Konica Auto S 1,6 – Eine der Letzten ihrer Art
ein Review von Volker Brockmann
Bis etwa zum Ende der 1960er Jahre waren Messsucherkameras weit verbreitet und dominierten den Markt der hochwertigen Kleinbildkameras. Leica-Kameras wurden von japanischen Herstellern vielfach kopiert, das Bajonett der Contax (III) und einige andere Dinge fand man in der Nikon S-Serie wieder. Doch sehr bald boten namhafte Hersteller hochwertige und gut ausgestattete Kameras ohne Kopiervorlage an. Zunächst übernahm man das Beste und lernte schnell. Mit dem Aufkommen der Spiegelreflexkameras kam es zu einem Wandel. Dieser wurde im Profibereich durch das legendäre Nikon F System ausgelöst. Die klassischen Messsucherkameras mit Festbrennweite verloren an Attraktivität, während in den 1970er Jahren kompakte „Reisekameras“ mit Messsucher, wie beispielsweise die Canonet GIII, als Alternative zur umfangreichen und vergleichsweise schweren SLR-Ausrüstung an Beliebtheit gewannen. Leider gingen durch den Trend zur Kompaktheit und aus Kostengründen dabei sinnvolle Ausstattungen verloren.

Der Wandel traf auch den wegen seiner hochwertigen Hexanon-Objektive bekannten Hersteller Konica. 1963 wurde das Modell Auto S vorgestellt, das ca. 1965 vom Nachfolger Auto S2 abgelöst wurde. Diese Kamera wurde dann in verschiedenen Evolutionsstufen bis 1972 produziert. Aufgrund des verstärkten Wettbewerbs der Kamerasysteme wurde von ca. 1967 bis 1969 eine letzte, weiter verbesserte Ausbaustufe als „Auto S 1,6” angeboten. Sie unterscheidet sich vom Modell S2 durch ein aufwendigeres und lichtstärkeres Objektiv sowie einen Blitzschuh. Die folgende Zeitungsanzeige für den US-Markt aus dem Jahr 1967 verdeutlicht die Positionierung gegenüber den SLR-Kameras:

Man hat wohl alle wesentlichen Merkmale berücksichtigt und bewertet. Der Slogan „The lens alone is worth the price.“ zielt nicht nur auf die SLR-Kamerasysteme ab. Die Topversion Auto S 1,6 kostete damals knapp 120 $. Das entspräche heute, inflationsbereinigt, etwa 650 €. Eine Leica M4 ohne Objektiv soll 1967 etwa 315 $ gekostet haben.
Sehr schön finde ich außerdem die Aussage „Including foolproof automation!“
Heute ist die Smartphone-Kamera „foolproof“ und für Menschen, die ausschließlich mit dem Smartphone fotografieren, wäre ein gut belichtetes Foto aus der Konica eher ein glücklicher Zufall.
Der Weg zu meiner Konica Auto S 1,6
Zuvor habe ich SLRs, eine TLR, eine Messsucherkamera mit Festbrennweite, DSLRs und digitale Systemkameras benutzt. Meine bevorzugte „Normal“-Brennweite liegt zwischen 35 mm und 50 mm. Bei 90 mm komme ich mit einem Messsucher nicht mehr gut zurecht. Dafür fehlt mir die Übung. Weil ich das System aber spannend finde, habe ich mich immer mal wieder nach weiteren Kameras mit Festbrennweite umgesehen. Den Anstoß gab diese lesenswerte Seite: www.lichtgriff.de. Irgendwann fiel mir bei einem eBay-Händler eine Auto S2 auf. Die Fotos zeigten jedoch die seltenere S1,6, was mich neugierig machte. Den Verweis auf einen „neuwertigen Zustand” habe ich nicht zu ernst genommen. Trotzdem habe ich zugeschlagen, um eine mögliche Rückgabe zu gewährleisten, und tatsächlich wurde eine S1,6 geliefert. Der Zustand war erfreulich, und vor Ablauf der Rückgabefrist kam der erste Kodak Porta aus dem Labor zurück. Funktion und Optik waren prima, aber es zeigten sich doch noch einige kleinere Probleme, die nicht auf den ersten Blick erkennbar waren. Dazu später mehr.
