zum Grundsatz “ETTR”.
Es gibt noch ein paar Sachen anzumerken:
Mein Freund Jürgen wies mich darauf hin, dass es nicht unbedingt sinnvoll ist, die Auto-ISO in der Kamera zu niedrig zu begrenzen. Wenn eine niedrige ISO-Grenze erreicht ist (z.B. 1600), fängt die Kamera an, die Belichtungszeit zu verlängern (nehmen wir mal an, die Blende ist schon weit offen). Da ist es doch im Zweifel besser, die ISO weiter hoch zu setzten? Verwackelte Bilder bleiben immer verwackelt. Mit Rauschen kann man ggf. vielleicht umgehen! Korrekte Überlegung. (Anm.: Bei Blende f/1.4 oder f/2.0 und zwei bis drei Blendendstufen Unterbelichtung muss es schon so dunkel wie in einem Affenarsch sein, dass man höhere ISO als 6400 braucht. Und was gibt’s da noch zu fotografieren?)
Im Tutorial hatte ich mich zunächst beschwert, dass die M 240 keine Auto-ISO Funktion hat, wenn man die Zeitautomatik abstellt. Am nächsten Tag fiel mir aber ein, dass man verschiedene Optionen hat, wenn man den ISO-Knopf gedrückt hält. Es funktioniert also, und das ist eine sehr wertvolle Einstellungsmöglichkeit. Bei fest vorgewählter Belichtungszeit und Blende verstellt sich nur die ISO nach Lichtverhältnissen. Belichtungskorrektur ein bis zwei Blendendstufen nach unten, und die Highlights bei Low Light sind sicher.
Gestern war ich mit Familie in Münster. Es hat mich etwas Überwindung gekostet, aber ich habe die M zuhause gelassen, weil ich neugierig war, die X100T in punkto Invarianz zu testen. Uns siehe da: Als das Licht schwand, machte ich alles mit ein bis drei Blendenstufen negativer Belichtungskorrektur und die Dateien liessen sich in Lightroom tadellos herstellen.
Die folgenden Beispielsbilder sind mit voller Absicht ohne jede Rauschunterdrückung. Selbst das um drei Blenden “hochgezogene” Bild zeigt nur moderates Rauschen.
Unten eine Bilddatei, die ich zwei Blendendstufen unterbelichtet habe, entsprechend in Lightroom wiederhergestellt:
Fujifilm X100T 23mm Fujinon-Objektiv f/2.0 1/80sec ISO 200 -2EV Belichtungskorrektur
Das nächste Foto ist sogar mit drei Blendendstufen Unterbelichtung gemacht. Bitte beachten, wie viele Details in den beleuchteten Fenstern und Arkaden erhalten bleiben. Hätte ich es gleich mit ISO 3200 gemacht, hätte ich die nie in dem Masse zurückgewinnen können.
Das letzte Bildbeispiel mit einer Blendendstufe Unterbelichtung. Wirft man mal einen Blick auf die Belichtungszeit, wäre es clever gewesen, sogar noch eine oder zwei Stufen zurückzugehen, aber es hat knapp gereicht. Das Bild ist scharf.
Ich habe eine ganze Menge Bilder gemacht, aber die sind privat. Wie man sieht, war einiges Los auf dem Prinzipalmarkt!
Ich bin in letzter Zeit öfter über einen Begriff gestolpert: ISO-Invarianz
Seitdem ich mich mit Low-Light-Fotografie befasse, sind mir bestimmte Gesetzmässigkeiten aufgefallen, was Belichtung, auch gezielte (absichtliche) Unterbelichtung betrifft, um die Sensordynamik besser auszunutzen. Das bedeutet bessere Rückgewinnung der Highlights, bessere Farbdynamik auch bei höheren ISO-Werten. Das darf man nicht auf die Spitze treiben, denn irgendwann rächt sich das in den Schatten, die es einem mit Farbartefakten und hässlichem Rauschen vom Ausmass der Niagarafälle heimzahlen.
