Versteht sich von selbst, dass wir Jesse auch Berlin zeigen mussten. Zugegeben, er kommt aus New Mexico, nicht aus Texas, aber er hat dort vorher gewohnt…

Von uns aus geht der Intercity direkt bis zum Berliner Hauptbahnhof, ohne Umsteigen. Das bedeutet, an einem Tag hin und zurück ist kein Problem (sonst haben wir eigentlich immer zwei-oder dreimal übernachtet).

Nun kann man Berlin beim besten Willen nicht an einem Tag sehen, und wir mussten Jesse da natürlich an die absoluten Touri-Punkte schleppen, also bitte ich alle Berliner um Verzeihung, denn mir ist klar, dass Berlin aus mehr besteht als aus dem Brandenburger Tor, dem Ku’Damm und Madame Tussaud’s.

In Berlin war an dem Tag ein Gelb-Schwarzer Heuschreckenschwarm von BvB-Fan’s eingefallen, die das Stadtbild prägten und den ganzen Tag feierten (war auch besser so, am Abend hatten sie dann ja nix mehr zu feiern…).

Zur  Zeit ist meine M zum Sensor-reinigen beim Customer Service, aber ich habe ja die Fuji X100T, also waren meine Entzugserscheinungen nur mild. Sie reichten aber aus, dass mir doch Zweifel kamen. Nach Berlin, ohne eine Leica? Nein, das ging denn doch nicht…kurzentschlossen griff ich meine M3 und legte eine Rolle Kodak Ektar ein. Da ich sowieso meine kleine Hadley-Kameratasche dabei hatte, wechselte ich ab und zu zwischen Analog und Digital. Interessanterweise schaute ich diesmal nicht dauernd auf die – natürlich – leere Rückwand der M3, sondern versuchte immer, bei der Fuji nach einer Aufnahme den nicht vorhandenen Filmtransporthebel zu betätigen…

Ein paar Bilder von dem Tag sind in der Slide Show, aber ich muss mich beinahe dafür entschuldigen, dass sie nichts „besonderes“ sind, denn ich habe an dem Tag fast nur meine Lieben abgelichtet (auch, damit Jesse ein paar Erinnerungsfotos hat), so war ich nicht auf „Jagd“ nach Street-Motiven oder ähnlichem.

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Interessant zu sehen, was für ein riesiger Unterschied zwischen den analogen und den digitalen Fotos besteht. Ich habe die Negative mit meinem Nikon Coolscan V digitalisiert, aber die Auflösung und Qualität der Fuji X100 kann man mit analogem Kleinbildfilm natürlich nicht mal annähernd erreichen.

Aber darum geht es auch gar nicht!

Wenn ich nicht jedes mal über das mühsame einscannen fluchen würde, nähme ich die M3 viel öfter zur Hand! Analog fotografieren hat etwas geradezu meditatives, dazu kommt der „Mojo“ der M3. („Mojo“ is eigentlich ein Voodoo-Begriff und kennzeichnet einen magischen Gegenstand. Ich habe ihn im englischen schön öfter im Zusammenhang mit Kameras getroffen, es soll damit ausgesagt werden, dass der Gegenstand mit „Mojo“ gewissermassen eine eigenständige Persönlichkeit, ja Charakter hat, mehr als die Summe seiner Teile).

Also: Wenn man sie zur Hand nimmt, hat man das Gefühl, sie sagt einem: „Los, Führ mich aus!“

Kurz gesagt, es macht Spass, mit der M3 zu fotografieren, der Sucher ist auch nach 60 Jahren noch hell und genau, das Spannen des Verschlusses und der Filmtransport sind eine Freude und das Auslösen des Tuchverschlusses hat was ekstatisches…das sanfte Klicken Musik in meinen Ohren. Dazu kommt die Faszination einer rein mechanischen Kamera: Keine Stromquelle nötig, keine Abhängigkeit von Elektrizität.

Ich empfehle jedem, ab und zu mal analog zu fotografieren, es ist auch eine gute Übung für Auge und Urteilsvermögen. Denn man macht sich unbewusst mehr Gedanken über das Motiv, das kommt einem auch bei digitaler Fotografie zugute.

Jesse jedenfalls war trotz der eingeschränkten Auswahl tief beeindruckt von Berlin. Dem Stadtbild, den Menschen, dem Betrieb, der Atmosphäre insgesamt. Kein Wunder, dass er so gut wie keine Lust hat, nach Roswell zurückzukehren…

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