Was fällt zuerst auf?
Die S1,6 ist groß, wirkt hochwertig und zugleich etwas rustikal. Sie wiegt ungefähr 800 Gramm. Der Begriff „Fullsize“ passt. Das voluminöse Objektiv hat wegen der CDS-Messzelle ein 55er Filtergewinde. Eine ausziehbare Streulichtblende ist ebenfalls vorhanden.
Größe und Gewicht sind jedoch kein Nachteil. Auch mit großen Händen lässt sich alles ohne Fummelei gut bedienen und das Gewicht sorgt für eine ruhige Kamerahaltung. Alle Bedienelemente liegen dort, wo man sie erwartet. Hilfreich ist außerdem eine kleine Schnellwechselplatte als Griffkante. Trotz der üblichen Brikettform ist das Design gelungen und die Typenbezeichnung wirkt richtig elegant.
Kameratechnik
Für den Stand der 1960er Jahre ist das Objektiv aufwendig: Es ist ein 1,6/45 mit sieben Linsen in fünf Gruppen. Und es ist richtig gut! Die teleskopierbare Streulichtblende ist notwendig. Verbaut wurde ein Zentralverschluss (Copal SVA) mit Zeiten von 1/500 s bis 1 s und B. Er arbeitet erschütterungsarm und sehr leise. Der Filmtransport ist hingegen sehr laut. Er hört und fühlt sich etwas rustikal an. Das ist jedoch kein Mangel, denn die Mechanik scheint sehr robust zu sein. Das Quick-Load-System für den Film ist viel einfacher gebaut als bei der Canonet GIII: Die Aufnahmespule muss so gedreht werden, dass einer der Schlitze über dem Schlitz in der Welle steht. Anschließend wird das Filmende eingeschoben, die Rückwandklappe geschlossen und mehrfach gespannt. Einfach und effektiv.
Beim Fokussieren gibt es leider sehr kurze Wege. Nur etwa 45° von Anschlag zu Anschlag! Bei Offenblende sind Fingerspitzengefühl und Konzentration gefragt. Entsprechend klein fällt die Schärfentiefeskala aus und ist kaum brauchbar.
Der Messsucher ist ganz anders! Zwar kann er nicht mit einer alten „M“ mithalten, dafür ist er aber hell und kontrastreich und funktioniert auch mit Brille gut. Leider beträgt die Vergrößerung nur etwa 0,65 und die effektive Messbasis ist mit ca. 25 mm recht klein. Das ähnelt den Werten einer Leica CL. Bei Offenblende sollte man also genauer hinsehen.
Der Sucher hat einige nicht selbstverständliche Eigenschaften: Eine Parallaxen- und Bildfeldkorrektur sowie eine Einspiegelung der passenden Blende bei Verschlusszeitvorwahl sind vorhanden.
Unter der Deckkappe ist ein Belichtungsmesser der Marke Sekonic montiert. Dieser zeigt auf der Gehäuseoberseite den notwendigen Blendenwert an. In der Frontblende des Objektivs befindet sich eine Messzelle für Integralmessung, sodass Filterfaktoren bei der Messung berücksichtigt werden. Der Belichtungsmesser funktioniert nicht nur bei der damals üblichen Blendenautomatik, sondern auch beim rein manuellen Kamerabetrieb. Das ist vorteilhaft und eher unüblich. Die im Aufbau weit kompliziertere Canonet GIII aus den 1970er Jahren beispielsweise lässt keine Belichtungsmessung im manuellen Betrieb zu. Die Kamera benötigt nur für den Belichtungsmesser Batterien. Gut so! Ich habe eine klare Meinung zur Kombination aus der altersbedingt notwendigen Batteriespannung von 1,35 V und Integralmessung mit einer Messzelle, vor der eine konische Schlitzblende den Lichteinfall auf die Zelle abhängig von der manuell gewählten Blende steuert: Das ist nichts für mich! Entweder mit einem externen (Hand-)Belichtungsmesser richtig messen oder schätzen sind die besseren Alternativen.