Als ich vor zwei Jahren das erste Mal mit “Invarianz”, auch “partieller Invarianz” einiger Sensoren in Berührung kam, ging mir ein Seifensieder auf, warum man in bestimmten Situationen mit Bildern im mittleren ISO-Bereich besser klar kommt, wenn man leicht unterbelichtet, statt die an sich erforderliche höhere ISO-Zahl einzustellen.
Wohlgemerkt, das rüttelt überhaupt nicht am Grundsatz ETTR (Expose to the right) bei “normaler” Tageslichtfotografie (dieser Grundsatz ist angesichts bei der Dynamik moderner Sensoren auch schon aufgeweicht). Ebenso wenig muss man derartiges bei Langzeitbelichtungen anwenden, für die man normalerweise die native ISO-Zahl der Kamera einstellt.
Es geht um die Situationen, bei denen man aus der Hand bei Low-Light fotografiert und auch noch “Kontrolle” über Bewegung im Bild behalten will, also entsprechend kurze Belichtungszeit braucht. Bei gegebener Blende muss dann die ISO hoch. Wie hoch, das kann von der Kamera abhängen, und genau das ist der Punkt mit der Invarianz. Aber die Überlegungen, die damit verbunden sind und die Konsequenzen für die einzustellenden Belichtungsparameter können sogar für Kameras interessant sein, die nicht “Invariant” sind. Ein Beispiel dafür ist die M9, bei der es günstiger ist, ab ISO 640 Unterbelichtung in Kauf zu nehmen, weil die nachträglich in Lightroom “hochgezogenen” DNG’s weniger Rauschen und bessere Farben zeigen, als wenn man die ISO in der Kamera weiter erhöht. Ich bin mir nicht sicher, ob die M 240 möglicherweise partiell Invariant ist, aber ich bin mir sicher, dass es ebenso wie bei der M9 günstiger ist, ungefähr ab ISO 1600 nicht mehr weiter zu erhöhen. Eine Unzahl von Low-Light-Aufnahmen aus den letzten Jahren bestätigen diese Annahme.
Darüber habe ich ein neues Tutorial geschrieben. Was sich also dahinter verbirgt, hat große Bedeutung für denjenigen, der sich mit Low-Light-Fotografie befasst. Es lohnt sich, da mal reinzuschauen.
Bild unten: Aufnahme bei ISO 1600, im Postprocessing um zwei Blendendstufen hochgezogen. Das entspricht ISO 6400 in der Kamera. Normalerweise wird man dann mit “Banding” in den dunklen Bildbereiche bestraft. Hier keine Spur davon. Keine Rauschunterdrückung, Highlights um 40% zurückgenommen.
Leica M ( Typ 240) mit 50mm Summilux asph. bei f/4.0 1/45sec ISO 1600
Ein Blog jagt den nächsten, aber damit ist es auch dann erst mal gut. Gerade aus Paris zurück, war wieder der Tag der Präsentation der Ergebnisse der Woche der “Ferienmusikwerkstatt” und wie immer war es erstaunlich, was die Teilnehmer in der einen Woche alles geschafft hatten. Den krönenden Abschluss macht immer spätabends die Barockoper unter der musikalischen Leitung von Walter Waidosch, in der alle Teilnehmer, ob gross oder klein, irgendwie eingebunden sind. Teils als Librettist, Musiker, Bühnen-und Maskenbildner, teils als Darsteller hat jeder eine Aufgabe, die alle mit unglaublich viel Spass dabei erfüllen.
So ist das fotografieren der Abläufe immer eine dankbare Sache. Bühnenfotografie finde ich sowieso sehr reizvoll, ich habe leider kaum Gelegenheit dazu (noch schöner ist es natürlich, wenn man bei den Proben zu einem solchen Stück zwischen die Teilnehmer treten kann und von dort fotografiert, denn bei der Aufführung muss man sich schliesslich hübsch ausserhalb des Geschehens halten).
Beinahe hätte ich die Oper nicht fotografiert, zumindest nicht, um einen Blog daraus zu machen, denn ich war noch ziemlich erfüllt von der letzten Zeit in Kärnten, München und Paris, viele der Bilder von da musste ich noch sichten, also war ich etwas zögerlich, mir noch mehr aufzuhalsen. Aber eine Teilnehmerin sprach mich nachmittags an und schwärmte sehr nett von den Beiträgen über die Opern im Blog der letzten Jahre (hier 2013, hier 2014), dass ich weich wurde. Ich bereue jetzt, dass ich erst ein wenig knurrig reagierte, erlag dann aber doch der netten Ansprache.
Am Abend legte ich meine fotografischen Paraphernalia bereit und machte mich auf arbeiten unter erschwerten Bedingungen gefasst. Damit ist mein defekter Messsucher gemeint, denn es war klar, dass ich nun ständig in dem Bereich fokussieren musste, den er eben nicht mehr zeigte. Also war ich auf den Sch…elektronischen Sucher angewiesen, um mit Fokuspeaking mein Motiv zu finden. Dazu musste ich irgendwie mit der Auslöseverzögerung leben, die nun mal bei Live-View immanent ist. Ich half mir allerdings während der Aufführung: Um flexibler zu sein, nahm ich gelegentlich blitzschnell das Objektiv aus dem Bajonett, zog den Hebel des Messsuchers (im Gehäuse der Kamera) ganz nach vorne (also in Stellung “Nah”) und setze das Objektiv mit Distanzring auf kleiner Entfernung wieder auf. Dann konnte ich ein näher gelegenes Motiv mit Messsucher fokussieren (in eine Richtung geht er ja, nur nicht wieder zurück). Aber das beschleunigte die Motivsuche und erhöhte die Trefferquote erheblich, so dass ich fast nur noch so vorging.
Das Ganze ist natürlich ein “pain in the ass”, ich bin froh, wenn ich nächste Woche die Kamera repariert bekomme. Ansonsten liess ich die Kamera auf Belichtungsautomatik bei Blendenvorwahl und hatte Auto-ISO wie gewöhnlich auf 3200 begrenzt. Die längste Belichtungszeit bei Automatik sollte 1/Brennweite sein, obwohl hier 1/2XBrennweite auch durchaus o.k. gewesen wäre. Aber die Akteure bewegten sich ausser beim Tanzen nicht zu hastig, und ich finde eine gut platzierte Bewegungsunschärfe durchaus Bildwirksam.
Bei Sichtung und Aussortieren der Bilder überlegte ich kurz, ob ich alle in Schwarzweiss präsentiere, denn einige eignen sich sehr gut dafür, auch ist der Bereich der Bühnenfotografie eine S/W-Domäne. Dann aber entschied ich mich doch für die Farbvariante. Wie immer bin ich über den Sensor erfreut, der auch bei hoher ISO noch Bilder mit guter bis sehr guter Farbdynamik liefert. Am automatischen Weissabgleich der Kamera habe ich nachträglich nichts geändert, die Fotos geben die gelbliche Beleuchtung naturgetreu wieder. Überhaupt sind alle Bilder wenig verändert: Hier und da etwas die Belichtung angehoben, die Highlights zurückgenommen, ein wenig Rauschunterdückung, das ist schon alles.
Es ist aber auch klar, dass der tollste Sensor nichts kann ohne die entsprechenden Objektive und bei diesen Lichtbedingungen kam mal wieder die Stunde der Summiluxe. Aber auch das 75er Apo-Summicron und das 90er Summarit kamen zum Zuge, letzteres sogar recht oft. Ich hatte ihm den Vorzug vor dem 90er Apo-Macro gegeben (das ich in letzter Zeit favorisiere), denn hier war in erster Linie Lichtstärke gefragt (davon ab: die Summarite zählen wohl zu den am meisten unterschätzten Objektiven überhaupt. Zu unrecht, mancher Hersteller müsste sich bemühen, schon den Standard zu erreichen, den diese Optiken setzen).
Hier ist also der Bericht über die inhaltlich erstaunlich aktuelle Barockoper:
Leica M mit 35mm Summilux asph. bei f/2.4 1/45sec ISO 3200
Der Dirigent klärt die Besucher über die Tatsache auf, dass sie nicht Glucks “Orpheus und Eurydike” zu erwarten haben, sondern Johann Joseph Fux verantwortlich zeichnet (“da steckt bestimmt der Fux dahinter”, ist ein bekanntes Zitat aus seiner Zeit…oder nicht). Völlig vergessen zu erwähnen hatte Walter Waidosch allerdings, dass die Jugendhof-Librettisten gnadenlose Anleihen bei Jacques Offenbachs “Orpheus in der Unterwelt” gemacht hatten. Nun ja, das merkte das Publikum dann ganz schnell.