Welche Qualität haben die Fotos?
Für Farbfotos habe ich bisher Portra 160, 400 und 800 verwendet. Bei einer hochwertigen Kamera dieses Baujahres sind scharfe und kontrastreiche Bilder zu erwarten, wenn mindestens leicht abgeblendet wird und nur wenig Streulicht vorhanden ist. Und diese werden auch geliefert.
Die fünf geraden Blendenlamellen sind, wie auf dem ersten Foto am linken Rand mittig zu sehen, manchmal deutlich erkennbar. Damals war man mehr um die Bildschärfe als um das Bokeh bemüht.
Bei weit geöffneter Blende oder leicht abgeblendet ist bei einem passenden Film etwas möglich, das ich bei einer Brennweite von 45 mm so nicht erwartet hätte: Low-Light-Fotografie mit einer Belichtungszeit von 1/15 s aus der freien Hand. Der erschütterungsarme Zentralverschluss und das Gewicht der Kamera schaffen die Voraussetzungen dafür.
Spannender als große Blendenzahlen ist die Frage nach der Offenblendtauglichkeit – und die ist vorhanden. Und das mit einem aus meiner Sicht angenehmen Schärfeverlauf und Kontrast.
Und hier kommt ein Härtetest für das Objektiv:
Auf dem ersten Bild ist hochsommerliches Gegenlicht ohne die Sonne im Bild bei Blende 4 zu sehen. Auf dem zweiten Bild war die Sonne hinter der linken Kante des Brunnens leicht sichtbar und ich hatte die Blende voll geöffnet. Hier ist die Beschichtung wie erwartet überfordert. Das kommt auch bei teuren Profikameras aus dieser Zeit vor. Die Streulichtblende hilft auch bei starkem Lichteinfall von der Seite nur bedingt. Ich habe mit etwas längeren Streulichtblenden mit kleinerem Durchmesser experimentiert, da ich die Belichtungsmessung nicht benötige. Die Verbesserung war jedoch minimal.
Schwarz-Weiß-Fotos scheinen besonders gut zu einer Kamera dieser Art zu passen. So dachte ich jedenfalls.
Als Beispiele habe ich hier ein Innenraumfoto und ein Schlechtwetterbild auf Ilford XP2 Super 400 aufgenommen. Nach einem nicht ganz fairen Test habe ich meine Meinung zumindest teilweise geändert. Hier dasselbe Motiv auf XP2 und als digitale Variante:
Selbstverständlich sind die Aufnahmemedien und Objektive nicht vergleichbar. Aufgrund der Streulichtempfindlichkeit der Konica sinkt der Kontrast, während das moderne Voigtländer Ultron bei Gegenlicht sehr leistungsfähig ist. Auch die Scaneinstellungen spielen eine Rolle. Dennoch ist auch digital eine sehr klassische Anmutung darstellbar. Ich frage mich seitdem, ob sich die Sache beim Kleinbildfilm lohnt. Beim 120er-Mittelformatfilm sehe ich das aber anders.
Welche technischen Probleme gab es?
Eine perfekte Kamera hatte ich nicht erwartet. Der Zustand war insgesamt gut und kleine Kratzer an den Linsenverschraubungen zeigten, dass sie in der Vergangenheit schon gewartet worden war. Der erste Portra 160 zeigte erfreuliche Ergebnisse und eine Rückgabe erübrigte sich. Von Anfang an störte mich jedoch ein vertikal leicht dejustierter Messsucher. Im Objektiv befanden sich etwas Staub und kleine Fusseln, obwohl die Linsen klar waren.