Erste Szene: Orpheus und Eurydike haben sich nicht mehr viel zu sagen. Die ganze Romantik ging im Brei des Alltäglichen unter, und sie sind einander mittlerweile herzlich egal.
So sucht sich der prinzipienlose und als Musiklehrer etwas heruntergekommene Orpheus andere Frauenbekanntschaften. Er betrügt seine Frau mit der Nymphe Chloé, die aber aus ganz anderen Gefilden kommt. Die öffentliche Meinung (ein Chor von drei bürgerlich gekleideten Herrschaften), ist entsetzt: Er bändelt mit einer Kreatur der Hölle an (aber sind das nicht irgendwie alle Frauen? Anm. der chauv. Red.)! Obwohl es den Chronisten etwas verwirrt, denn nach seiner Erinnerung war Persephone die Frau des Pluto und somit die “Höllenfürstin”. Vielleicht klärt mich ja noch mal einer auf, was ich hier nicht checke.
Eurydike sieht sich indessen ebenfalls mit einem neuen Verehrer konfrontiert: Pluto (nein, nicht der Hund! Pluto wie Hades, kapiert?) umgarnt sie. Dass er sich zunächst als Schäfer Aristäus ausgibt, unterstreicht die zweifelhafte Moral der Sache nur. Pluto will Eurydike mit in die Hölle nehmen, dazu hat er sich mit einem Vampirgebiss á la Twilight ausgestattet. Ein kräftiger Biss in den Hals, und es ist um Eurydike geschehen, sie folgt ihm willig.
Nicht aber ohne vorher einen Abschiedsbrief zu schreiben, der ihr von Pluto in die Feder diktiert wird:
Verlassen muss ich diese Schwelle,
Denn ich bin tot ohn’ allen Zweifel,
Aristäus war der Gott der Hölle,
Und jetzt holt mich der Teufel.
Orpheus kann sein Glück nicht fassen, dass er die Alte los ist, hat aber die Rechnung ohne die öffentliche Meinung gemacht, die Zeter und Mordio schreit ob den verletzten Grundfesten der Ehe.
Szenenwechsel: Olymp
Sie (die öffentliche Meinung) zwingt Orpheus, bei Jupiter Hilfe zu suchen, der hier gerade mit seinem neuen Raumgleiter von Ferrari eintrifft. Dazu singt ein Terzett aus jungen Damen lautstark seine bekannte Hymne “Fred vom Jupiter” (alle Achtung, dass der Fux das drauf hatte, hätte ich nie gedacht!).
Das höllische Personal wartet derweil auf seinen Einsatz.
Nun also wird der Casus vor den Götterboss gebracht. Mit dabei sind die öffentliche Meinung, einige Götter des Olymp und Juno, die mit dem Accessoire des Nudelholzes einen seltsam strengen Eindruck macht. Besonders zu beachten ein Neuzugang: Der “Flankengott”. Seit der letzten Fussballweltmeisterschaft hat ja der Begriff “Götzenverehrung” eine ganz neue Bedeutung bekommen.
Jupiter, dem die öffentliche Meinung am A… vorbeigeht, hat so seine eigene Agenda. So ein Besuch in der Hölle könnte ganz amüsant werden.
Szenenwechsel: Höllische Gefilde, Plutos Boudoir.
Wir sehen einige niedere Geister, die das Versteck der Eurydike bewachen. einer der Leibwächter mit Hellebarden müsste eigentlich Hans Styx sein. aber welcher, wird uns nicht verraten. Die niederen Geister spielen gerade Höllen-Mau-Mau, eine teuflische Variante des beliebten Kartenspiels, in dem das Blatt fast nur aus Siebenen besteht…
Pluto: “Äh, Teufelchen…rückt mal zur Seite, wir haben ein Tänzchen vor.”
Und gemessenen Schrittes wird ein Menuett getanzt.
Dann trifft plötzlich Jupiter als “Gatecrasher” mit fast dem gesamten Olymp ein. Pluto ist “not amused”. Das Zitat “von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern” kommt ihm nicht in den Sinn. Weil er aber genau weiss, was der vergnügungssüchtige Olymp in der Hölle will, befiehlt er erst mal eine Spontanorgie, um von Eurydike abzulenken.
Un ab geht der “Galopp infernal”, der Höllen-Cancan, Fux wird von Offenbach plattgemacht. Hier zeigt sich mal so richtig, dass die Anweisung “Furioso”, gelegentlich auf Notenblättern zu finden, sich von den Furien der Hölle herdefiniert!
Für die kleinen Teufelchen ist das Gehabe der Furien faszinierend. Da gibt’s jede Menge dazu zu lernen.
Jupiter mischt kräftig mit, lässt sich aber vom eigentlichen Grund seines Besuchs nicht ablenken. Orpheus hat unterdessen Eurydike als Bacchantin im Getümmel entdeckt und fordert abermals getrieben von der öffentlichen Meinung seine Ehefrau zurück.
Gegen die öffentliche Meinung ist kein Kraut gewachsen (wahrscheinlich befürchtet Jupiter sonst einen Shitstorm auf seiner Facebookseite), also verfügt er, dass Orpheus seiner Gattin voran die Unterwelt verlassen darf, solange er sich nicht nach ihr umdreht. Dabei hat er so seine Hintergedanken.
Orpheus singt noch einmal nach alter Art herzzereissend, dann schiebt ihn die öffentliche Meinung heraus aus der Hölle. Aber Jupiter…
…schleudert einen Blitz! Erschrocken dreht sich Orpheus um. Getroffen waren nur die Leibwächter des Pluto (“keine Barockoper ohne Tote!” wurde noch als Motto verkündet. Aber waren diese Höllenwächter nicht technisch gesehen eigentlich schon vorher tot? Doch ich will hier nicht in Erbsenzählerei verfallen). Nur: Damit war natürlich der Deal geplatzt.
Sehr zum Verdruss der öffentlichen Meinung war das allen ganz recht. Chloé bekommt ihren Orpheus und Pluto seine Eurydike (obwohl es auch Gerüchte gab, dass Jupiter mit ihr angebändelt habe, sobald Juno nicht mehr im Blickfeld war). Jedenfalls rauscht die öffentliche Meinung empört von der Unmoral ab und wart nicht mehr gesehen.
Dann kam noch der “running Gag” der Barockopern der Ferienmusikwerkstatt. Völlig frei von jeder möglichen Vorlage eines Librettos marschierte der Papst auf und vermählte die Paare (was die Moral auf den Tiefpunkt bringt, haben wir es doch hier mit dem Tatbestand der Bigamie zu tun).
Die Oper endet unter tosendem Applaus der Zuschauer mit einer Cocktailparty aller Beteiligten. Am besten man zieht keine Moral aus der Handlung, sonst bekommt man es vermutlich mit der öffentliche Meinung zu tun…
Wieder einmal eine grossartige Leistung aller Akteure, wenn man bedenkt, in welch kurzer Zeit das alles auf die Beine gestellt worden war. Was mir immer ein wenig leid tut: Die Sänger und Musiker kann ich in den Fotos nicht so recht würdigen, weil sie sich technisch gesehen hinter der Bühne befinden und ich dort nicht hinkomme, ohne zu stören.
Der Abend war da sicher noch lange nicht zu Ende, die sommerlich warme Nacht lud noch zu einem Glas Wein unter freiem Himmel ein, aber der (müde) Chronist packte seine Sachen und fuhr nach Hause.
P.S.: Heute packe ich meine Kamera ein und sende sie zum Customer Service. Gestern Abend war ich noch auf der Hochzeit meines Neffen und wäre fast verrückt geworden, als ich wieder mit dem dämlichen elektronischen Sucher fokussieren wollte. Nach kurzer Zeit nahm ich stattdessen das Objektiv ab und zog den Hebel jedes Mal von Hand nach vorn, was tatsächlich immer noch schneller ging als das andere. Wer weiss, was man sich da an Staub einfängt, aber der Sensor wird ja sowieso gereinigt. Zum Glück hatte ich keinen offiziellen Auftrag für Fotos, es lief dort einer mit einer Nikon und einem fetten Blitz herum (ich enthalte mich jetzt, wenn auch mühsam, eines Kommentars dazu), also brauchte ich mich gar nicht so aufzuregen. Aber ich merkte einmal mehr, wie schnell ich mit einem funktionierenden Messsucher sonst bin.