Im nächsten Urlaub störte mich dann etwas anderes. Beim Herausnehmen des ersten Films wanderte dieser direkt in den Mülleimer, denn an der Filmbühne und an der Filmlasche befanden sich Ölspuren. Das wollte ich dem Labor lieber ersparen.
Die Konica wurde erst einmal für ein halbes Jahr zum Briefbeschwerer. Mats Binder von Lichtgriff.de hatte seinen Service eingestellt und andere Feinmechaniker wollten die Konica nicht reparieren oder waren langfristig ausgebucht.
Schließlich entschied ich mich, selbst Abhilfe zu schaffen. Ich bin ein guter allgemeiner Mechaniker, aber kein Feinmechaniker und hatte nur mein technisches Verständnis zur Verfügung. Ein Reparaturhandbuch fehlte. Somit galt die Devise, alles sein zu lassen, was man nicht im Voraus überblickt.
Das Quick-Load-System ließ sich ohne Demontage in mühevoller Arbeit mit saugfähigem Papier und Isopropanol trockenlegen.
Am Objektiv gibt es eine vordere und eine hintere Linsengruppe. Beide lassen sich mit passendem Standardwerkzeug leicht ausbauen, dazwischen liegt der Verschluss. Schnell war klar, woher die Fusseln auf den Linsen kamen. Sowohl der Selbstauslöser als auch die Einstellung der Filmempfindlichkeit haben einen Schlitz für die Einstellhebelchen, durch den die Linsen mit der Außenwelt in Kontakt kommen. Zwei schmale Schaumstoffstreifen aus Dichtungsmaterial für Rückwände sorgen jetzt für Abhilfe.
Als Nächstes wurde die untere Deckkappe abgenommen. Dafür mussten nur vier Schräubchen gelöst werden. Ohne weitere Demontage ist dann das letzte Stück des Objektiv-Helicoids zugänglich und etwas Spezialfett macht das Fokussieren jetzt deutlich geschmeidiger.
Der Messsucher kann durch ein Loch unter der Feder des Blitzschuhs vertikal justiert werden. Allerdings fehlte mir ein passender Schraubendreher und die Sicht auf das Schräubchen. Nach dem Abnehmen der oberen Deckkappe gelang es mir besser. Da die Kappe ohnehin ab war, konnte ich gleich noch den Messsucher etwas entstauben. Zunächst kam der Blasebalg zum Einsatz, anschließend habe ich die feststehenden Linsen ganz vorsichtig mit Optikreinigungstüchern von Zeiss bearbeitet. Wer da richtig reibt, hat einen besonders klaren Sucher. Nur leider ohne die notwendige Beschichtung, dafür aber mit tollen Reflexionen.
Ergebnis: Es hat wie geplant funktioniert.
Eine Kamera zum Benutzen oder nur zum Anschauen?
Mit dieser Kamera lassen sich auch heute noch hochwertige Fotos machen. Es macht Spaß, die altersbedingten Einschränkungen zu umgehen und trotzdem schöne Ergebnisse zu erzielen. Man sollte sich nur genügend Zeit dafür nehmen. Wenn ich mir Änderungen wünschen dürfte, dann wären es diese: Ein längerer Fokussierweg für eine schnellere und treffsichere Scharfstellung bei voll geöffneter Blende sowie eine geringere Streulichtempfindlichkeit, die mehr Gegenlicht zulässt. Ersteres wäre sicherlich technisch möglich gewesen. Letzteres war in den späten 1960er Jahren jedoch vermutlich nicht möglich, da Objektive damals noch von Hand berechnet wurden und die Möglichkeiten zur Beschichtung von Linsen begrenzt waren. Doch auch ohne diese Verbesserungen ist die Auto S1,6 eine offenblendtaugliche Messsucherkamera mit Charakter.




