Als die Leica Q herauskam und ich mich mit den Spezifikationen der Kamera vertraut machte, lief mir das Wasser im Mund zusammen. 28mm…meine Lieblingsbrennweite (obwohl die so vielen offenbar zu weit ist – sie beschweren sich und wollen die Q mit längeren Brennweiten), dann der neue Sensor…kein Objektivwechsel, also auch kein Staub in der Kamera….Autofokus (um Gotteswillen! Warum brauche ich den plötzlich?)…tolle Summilux-Linse und die übliche Leica-Gestalt!
Ich verfiel ihr mit Haut und Haar!
Einige Tage widerstand ich, dann bestellte ich sie in einem akuten Anfall von G.A.S. (Kameraphilen als “Gear-Acquisition-Syndrome” bekannt). Zum Glück für mich war die Kamera natürlich nicht sofort verfügbar, also dachte ich wieder einige Tage nach…und kam zu dem Schluss, dass der Teufel mich versucht hatte. Wie der heilige Antonius, nur mit ein paar Tagen Verzögerung, widerstand ich und stornierte die Bestellung.
Denn nüchtern betrachtet ist die Q natürlich überflüssig, wenn man eine M hat. Ich lasse auch nicht den Einwand gelten, der Sensor sei neuer und besser (Stichwort: ISO), denn die Unterschiede im normalen Leben (nicht bei extremen Bedingungen!) sind marginal. Die M ist der Q mit bestimmten Objektiven (auch bei 28mm) immer noch in der Bildqualität überlegen. Dazu ist sie nur minimal kleiner, das ist also auch kein Kaufargument (denn ich liebe kleine Kraftpakete).
Aber es ist natürlich so, das sie absolut gleichauf ist mit dem, was die M abliefert, und das macht den Reiz aus. Wenn ich noch keine M hätte, wäre die Q meine Kamera!
Statt nun das Geld für die Q auszugeben (und jetzt bitte keine abgegriffenen Klischees über Zahnärzte und deren Finanzen!), spare ich es lieber für die nächste Ausgabe der M, von der die Gerüchte sagen, dass sie gar nicht so weit entfernt ist. Man munkelt sogar von der Abkehr vom optisch-mechanischen Messsucher (O Graus!) und – be still, my heart! – Autofokus! ( Wobei dann neue Objektive entwickelt werden müssen, damit das klappt). Sicher ist, dass sie dann auch einen Sensor-Upgrade bekommt, den gleichen werden sie nicht noch mal verwenden. Der ist entweder so gut wie der der Q oder – was ich eher glaube – zieht daran vorbei.
Aber braucht man überhaupt das alles? Schon von der M9 habe ich gesagt, dass ich mit ihr eigentlich den Rest meines Lebens zurechtkommen könnte, dann kam die M und belehrte mich eines Besseren. Aber ich muss mir klar machen, das gute Fotos eben nicht von der letzten Sensortechnik abhängen.
Um mich zu trösten, bin ich mal die 28mm-Leica-Bilder in Lightroom durchgegangen, dabei wurden mir zwei Dinge klar:
Ich liebe diese Brennweite
Ich bin voll zufrieden mit dem, was mir die M mit dem 28mm Summicron oder dem 28mm Elmarit abliefert und brauche nichts neues.
Quod erat demonstrandum…
Im Portfolio habe ich eine Auswahl von 28mm-Bildern zusammengestellt, um zu zeigen, wie die Bildwirkung dieser Brennweite ist.
Versteht sich von selbst, dass wir Jesse auch Berlin zeigen mussten. Zugegeben, er kommt aus New Mexico, nicht aus Texas, aber er hat dort vorher gewohnt…
Von uns aus geht der Intercity direkt bis zum Berliner Hauptbahnhof, ohne Umsteigen. Das bedeutet, an einem Tag hin und zurück ist kein Problem (sonst haben wir eigentlich immer zwei-oder dreimal übernachtet).
Nun kann man Berlin beim besten Willen nicht an einem Tag sehen, und wir mussten Jesse da natürlich an die absoluten Touri-Punkte schleppen, also bitte ich alle Berliner um Verzeihung, denn mir ist klar, dass Berlin aus mehr besteht als aus dem Brandenburger Tor, dem Ku’Damm und Madame Tussaud’s.
In Berlin war an dem Tag ein Gelb-Schwarzer Heuschreckenschwarm von BvB-Fan’s eingefallen, die das Stadtbild prägten und den ganzen Tag feierten (war auch besser so, am Abend hatten sie dann ja nix mehr zu feiern…).
Zur Zeit ist meine M zum Sensor-reinigen beim Customer Service, aber ich habe ja die Fuji X100T, also waren meine Entzugserscheinungen nur mild. Sie reichten aber aus, dass mir doch Zweifel kamen. Nach Berlin, ohne eine Leica? Nein, das ging denn doch nicht…kurzentschlossen griff ich meine M3 und legte eine Rolle Kodak Ektar ein. Da ich sowieso meine kleine Hadley-Kameratasche dabei hatte, wechselte ich ab und zu zwischen Analog und Digital. Interessanterweise schaute ich diesmal nicht dauernd auf die – natürlich – leere Rückwand der M3, sondern versuchte immer, bei der Fuji nach einer Aufnahme den nicht vorhandenen Filmtransporthebel zu betätigen…
Ein paar Bilder von dem Tag sind in der Slide Show, aber ich muss mich beinahe dafür entschuldigen, dass sie nichts “besonderes” sind, denn ich habe an dem Tag fast nur meine Lieben abgelichtet (auch, damit Jesse ein paar Erinnerungsfotos hat), so war ich nicht auf “Jagd” nach Street-Motiven oder ähnlichem.
Interessant zu sehen, was für ein riesiger Unterschied zwischen den analogen und den digitalen Fotos besteht. Ich habe die Negative mit meinem Nikon Coolscan V digitalisiert, aber die Auflösung und Qualität der Fuji X100 kann man mit analogem Kleinbildfilm natürlich nicht mal annähernd erreichen.
Aber darum geht es auch gar nicht!
Wenn ich nicht jedes mal über das mühsame einscannen fluchen würde, nähme ich die M3 viel öfter zur Hand! Analog fotografieren hat etwas geradezu meditatives, dazu kommt der “Mojo” der M3. (“Mojo” is eigentlich ein Voodoo-Begriff und kennzeichnet einen magischen Gegenstand. Ich habe ihn im englischen schön öfter im Zusammenhang mit Kameras getroffen, es soll damit ausgesagt werden, dass der Gegenstand mit “Mojo” gewissermassen eine eigenständige Persönlichkeit, ja Charakter hat, mehr als die Summe seiner Teile).
Also: Wenn man sie zur Hand nimmt, hat man das Gefühl, sie sagt einem: “Los, Führ mich aus!”
Kurz gesagt, es macht Spass, mit der M3 zu fotografieren, der Sucher ist auch nach 60 Jahren noch hell und genau, das Spannen des Verschlusses und der Filmtransport sind eine Freude und das Auslösen des Tuchverschlusses hat was ekstatisches…das sanfte Klicken Musik in meinen Ohren. Dazu kommt die Faszination einer rein mechanischen Kamera: Keine Stromquelle nötig, keine Abhängigkeit von Elektrizität.
Ich empfehle jedem, ab und zu mal analog zu fotografieren, es ist auch eine gute Übung für Auge und Urteilsvermögen. Denn man macht sich unbewusst mehr Gedanken über das Motiv, das kommt einem auch bei digitaler Fotografie zugute.
Jesse jedenfalls war trotz der eingeschränkten Auswahl tief beeindruckt von Berlin. Dem Stadtbild, den Menschen, dem Betrieb, der Atmosphäre insgesamt. Kein Wunder, dass er so gut wie keine Lust hat, nach Roswell zurückzukehren…
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